Rücktritt von Wenger:Trainer einer Generation

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Nach 22 Jahren hört Arsène Wenger beim FC Arsenal auf. Die Fans hatten zuletzt vermehrt seinen Rücktritt gefordert. (Foto: Darren Staples/Reuters)
  • 1996 wurde Arsène Wenger als unbekannter Franzose beim FC Arsenal vorgestellt. Fast 22 Jahre später tritt er nun von seinem Posten zurück.
  • Er revolutionierte den Fußball auf der Insel und feierte 2004 seinen größten Erfolg: den Gewinn der Meisterschaft ohne eine Niederlage.
  • In diesem Jahr hat er noch ein großes Ziel: Das Europa-League-Finale in Lyon.

Von Sven Haist, London

Der Tag musste irgendwann kommen, am Freitagvormittag war es tatsächlich so weit. Auch wenn Arsène Wenger den FC Arsenal am liebsten wohl auf ewig weiter trainiert hätte, verkündete er nach fast 22 Jahren als dienstältester Coach im europäischen Spitzenfußball seinen Abschied zum Saisonende, trotz eines Vertrages, der noch ein weiteres Jahr läuft.

"Nach reiflicher Überlegung fühle ich, dass es die richtige Zeit ist, um aufzuhören. Ich bin dankbar für das Privileg, dem Verein so viele Jahre lang gedient haben zu dürfen", sagte Wenger. Die Pressemitteilung mit dem Titel "Merci Arsène" auf der Klubwebseite beweist, dass Wenger den Durchblick noch besitzt, den ihm die Fachleute auf der Insel zuletzt abgesprochen hatten. Der Zeitpunkt der Erklärung ist gut gewählt, weil sich Wenger damit knapp eine Woche vor den saisondefinierenden Auseinandersetzungen mit Atlético Madrid im Halbfinale der Europa League einen würdevollen Ausweg aus Arsenals Rückentwicklung in den vergangenen Jahren sichert. Egal, mit welchem Ergebnis die Saison zu Ende gehen wird.

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Für den Fall eines Ausscheidens im Duell mit dem Tabellenzweiten aus Spanien könnte der französische Gentleman nun eben auf seinen vorzeitigen Rücktritt verweisen. Und sollte der FC Arsenal gegen die Madrilenen weiterkommen und sich am 17. Mai im Finale in Lyon, knapp 500 Kilometer von seinem Geburtsort Straßburg entfernt, gar den Titel sichern, hätte Wenger sowieso alles richtig gemacht. Denn nur über einen Sieg im internationalen Wettbewerb könnte das in der Premier League abgehängte Arsenal noch die Champions League erreichen, für die sich der Verein mit Wenger stets qualifiziert hat - außer im Vorjahr.

Die an Höhepunkten reiche Zusammenarbeit mit den Gunners würde mit einem Höhepunkt enden. Für Wenger selbst wäre das im Alter von 68 Jahren der erste Triumph im Europapokal. Ein Erfolg, der für sich stehen würde - so wie seine gesamte Lebensleistung. "Das ist einer der schwierigsten Tage, die wir im Sport gehabt haben", sagte Arsenals Mehrheits-Eigentümer Stan Kroenke. Entgegen dem Trend hatte der amerikanische Geschäftsmann stets an Wenger festgehalten: "Seine Langlebigkeit und Konstanz auf höchstem Niveau über eine solche lange Phase hinweg wird nie wieder erreicht werden."

Seit Oktober 1996 führt Wenger den Verein an, eine ganze Generation lang. Bei der Ankunft traute ihm in England zunächst keiner etwas zu. Der Evening Standard begrüßte den Neuankömmling, der zuvor bloß Vereine in Frankreich und Japan trainiert hatte, mit einer Überschrift, die Wenger vorführen sollte, bevor er überhaupt seine Arbeit aufgenommen hatte: "Arsène Who?" Niemand im Mutterland des Fußballs hatte damals seinen Namen gekannt - außer David Dein, einer der Entscheidungsträger bei Arsenal. Der Legende nach war Dein bei einem Partyabend im Jahr 1989 auf Wenger aufmerksam geworden, bei dem der etwas steif wirkende Elsässer besonders mit seiner Finesse beim Tanzen brilliert haben soll.

"Ein großer, schlanker Franzose schreitet aufs Podium, und wir merken sofort, dass der ein komplett anderes Tier ist", schrieb der renommierte Sportjournalist Myles Palmer in seiner Hommage "Der Professor" über Wenger. Wegen seines intellektuellen Auftretens verpasste ihm die englische Presse diesen Rufnamen, der auch in Bezug auf seine Fußball-Erfahrungen zutreffend wäre. In 1228 Pflichtspielen coachte Wenger den FC Arsenal zu 704 Siegen, darunter die unerreichten sieben Erfolge im FA-Cup. An Weihnachten löste er Alex Ferguson als Rekordtrainer in der Premier League ab. Die letzte seiner drei englischen Meisterschaften gewann Wenger in der Saison 2003/04 auf die ultimative Weise: ohne eine Niederlage. Keinem anderen ist dieser Coup je gelungen.

Die "Invincibles" von damals - die Unbesiegbaren - gehören zu Wengers markantester Hinterlassenschaft. Mit einer bis dahin nie da gewesenen Freiheit und Dynamik bewegten sich die Gunners zu Beginn des Jahrtausends über den Platz. Der Ball zirkulierte so schnell zwischen den Spielern hin und her, dass dem legendären Kurzpassspiel ein eigener Begriff gewidmet wurde: One-Touch-Football. Der Prestige-Erfolg war die Vollendung einer fußballerischen Revolution, die er mit seinen neuartigen Ideen auf der Insel angezettelt hatte. Am Aufbau Arsenals zur Weltmarke ändert auch das 1:2 gegen den FC Barcelona im Finale der Champions League zwei Jahre später nichts mehr.

Mit Wengers Abschied geht eine Ära zu Ende, doch es wird viel bleiben. "An alle Arsenal-Liebhaber: Hütet die Werte des Vereins", sagte er: "Meine Liebe und meine Unterstützung für immer."

© SZ vom 21.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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