Rücktritt von Chefermittler Garcia:Fifa nähert sich "der Hölle"

Rücktritt von Chefermittler Garcia: Unter Beschuss: Fifa-Chef Sepp Blatter, hier beim Spiel Auckland City FC gegen San Lorenzo bei der Klub-WM.

Unter Beschuss: Fifa-Chef Sepp Blatter, hier beim Spiel Auckland City FC gegen San Lorenzo bei der Klub-WM.

(Foto: AP)
  • Nach dem Rücktritt von Chefermittler Michael Garcia im Streit um die Vergaben der Fußballweltmeisterschaften 2018 und 2022 reagieren vor allem Vertreter aus Europa schockiert.
  • Anti-Korruptions-Kämpferin Sylvia Schenk: "Präsident Joseph S. Blatter hat seinen Laden nicht im Griff, die Fifa zerbröselt vor unseren Augen."
  • In Marrakesch kommt nun die Exekutive der Fifa zusammen.

Fifa-Vizepräsident: "Ich bin total schockiert"

Der Rücktritt von Fifa-Chefermittler Michael Garcia sorgt für Aufregung. Zum Beispiel im ohnehin zornigen Großbritannien. "Ich bin total schockiert", sagte Jim Boyce, britischer Vizepräsident des Fußball-Weltverbandes, zu Sky Sports News HD. "Das beschädigt die Fifa. Michael Garcia ist jemand mit einer enorm hohen Glaubwürdigkeit. Er muss sich in manchen Dingen sehr, sehr sicher gewesen sein, wenn er diesen Schritt geht."

England war bei der Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 von der Fifa gedemütigt worden, als das stolze "Mutterland des Fußballs" nur zwei von 22 Stimmen erhielt. Seitdem schwelt die Wut in England und seinen Bruderverbänden Schottland, Wales und Nordirland. Insofern ist es kein Wunder, dass Boyce sich bestürzt zeigt über Garcias Demission.

Doch nicht nur die Briten, ganz Europa hat sich gegen Fifa-Chef Sepp Blatter zusammengetan. Auch dessen großer Gegenspieler, Uefa-Boss Michel Platini, und der deutsche Theo Zwanziger haben sich bereits positioniert. Platini wertete die Entwicklung als "weiteres Versagen" der Fifa. Zwanziger will beim Fifa-Kongress in Marrakesch, der an diesem Donnerstag beginnt, einen Antrag zur Lockerung des Ethik-Codes einbringen, um die Offenlegung des gesamten Garcia-Berichts über 430 Seiten plus Tausende Seiten Anhang zu ermöglichen. Der Amerikaner untersuchte die WM-Vergaben an Russland und Katar 2018 bzw. 2022.

Garcias Rücktrittsmail

Der frühere US-Bundesanwalt Garcia hatte am Mittwoch seinen Rücktritt erklärt, nachdem sein Einspruch gegen die in seinen Augen fehlerhafte Auswertung der Korruptionsuntersuchung aus formalen Gründen zurückgewiesen worden war. Der deutsche Richter Hans-Joachim Eckert hatte diese als Vorsitzender der rechtsprechenden Kammer der Ethikkommission verfasst. Bei den WM-Vergaben 2018 an Russland und 2022 an Katar hat es laut Eckert keine Unregelmäßigkeiten gegeben, die eine Neuvergabe rechtfertigen würden.

"Kein unabhängiges Komitee, kein Ermittler oder Schiedsgericht kann die Kultur einer Organisation ändern", schrieb Garcia in seiner Rücktrittsmail. "Meine Rolle in diesem Prozess ist zu Ende." Er bemängelte, ohne Blatter namentlich zu nennen, "fehlende Führung in der Fifa in diesen Fragen". Eckerts Auswertung habe ihn das Vertrauen verlieren lassen, dass die rechtsprechende Kammer, der der Deutsche vorsitzt, tatsächlich unabhängig sei.

Für Anti-Korruptions-Kämpferin Sylvia Schenk hat sich die Fifa nicht erst durch die Posse um Garcia "in die Hölle" manövriert. "Das ist unfassbar schlecht gemanagt worden", sagte die Leiterin der Arbeitsgruppe Sport bei der Nonprofit-Organisation Transparency International der Nachrichtenagentur SID: "Und das zeigt erneut: Präsident Joseph S. Blatter hat seinen Laden nicht im Griff, die Fifa zerbröselt vor unseren Augen."

2015 will sich Blatter wiederwählen lassen

Schenk gehe davon aus, "dass Eckert Mist gebaut hat. Er hätte nach meiner Meinung sein Statement gar nicht abgeben dürfen! Diese Feststellung zum Bewerbungsverfahren steht ihm bzw. der Ethikkommission gar nicht zu. Es dürfen nur endgültige Entscheidungen zu Einzelpersonen veröffentlicht werden - aus meiner Sicht hat er gegen die Vertraulichkeitsklausel im Ethik-Code verstoßen."

Natürlich verstehe die Anti-Korruptions-Kämpferin, "dass das Exekutivkomitee und Herr Blatter gerne einen Schlussstrich haben wollten", sagte Schenk. "Aber diesen konnte die Ethikkommission gar nicht ziehen."

Nach Garcias Schlussstrich steht das Exekutivkomitee in Marrakesch mehr denn je unter Beobachtung. Richtig spannend wird es aber erst im kommenden Jahr. Am 29. Mai will sich Blatter zum fünften Mal als Fifa-Chef wählen lassen. Schenk sagte dazu: "Im nächsten Jahr soll ein 79-Jähriger erneut gewählt werden, der die letzten vier Jahre gezeigt hat, dass er weder Glaubwürdigkeit noch Ruhe in die Fifa bringen kann!? Das ist Harakiri."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: