Rubens Barrichello:Wut auf Schumacher

Nach dem Sieg in Monza attackiert Rubens Barrichello seinen ehemaligen Teamkollegen Michael Schumacher - und macht sich Hoffnungen auf die Weltmeisterschaft.

René Hofmann

Rubens Barrichello gab sich angriffslustig. Auf der höchsten Stufe des Siegertreppchens tat er nach dem Großen Preis von Italien so, als feuere er Pfeile auf die klatschende Menge und auf seine Rivalen, die gerade geschlagen in die Garagen geschlichen waren. Die Pantomime-Einlage war eine Reminiszenz an Fernando Alonso, der bei seinen erfolgreichen Titeljagden 2005 und 2006 immer wieder ähnliches geboten hatte. Richtig erklären konnte Barrichello die Nummer nicht. "Ach, ich denke mir immer was Neues aus", gab er an. Einmal in Fahrt geraten, teilte er dann aber doch gleich weiter munter aus.

Formel 1: Rubens Barrichello

Michael Schumacher und Rubens Barrichello: Bei Ferrari war Schumacher die klare Nummer eins.

(Foto: Foto: rtr)

Er wolle sich wirklich nicht beklagen und über niemanden schlecht reden, versicherte Barrichello. Und tat dann doch genau das. Er habe in seiner Karriere schon einiges überstehen müssen, sagte er, vor allem aber einen mehrmaligen Weltmeister - Michael Schumacher. Der sei zwar ein toller Fahrer gewesen, so Barrichello, aber menschlich... - das Ende dieses Gedankens kleidete Barrichello in ein Bild: "Wenn man mich in einen Tigerkäfig sperrt, habe ich eine Überlebens-Chance. Bei Michael bin ich mir da nicht so sicher." Übersetzt heißt das: Seht her, hier steht einer, der alles alleine geschafft hat! Schumacher hat immer die Hilfe anderer benötigt.

Von 2000 bis 2005 fuhren die beiden für Ferrari. Die Bilanz dieser Zeit: Schumacher - 49 Siege, fünf WM-Titel. Barrichello - neun Siege, zweimal WM-Zweiter. Dann ging der Brasilianer zu Honda. Drei Jahre lang fuhr er mit dem Team hinterher. Als sich der japanische Konzern im Winter aus der Formel 1 zurückzog, wusste Barrichello nicht, ob er überhaupt würde weiterfahren dürfen. Er durfte. Der neue Teambesitzer Ross Brawn, der Barrichello aus der Zeit als Technikchef bei Ferrari kannte, setzte auf Erfahrung. Das Auto, das Brawn gebaut hatte, war ein großer Wurf. Schon nach der ersten Testrunde, die Jenson Button absolvieren durfte, war das klar. Als der Brite zur Box kam, strahlte er: "Ein toller Wagen!" Darauf Barrichello: "Mach' Platz, ich will auch mal fahren!"

Inzwischen sind 13 der 17 Rennen absolviert, die 2009 ausgetragen werden, und das Auto hat davon acht gewonnen. Button siegte sechs-, Barrichello zweimal. Aber in den vergangenen drei Rennen war Barrichello besser und hat mächtig aufgeholt. 14 Punkte trennen ihn nun nur noch von Button. Anders als bei Ferrari gibt es bei BrawnGP keine Nummer 1a und 1b. So lange beide eine Chance haben, bekommen sie die gleichen Chancen. "Endlich kann ich zeigen, was ich wirklich kann", frohlockt Barrichello.

So nah wie jetzt durfte er sich dem großen Erfolg noch nie fühlen. Singapur, Suzuka, São Paulo - in den letzten Rennen bietet sich ihm eine große Gelegenheit. Vielleicht die letzte. Mit 37 Jahren ist Barrichello der Älteste im Feld, mit mehr als 280 Grand-Prix-Teilnahmen ist er der erfahrenste Formel-1-Pilot überhaupt. Sollte es am Ende auf ihn hinauslaufen - es wäre die finale Kuriosität einer kuriosen Saison.

Als die im März in Melbourne begann, hätten auf Barrichello wenige getippt. Hochgewettet war dagegen der Jüngste im Feld: Sebastian Vettel, 22. Zwischenzeitlich sah es für ihn sogar recht gut aus. Den England-Grand-Prix zur Saisonmitte dominierte Vettel, doch seitdem bekommen er und sein Red-Bull-Team einfach nicht hin, was Barrichello scheinbar spielerisch gelingt: Konstant schnell zu sein.

Vettel hat sich schon einige Fahrfehler erlaubt, in Italien lag das mäßige Abschneiden aber eher am Auto. Das Modell RB5 hat eine Antriebsschwäche. Der von Renault stammende Motor ist nicht der stärkste. Außerdem ging er bei Vettel schon oft kaputt. Jeder Fahrer darf in diesem Jahr nur acht Motoren verwenden. Braucht er mehr, wird er in der Startaufstellung strafversetzt. Um dem zu entgehen, schont Vettel seine Triebwerke. Im ersten Training am Freitag fährt er kaum noch, was die Suche nach der richtigen Abstimmung schwierig macht. "Ich bin quasi eine Halbtagskraft", sagt Vettel.

Um in der Höchstgeschwindigkeits-Wertung in Monza nicht zu weit hinter die Rivalen zu rutschen, stellten die Mechaniker die Flügel am Auto besonders flach. Das Resultat davon: Der Wagen war schwer zu kontrollieren, weil er leicht ins Rutschen geriet. "Das hat mich viel Zeit gekostet", sagte Vettel. Mehr als Platz acht war so nicht drin. Gelegentlich - siehe Vettel - steht der Fahrer in der Formel 1 am Ende einer bösen Kettenreaktion, auf die er wenig Einfluss hat. Und gelegentlich - siehe Barrichello - kann es auch genauso in die andere Richtung laufen. Und gelegentlich ist die langfristige Perspektive wiederum genau anders als es die kurzfristige suggeriert.

Während Vettel sein Arbeitsplatz schon bis Ende 2011 sicher ist, muss Barrichello bangen. Ross Brawn hat sich bisher weder auf ihn noch auf Button als Pilot für 2010 festgelegt. Wenn es dumm für ihn läuft, könnte Barrichello als Weltmeister entlassen werden.

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