Rückblick auf die Formel-1-Saison:Gummigeschosse im Anflug

Ferrari Formula One driver Alonso talks in the garage before the start of the first free practice session ahead of the Brazilian F1 Grand Prix at the Interlagos circuit in Sao Paulo

Die Saison 2013 lief nicht optimal: Fernando Alonso

(Foto: REUTERS)

Ein gereizter Teamkollege, unberechenbare Reifen und das liebe Geld: Sebastian Vettel war nicht der einzige Hauptdarsteller 2013 in der Formel 1. Ein Rückblick auf die Saison.

Von Lisa Sonnabend

  • Problem mit den Reifen

Schon nach den ersten drei Rennen der Saison 2013 war die Stimmung bei vielen Rennställen im Keller. Der Grund: die Reifen. Im Fahrerlager schimpften die Piloten und die Mechaniker über die von Pirelli gelieferten Pneus. Zu schnell nutzten sie sich ihrer Meinung nach ab, frühe Boxenstopps waren deswegen nötig, jedes Rennen ein Lotteriespiel. Die Logik lautete: Wer mit den Reifen am besten klar kommt, gewinnt das Rennen. Ein schneller Start, gelungene Überholmanöver oder eine clevere Taktik spielten zu Beginn der Saison 2013 kaum eine Rolle.

Fatal wurde es dann beim Großen Preis in Silverstone. Bei fünf Fahrern platzte ein Reifen - immer hinten links. Einmal flogen die abgelösten Gummi- und Metallstreifen nur um Haaresbreite am Helm von Fernando Alonso vorbei. Aus Angst um ihre Sicherheit drohten die Fahrer daraufhin, das Rennen auf dem Nürburgring zu boykottieren. Pirelli reagierte - und lieferte zum Großen Preis von Deutschland endlich veränderte Pneus. Die Reifen waren in den folgenden Saisonrennen kein Thema mehr.

  • Teaminterner Streit

Beim zweiten Rennen der Saison knallte es. Sebastian Vettel hielt sich in Malaysia nicht an eine Teamabsprache, überholte seinen überraschten Red-Bull-Kameraden Mark Webber - und stahl ihm den Sieg. Danach sagte der Heppenheimer: "Ich hätte wohl wieder so gehandelt. Weil Mark es wegen Vorkommnissen in der Vergangenheit nicht verdient hat, dass ich als Zweiter durchs Ziel fahre." Fortan betonten Vettel und Webber immer wieder, wie wenig sie doch miteinander können. Beim Saisonfinale, dem letzten Rennen überhaupt für Webber, kam Vettel einmal mehr als erster ins Ziel, der Australier als zweiter. Bei der Siegerehrung nahmen sich in den Arm, ganz kurz zumindest.

  • Testfahrtenaffäre

Es war der große Aufreger der Formel-1-Saison 2013. Im Frühsommer flatterte bei Mercedes eine Einladung ein. Der Reifenhersteller Pirelli lud ein, auf dem Circuit de Catalunya Testfahrten zu machen. Das Schreiben ging an Red Bull, Ferrari und Mercedes. Zwei Rennställe lehnten ab, aus Angst, gegen die Regeln zu verstoßen, nur Mercedes nahm die Einladung an. Insgesamt 1000 Kilometer legte Mercedes mit dem aktuellen Rennauto zurück. Als dies rauskam, schäumte die Konkurrenz vor Wut. Hatte sich Mercedes mit den geheimen Testfahrten einen Vorteil verschafft? Der Automobilweltverband Fia eröffnete ein Verfahren, doch die Strafe für Mercedes vor dem Gericht im Fia-Hauptquartier in Paris fiel milde aus: kein Punktabzug, keine Geldstrafe, lediglich eine Verwarnung.

  • Pfeifkonzerte für Vettel

Das erste Mal pfiffen sie nach dem Großen Preis von Belgien. Sebastian Vettel hatte das Rennen eben souverän gewonnen und richtete ein paar Worte an die Zuschauer, als das Pfeifkonzert einsetzte. In Monza und Singapur das gleiche Bild. Es kommt im Sport nicht oft vor, dass jemand dafür büßen muss, weil er zu gut ist. Vettel ist in der zweiten Saisonhälfte allerdings genau das passiert. Neun Rennen gewann er in Serie, seit dem zweiten Rennen führte er die WM-Wertung an, den Titel sicherte er sich frühzeitig. Das war beeindruckend, aber für manche Nicht-Vettel-Fans eben auch ein wenig langweilig. Immerhin: Vettel dachte sich eine neue Jubelgeste aus, um für ein wenig Abwechslung zu sorgen. Er drehte sich nach drei Siegen mit seinem Wagen im Kreis, bis die Reifen qualmten und auf dem Asphalt schwarze Gummispuren zurückblieben.

Hop oder top bei Mercedes

  • Spannung abseits der Piste

Als in der zweiten Saisonhälfte Vettel jedes Rennen gewann, interessierte plötzlich immer mehr, was abseits der Rennstrecke geschah. Stoff lieferte ausgerechnet Vettel selbst. Im September nach dem Rennen von Singapur sagte der Weltmeister: "Wenn die anderen nach Hause gehen und sich die Eier in den Pool hängen, sind wir noch da, arbeiten am Auto und versuchen, noch mehr herauszuquetschen." Die Konkurrenz war sauer - und ließ sich auch von Vettels Entschuldigung nicht besänftigen. Lewis Hamilton fand seine eigene Art, Vettel kontra zu geben. Seit Vettel immer gewinne, seien die Rennen so langweilig wie einst zu Zeiten von Michael Schumacher geworden, schimpfte der Brite. "Es tut mir leid für die Fans." Auch er nahm seine Worte später zurück, doch in Erinnerung bleiben sie trotzdem.

  • Mercedes schwankt

Mal hop, mal top: So verlief die Saison von Mercedes. Lewis Hamilton und Nico Rosberg beendeten manche Rennen ganz oben auf dem Podest, dann wieder kamen sie mit den Reifen oder der Technik überhaupt nicht klar. Die Saison beendete der talentierte Hamilton dann auf Rang vier, Rosberg auf Rang sechs. In der Konstrukteurswertung gelang es den beiden im letzten Rennen noch, Ferrari auf Abstand zu halten und mit nur vier Punkten Vorsprung Platz zwei zu belegen - weit abgeschlagen hinter Red Bull.

2014 haben die Motoren der Formel-1-Wagen nur noch sechs statt acht Zylinder. Seit Monaten schon tüfteln die Rennteams in den Werkstätten - natürlich streng geheim. Mercedes verrät nur so viel: Sie sind zuversichtlich.

  • Poker um Cockpit-Plätze

Ende Juni gab Mark Webber bekannt, was viele schon geahnt hatten. Der 36-jährige Australier verkündete, sich Ende der Saison von Red Bull zu verabschieden und künftig bei der Langstrecken-WM zu starten. Das Cockpit-Karussell begann sich zu drehen. Wochenlang rätselten die Motorsport-Experten: Wer bekommt den Platz an Vettels Seite? Der erfahrene Kimi Räikkönen oder ein Pilot aus dem Red-Bull-Nachwuchsteam Toro Rosso? Firmenchef Dietrich Mateschitz entschied sich für den 26-jährigen Daniel Ricciardo aus dem eigenen Stall. Das bedeutet: Der Nummer-Eins-Status von Sebastian Vettel ist zementiert - Konkurrenz aus dem eigenen Lager braucht er nicht zu fürchten. Der Finne Räikkönen unterschrieb daraufhin bei Ferrari - und wird dort 2014 mit Fernando Alonso um WM-Punkte feilschen.

Für Räikkönen musste Felipe Massa weichen, der Brasilianer kam bei Williams unter. Sauber wiederum engagierte den 18-jährigen Sergej Sirotkin, der vor allem eines mitbringt: viel Sponsorengeld. Bei Toro Rosso wiederum kam als Ricciardo-Nachfolger der Russe Daniel Kwijat unter. Und Nico Hülkenberg? Dessen Vertrag bei Sauber läuft aus, einen neuen Rennstall hat er noch nicht gefunden, obwohl er gute Leistungen gezeigt hat. Sein Manko allerdings: Er bringt keine Sponsorengelder mit - und so wartet er immer noch. Auch Pastor Maldonado, Sergio Perez, Esteban Gutiérrez, Max Chilton und Giedo van der Garde haben noch keinen Vertrag für die kommende Saison. Fest steht: Für mindestens einen von ihnen wird kein freier Cockpit-Platz bleiben.

Millionengeschäft mit Geldproblemen

  • Bernie Ecclestone in Bedrängnis

Bernie Ecclestones Zuhause während der Rennwochenenden ist ein imposanter schwarzer Container mit getönten Fenstern, der immer ganz am Anfang der Boxengasse errichtet. Dahinter erst folgen die Motorhomes der Rennställe. Ecclestone ist und bleibt der wichtigste Mann des Motorsports, daran hat auch die Anklage der Münchner Staatsanwaltschaft wegen Bestechung nichts geändert. Ecclestone wird vorgeworfen, dem ehemaligen BayernLB-Vorstand Gerhard Gribkowsky 44 Millionen Dollar Schmiergeld gezahlt zu haben.

F1 Grand Prix of China - Race

Bernie Ecclestone beim Großen Preis von Shanghai

(Foto: Getty Images)

Wie reagierte der 83-Jährige? Demut? Unsicherheit? Nicht doch! Ecclestone machte weiter wie bisher. Mit seinem Luxuswagen parkte er an dem Rennwochenende, nachdem ihm die Anklage zugestellt worden war, vor dem Fia-Bau, Bodyguards und attraktive Frauen folgten ihm auf Schritt und Tritt. In London steht Ecclestone bereits in diesen Tagen vor Gericht, auch in diesem Fall geht es um Bestechung. Für den Fall einer Verurteilung sorgt Ecclestone schon einmal vor: Christian Horner, Teamchef von Red Bull, könnte er sich als seinen Nachfolger vorstellen.

  • Millionengeschäft mit Geldproblemen

In kaum einer anderen Sportart wird so geprotzt wie in der Formel 1. Die Rennställe errichten bei jedem Grand Prix in der Boxengasse ihre spektakulären Motorhomes, Millionen werden in die Autos investiert, um beim nächsten Rennen vielleicht ein paar Hundertstel herauszuholen, bei der Siegerehrung wird mit Magnum-Flaschen Champagner um sich gespritzt. Doch bei vielen Akteuren wurde 2013 das Geld knapp.

Lotus soll Spitzenfahrer Kimi Räikkönen das Gehalt erst mit monatelanger Verspätung überwiesen haben. Sauber stand kurz vor dem Rückzug aus der Formel 1, ehe russische Investoren einstiegen. Die kleinen Rennställe Caterham und Marussia holten 2013 keinen einzigen WM-Punkt, auch für sie geht es ums Überleben. Falls die Fia tatsächlich in der kommenden Saison nicht nur 19, sondern womöglich bis zu 22 Rennen fahren lässt, würde dies die klammen Teams vor noch größere Probleme stellen und sie müssten zusätzliche Testfahrten bezahlen, mehr Personal einstellen. Auch in der Formel 1 gilt: Die Reichen werden reicher, die Armen werden ärmer.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: