Rücktritt als Fifa-Präsident:US-Justizbehörden ermitteln gegen Sepp Blatter

Rücktritt als Fifa-Präsident: Seit 1975 in der Fifa, seit 1998 Präsident - nun bald nicht mehr da: Sepp Blatter.

Seit 1975 in der Fifa, seit 1998 Präsident - nun bald nicht mehr da: Sepp Blatter.

(Foto: Ennio Leanza/AP)
  • Der Weltfußball erlebt eine fulminante Wendung: Wenige Tage nach seiner Wiederwahl tritt Sepp Blatter als Präsident der Fifa zurück.
  • Die Ermittlungen der US-Justiz gegen einige seiner engsten Vertrauten lassen dem Schweizer keine andere Wahl.
  • "New York Times" und der TV-Sender ABC berichten unter Berufung auf Justizkreise, dass die US-Behörden Blatter wegen Korruption anklagen wollen.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Etwas war von Anfang an anders als üblich, als der Fußball-Weltverband am Dienstagabend in seiner Züricher Zentrale zu einer Pressekonferenz bat. Ganz kurzfristig war sie angesetzt worden, hektisch bereiteten die Angestellten der Fifa alles vor, die Namensschilder, die Kopfhörer, dann verschob sich die Mitteilungsrunde noch einmal - und als Sepp Blatter endlich kam, setzte er sich nicht neben seinen Medienchef, sondern stellte sich an sein Pult.

Dann begann er auf Französisch seinen Wortbeitrag, mit dem so kein Beobachter aus der Fußballwelt gerechnet hatte - und der in einem bemerkenswerten Statement kulminierte: Ich, Sepp Blatter, kündige meinen Rücktritt an. "Ich will nur das Beste für die Fifa und den Fußball", sagte er und verließ den Saal, ohne Nachfragen zuzulassen. Sepp Blatter kündigt nur wenige Tage nach seiner Wiederwahl seinen Rücktritt an. Nach fast 40 Jahren in führenden Positionen im Weltverband. Nach 17 Jahren als Präsident. Und nach zahlreichen Skandalen.

Die dubiosen Umstände bei seinen Wiederwahlen hat er ebenso überstanden wie Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe von Weltmeisterschaften. Die Affäre rund um den Sportrechtevermarkter ISL, in der sich herausstellte, dass Blatter Kenntnis von Schmiergeldzahlungen an hohe Funktionäre hatte, ebenso wie die Abläufe in der Causa Visa/Mastercard, die den Weltverband 100 Millionen Dollar kosteten. Aber der letzte Skandal war offenkundig zu viel gewesen für den 79 Jahre alten Meister des Aussitzens und Taktierens.

Dieser letzte Skandal, das sind die Ermittlungen, welche das FBI und andere amerikanische Behörden schon seit geraumer Zeit vorantreiben und die am vorigen Mittwoch ihren ersten großen Höhepunkt erlebt hatten: Da marschierten Polizisten kurz vor dem Wahlkongress der Fifa ins Züricher Luxushotel Baur du Lac und verhafteten sieben Fifa-Funktionäre aus Latein- und Mittelamerika. Ihr Vorwurf: Korruption und Geldwäsche im großen Stil.

Zugleich gab die Schweizer Bundesanwaltschaft bekannt, dass sie ein Strafverfahren wegen Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe der Weltmeisterschaften 2018 (nach Russland) und 2022 (nach Katar) verfolge; sie führte eine Razzia in der Fifa-Zentrale durch und machte sich daran, die Exekutivmitglieder von damals zu befragen. "Die Wahlen sind vorbei, aber die Verwicklungen der Fifa haben kein Ende genommen in dem Skandal", sagte Sepp Blatter nun. Den internen Aufstand der Fußballfamilie hatte er noch abwehren können.

Das war immer Blatters Stärke gewesen: sich den Rückhalt der 209 Verbände zu organisieren, oder zumindest deren Mehrheit. Aber die Ermittler von außen, die konnte er nicht mehr aufhalten. Und vor allem die Amerikaner hatten keinen Zweifel daran gelassen, dass die Verhaftungen am vergangenen Mittwoch allenfalls die ersten Wellen waren. Es würde ein weiteres Mal Fußball-Funktionäre in Handschellen geben, das schien klar zu sein, offen nur die Frage: wer und wann?

Die Ermittlungen des FBI setzten der Fifa zu

Sepp Blatter war bisher weder Beschuldigter der amerikanischen Behörden, noch ermittelten die Schweizer gegen ihn. Nun hat die New York Times erfahren, dass sich dies beim FBI geändert hat. Die Schlinge um Blatter zieht sich also zu. Und die Einschläge der Korruptionsaffäre kamen ja auch vorher schon immer näher. Am Dienstag war Blatters Generalsekretär Jérôme Valcke endgültig ins Visier geraten. Und damit indirekt Blatter selbst. Es geht um eine Überweisung von zehn Millionen Dollar aus der Fifa-Zentrale auf ein Konto des nord- und mittelamerikanischen Verbandes Concacaf, die nach Medienberichten Valcke angeblich selbst autorisierte.

Die Fifa widersprach, musste aber einräumen, dass Valcke von dem Vorgang wusste. Am Dienstag tauchte ein Brief des südafrikanischen Verbandes (Safa) aus dem Jahr 2008 auf, in dem es um die von der südafrikanischen Regierung versprochenen zehn Millionen Dollar für das "Diaspora Legacy Programme" geht, der Adressat: Valcke. Spätestens da war klar, dass dieser Vorgang nicht nur für Valcke ziemlich heikel werden könnte. Sondern auch für Blatter. Denn gemäß der Fifa-Statuten ist der Generalsekretär zuständig für alle "administrativen Geschäfte" des Fußball-Weltverbands; unter anderem ist er auch verantwortlich für die Verwaltung und getreue Buchführung.

Und dem Präsidenten obliegt gemäß den Regeln die "Kontrolle des Generalsekretariats". "Wenn ich in Sepp Blatters Position wäre, wäre ich sofort zurückgetreten", hatte der jordanische Prinz Ali bin al-Hussein CNN noch kurz vor Blatters unerwarteter Rücktrittsankündigung mitgeteilt - der Funktionär, der dem langjährigen Fifa-Chef bei dessen letzter Wiederwahl unter- legen gewesen war. "Am Ende des Tages passierte all das unter seiner Aufsicht." Der Königsspross aus Amman war am Dienstag auch prompt der Erste, der eine Bewerbung für die Nachfolge Blatters ankündigte.

Er dürfte dabei allerdings keine realistischen Chancen haben. Die Europäer, die ihn beim letzten Mal motivierten, prüfen nun wohl andere Optionen. Michel Platini, Chef von Europas Fußball-Union (Uefa), hatte für dieses Jahr noch gekniffen, Blatter herauszufordern - seine mittelfristigen Ambitionen allerdings kaum verhehlt. Auch der kuwaitische Scheich Al-Sabah könnte eine maßgebliche Rolle spielen.

Er fädelte sowohl in der Welt des Fußballs und des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) schon des Öfteren Mehrheiten ein und rückte jetzt in Zürich in den Fifa-Vorstand. Nun kommen auf die Fußball-Welt also die letzten Monate von Blatters Regentschaft zu. Zum Abschied des Schweizers soll Domenico Scala, Chef der Audit-Kommission der Fifa, nun noch ein "signifikantes Reformprogramm" ausarbeiten - so etwas hat Blatter in den vergangenen Jahren zuhauf angekündigt, aber bestenfalls dezent umgesetzt. Es soll jetzt unter anderem um die Verkleinerung der Exekutive oder eine Beschränkung der Amtszeiten gehen.

Die Wahl eines neuen Präsidenten ist für einen außerordentlichen Fifa-Kongress zwischen Dezember und März avisiert. Bis dahin wird Blatter sein Amt ausüben, dann endet nach 17 Jahren seine Zeit an der Spitze. Die Ermittlungen des FBI und der Schweizer Bundesanwaltschaft aber, sie sind auch nach der Rücktritts- ankündigung noch lange nicht vorbei.

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