Rücktritt von Sachenbacher-Stehle:Das Ende von Gold-Evi

Evi Sachenbacher-Stehle

"Mich haben die letzten Monate sehr viel Kraft gekostet": Evi Sachenbacher-Stehle hat genug.

(Foto: dpa)

"Man ist mit mir auch menschlich nicht immer gut umgegangen": Obwohl der Cas ihre Dopingsperre verkürzt hat, tritt die Biathletin Sachenbacher-Stehle vom Leistungssport zurück. Womöglich erweist sie ihren einstigen Weggefährten damit einen Gefallen.

Von Joachim Mölter

Am Sonntagabend hat die Biathlon-Saison angefangen mit einem Mixed-Staffelrennen in Östersund/Schweden, bei dem das deutsche Quartett den dritten Platz belegte, zwei Zehntelsekunden hinter Sieger Frankreich und zeitgleich mit den zweitplatzierten Norwegern.

Bevor die Jagd nach Weltcup-Punkten in dieser Woche so richtig losgeht mit Einzel-, Sprint- und Verfolgungsrennen, hat Evi Sachenbacher-Stehle den deutschen Biathleten noch einen großen Gefallen getan und ihren Rücktritt vom Leistungssport verkündet. In der ARD-Sportschau sagte die Frau aus Reit im Winkl: "Mich haben die letzten Monate sehr viel Kraft gekostet, man ist mit mir auch menschlich nicht immer gut umgegangen. Ich habe meine Schlüsse daraus gezogen (...) und mich dazu entschlossen, dass ich meine aktive Karriere beenden werde."

"Das Urteil hat klargestellt, dass ich nicht absichtlich gedopt habe"

So hört also die sportliche Geschichte einer Frau auf, die hierzulande mal "Gold-Evi" genannt und als "Strahle-Frau des Wintersports" bezeichnet wurde, weil sie sich über fast alles herzhaft freuen und über fast alles ansteckend lachen konnte. Bis ihr im vergangenen Winter das Lachen verging - wegen eines Dopingfalls.

Evi Sachenbacher-Stehle war bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi am 17. Februar nach Platz vier im Massenstart positiv auf die nur im Wettkampf verbotene Stimulanz Methylhexanamin getestet worden. Sie hatte den positiven Test mit einem verunreinigten Teepulver erklärt, das sie sich privat von einem Ernährungsberater besorgt hatte.

Erst vor zwei Wochen hatte der Internationale Sportgerichtshof in Lausanne (Cas) die von der Internationalen Biathlon-Union (IBU) verhängte Höchststrafe gegen Sachenbacher-Stehle von zwei Jahren Sperre auf sechs Monate reduziert; der Cas sah in dem Fall nur "ein minimales Fehlverhalten" der Athletin. "Das Urteil hat klargestellt, dass ich nicht absichtlich gedopt habe, dass ich in keiner Weise betrügen wollte", stellte Sachenbacher-Stehle befriedigt fest. Damals ließ sie noch offen, ob sie ihre Karriere fortsetzen oder beenden wird; sie wolle das erst mal "im Kreis der Familie" besprechen.

"Das Thema wird in der Anfangszeit der Saison sicher wieder präsent sein", vermutete der Olympia-Zweite Erik Lesser erst in der vergangenen Woche in einem Interview mit der taz. Evi Sachenbacher-Stehle ist ja eine der prominentesten Figuren im deutschen Wintersport: Olympiasiegerin und Weltmeisterin im Langlauf, nach ihrem Wechsel zum Biathlon im Jahr 2012 auch dort schnell zu einer festen Größe im Blickfeld der Öffentlichkeit avanciert.

Die andauernden Überlegungen, Gedanken, Debatten, Anfragen über ihre Zukunft hat Evi Sachenbacher-Stehle ihren einstigen Weggefährten nun erspart. Sie können sich von dieser Woche an vermutlich wieder auf den Sport konzentrieren.

"Drei Monate Training fehlen"

Auch wenn es Stimmen gab wie die der mittlerweile als TV-Expertin tätigen Olympiasiegerin Kati Wilhelm, die hofften, dass Sachenbacher-Stehle weitermachen würde, so schien eine schweigende Mehrheit ihrer Rückkehr mit Unbehagen entgegenzusehen.

Zwar hat man sich im Deutschen Skiverband (DSV) offenbar auf die Sprachregelung geeinigt, wonach ihr Fall auf "Dummheit" und "Blauäuigkeit" basiere; der Ärger über den Imageschaden, den sie angerichtet hatte, blieb aber. Sachenbacher-Stehle hat wohl gespürt, dass sie nicht bedingungslos willkommen gewesen wäre bei einem Comeback.

Sportlich wäre das ohnehin problematisch geworden für eine Frau, die seit ein paar Tagen 34 Jahre alt ist und zuletzt wegen ihrer Sperre keinerlei Unterstützung von Verbandsseite erhalten durfte. "Drei Monate Training fehlen", erklärte sie in der Sportschau: "Ich fühle mich nicht in der Lage, den Winter so zu bestreiten, dass ich meinen Ansprüchen genüge."

In ihren Abschiedsworten klingt viel Bitterkeit durch

Hätte es das Cas-Urteil über die Verkürzung der Sperre schon im Mai gegeben, "wäre sicherlich einiges anders gelaufen", sagte sie: "Aber jetzt ist November, es ist zu spät für die Saison, und deswegen ist meine Entscheidung auch so ausgefallen."

In den Abschiedsworten von Evi Sachenbacher-Stehle klingt viel Bitterkeit durch und wenig Reue. Über das Vergehen von Sotschi sagt sie: "Das war in dem Moment mein Fehler, den habe ich teuer bezahlt." Dass es nicht ihr erster Fehler war, verschweigt sie lieber. Vor den Olympischen Winterspielen 2006 in Turin wurde sie mit einer sogenannten Schutzsperre belegt, weil ihr Blut einen zu hohen Hämoglobinwert aufwies - 16,4, wo nur 16,0 erlaubt sind.

Ein so hoher Wert ist kein Beweis für Blutdoping, aber ein Indiz. In einer tränenreichen Pressekonferenz beteuerte Evi Sachenbacher-Stehle damals ihre Unschuld; eine überzeugende medizinische Erklärung blieb sie schuldig. Dass sie nach dieser Vorgeschichte nicht sensibel geworden ist im Umgang mit allen Arten von Nahrungsergänzungsmitteln, nehmen ihr einige Menschen in den Biathlon-Zirkeln übel.

Evi Sachenbacher-Stehle sieht das natürlich etwas anders: "Durch so eine blöde Sache rausgerissen zu werden, das ist unbefriedigend für mich", sagte sie am Sonntagabend noch: "Ich möchte diese schwere Zeit und wie manchmal mit einem umgegangen wird, nicht mehr erleben." Was sie künftig tun will, weiß sie noch nicht.

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