Rückkehr von Michael Phelps:Zurück aus dem Haifischbecken

Arena Grand Prix at Mesa - Practice Day

Michael Phelps: Wieder auf der großen Bühne in Mesa

(Foto: AFP)

Michael Phelps kann der Versuchung nicht widerstehen: Nach einem Jahr Pause schwimmt er wieder gegen die Uhr. Eine Riesensache für seinen Sport, auch wenn niemand sagen kann, ob Phelps wirklich mithalten kann.

Von Claudio Catuogno

Erin Shields ist die Direktorin des Mesa Field Grand Prix, eines dreitägigen Schwimm-Meetings in der Kleinstadt Mesa in Arizona, sie hat jetzt ein paar Herausforderungen mehr an der Backe, aber wenigstens muss sie zu Hause nicht mehr das Unerklärbare erklären. "Ich habe einen sechsjährigen Sohn, der schwimmt und der nie verstanden hat, warum Michael Phelps zurückgetreten ist, wo er doch im gleichen Alter ist wie seine Mutter", sagte Shields gerade der New York Times. Erin Shields ist 30. Michael Phelps wird im Juni 29. Das macht die Frage des sechsjährigen Connor aber nicht schlechter.

Man hat die Bilder noch im Kopf, wie Michael Phelps im Sommer 2012 um den Pool des Londoner Aquatic Centers geschritten ist, Tränen in den Augen, eine Skulptur in den Händen - sein Abschiedsgeschenk. Dass die Skulptur einen Schwimmer ohne Kopf darstellte, hat ihn nicht gestört.

Das Publikum trug ihn ja wirklich mit sehr viel Anteilnahme hinaus in sein zweites Leben, und auch wenn man zu jenen zählte, die den Ausnahme-Schwimmer Phelps nie ohne die in der Muskelbranche angebrachte Skepsis verfolgten: Es war der emotionale Abschied einer Legende. Des erfolgreichsten Schwimmers der Geschichte und des erfolgreichsten Olympioniken überhaupt. 22 Olympia-Medaillen hatte er an sich gebracht in Athen (2004), Peking (2008) und London, davon 18 goldene.

Was soll man einmal mit seinem Namen verbinden? Phelps überlegte damals eine Weile. "Vielleicht, dass ich den Sport auf ein neues Level gehoben habe?" Worauf freut er sich? "Nicht mehr jeden Abend Pizza und Pasta essen zu müssen, um Energie aufzunehmen." Was hat er jetzt vor? "Einfach auf Schwimm-Events gehen, Spaß haben und dabei zusehen, wie die neue Generation den Sport wieder auf ein neues Niveau hebt." Sonst nichts? Doch, klar! "Einen cage dive würde ich auch gerne mal machen." Also: Käfigtauchen mit Haien.

Und auch diesen Satz hat er damals gesagt, bei den Spielen in der britischen Hauptstadt, die er auch deshalb so prägte, weil sie seine letzten sein sollten: Niemals, wirklich niemals werde man von ihm ein Comeback erleben.

Und nun muss also Erin Shields schauen, dass sie den Andrang bewältigt. Die Eintrittskarten gehen plötzlich wie von alleine weg, und Journalisten aus der ganzen Welt haben ihren Besuch angekündigt in der Südstaaten-Provinz nahe Phoenix. Aber als Meeting-Chefin nimmt Shields das natürlich sportlich. Und als junge Mutter sagt sie: "Es ist wirklich aufregend, dass mein Sohn ihn noch mal in Aktion sehen wird."

Rückkehr in die Schutzhülle des Schwimmens

Das sagen jetzt alle, seit Michael Phelps eben doch sein Comeback avisiert hat, für den Mesa Field Grand Prix, der an diesem Donnerstag beginnt: dass es schön ist, ihn wieder dabei zu haben. Paul Biedermann aus Halle/Saale, der Phelps 2009 in Rom den Weltmeistertitel über 200 Meter Freistil wegschnappte, findet die Rückkehr "einfach großartig". Der Franzose Yannick Agnel, zweifacher Goldmedaillen-Gewinner von London, der inzwischen gemeinsam mit Phelps bei dessen Langzeit-Coach Bob Bowman in Baltimore trainiert, sagt: "Ich bin glücklich, dass er hier bei uns ist."

Und Michael Phelps selbst? Sagt vor seinen Wettkämpfen am Donnerstag, ihn hätten Figurprobleme wieder ins Becken getrieben: "Wieder in Form zu kommen, war anfangs das Wichtigste." 14 Kilogramm hatte Phelps zugelegt, in einer Trainingsgruppe in Baltimore geht er dagegen an. "Ich bin wirklich der Opa dieser Gruppe", sagt er, "das ist der schlimmste Teil dabei: Ich bin ein alter Mann".

Unabhängig davon, wie diese Rückkehr für ihn ausgehen wird: Für das internationale Schwimmen ist sie schon jetzt eine Riesensache. Niemand sonst beschert dem Sport eine vergleichbare Aufmerksamkeit. Auch in Mesa sind noch eine Menge andere Olympiasieger am Start. Aber ein Rennen, in dem ein Phelps mitschwimmt, ist einfach die größte Zirkusnummer, auch wenn er es nicht gewinnt.

Wird er denn wieder Rennen gewinnen?

Vom anderen Ende der Welt weht gerade die wenig Mut machende Geschichte des einstigen Gold-Schwimmers Ian Thorpe, 31, herüber: Auch der Australier hat sich noch mal im Becken versucht; das Ergebnis: erst eine Menge Enttäuschungen und am Ende eine so schwere Schulterentzündung, dass zwischenzeitlich sogar eine Amputation im Raum stand. Dazu: psychische Probleme, Drogenexzesse, Selbstmordgedanken. Aber Thorpe war mehr als fünf Jahre draußen, ehe er es vor den London-Spielen noch mal wissen wollte. Phelps war ein Jahr Hobbyschwimmer. Seit vergangenem Herbst trainiert er schon wieder, zunächst heimlich, doch spätestens, seit er sich wieder für den Testpool der Anti-Doping-Behörden anmeldete - die Voraussetzung für die Teilnahme an Wettkämpfen -, war die Verkündung der Pläne nur eine Frage der Zeit.

Wobei noch die Frage wäre, wie diese Pläne genau aussehen. Und ob es sie im Detail überhaupt schon gibt. Coach Bowman jedenfalls spricht erst mal nur von einem "Soft-Comeback". Einfach mal gucken, was geht. Phelps wird in Mesa über die 50 Meter Freistil sowie die 100 Meter Schmetterling antreten. Das könnte ein Hinweis sein, dass er sich in Zukunft auf kürzere Strecken konzentrieren will als jene 200 Meter, die er früher in erster Linie dominierte.

Andererseits brauchen die 200-Meter-Disziplinen sehr viel mehr Grundlagentraining - so weit kann Phelps noch gar nicht sein. Aber vielleicht bekommt er ja noch mal Lust. Von den Spielen 2016 in Rio, bei denen Phelps 31 wäre, spricht Bowman noch nicht explizit. Nur so viel: "Nichts, was Michael tun wird, wird in der Lage sein, sein Erbe zu beflecken." Weil dieses Erbe längst viel zu groß ist, als dass man durch ein paar Niederlagen noch daran kratzen könnte. Phelps selbst sagt: "Ich mache das, weil ich es will. Niemand drängt mich dazu. Ich freue mich darauf, wohin die Reise mich auch führt."

Ansonsten folgt wohl auch dieses Comeback dem bekannten Muster: Ein einst prägender Sportler stellt nach dem Karriereende fest, dass es doch kein lebensfüllendes Projekt ist, mit Haien zu tauchen. Oder sich den ehemaligen Trainer von Tiger Woods zu buchen zwecks Verbesserung des eigenen Handicaps. Abgesehen von einem Sensations-Putt aus knapp 50 Metern, der als Internetvideo kursiert, halten sich auch Phelps' Erfolge als Golfer in Grenzen. Nun kehrt er in die Schutzhülle des Schwimmens zurück.

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