Rosberg und Hamilton in der Formel 1:Zwei Kumpels tanzen auf der Rasierklinge

F1 Grand Prix of Bahrain - Race

Shakehands unter Freunden - aber wie lange noch? Nico Rosberg und Lewis Hamilton fahren um den WM-Titel.

(Foto: Getty Images)

Die Millimeter-Duelle der beiden Mercedes-Fahrer Rosberg und Hamilton beim Doppelerfolg in Bahrain faszinieren die Formel-1-Fans. Das Team verspricht, dass die beiden Titelanwärter auch künftig gegeneinander kämpfen dürfen. Aber kann das gutgehen?

Von René Hofmann

Das Duell hatte sich angekündigt. Vor vier Wochen saßen Lewis Hamilton und Nico Rosberg in Melbourne auf einer kleinen Bühne in einem Restaurant am Strand nebeneinander. Hinter ihnen schlugen die Wellen sanft auf den Sand. Noch war nicht ein Rennen der Formel-1-Saison 2014 gestartet, eines aber hatte sich bei den Testfahrten schon abgezeichnet: Mercedes würde in diesem Jahr stark sein. Sehr stark.

Vielleicht sogar stark genug für einen Durchmarsch zum Titel. Eine Frage lag deshalb nahe: Wie wird das wohl, wenn Lewis Hamilton und Nico Rosberg, die sich lange kennen, nicht mehr um die Plätze vier oder fünf gegeneinander kämpfen, sondern um den ersten und den zweiten Platz. Wenn sich ihr Gegeneinander auf den ultimativen Vergleich verdichtet: Wer ist der größte Gewinner? Wer der undankbarste Verlierer?

Die Frage wurde oft gestellt, damals in Australien. In den unterschiedlichsten Varianten kam sie immer wieder. Lewis Hamilton hat oft ausschweifend geantwortet. Seine Botschaft aber war immer die gleiche: Macht euch nicht zu viele Gedanken, Leute! Nico und ich kennen uns lange und gut. Wir sind schon oft gegeneinander gefahren. Wir haben schon einige Male um Meistertitel gekämpft. Mal hat der eine gewonnen, mal der andere. Am Ende aber haben wir uns immer weiter vertragen.

RosbergsAusführungen fielen knapper aus. Früher hatte er Hamilton gelegentlich als Freund bezeichnet. Ob das immer noch gelte? Das Wort Freundschaft kam Rosberg nicht mehr über die Lippen. Aber er sprach von Respekt. Er benutzte das Wort so oft, dass es wie ein Mantra klang.

Respekt. Freundschaft. Sich vertragen - als Gegner auf der Rennstrecke. Geht das überhaupt? Einmal vielleicht. Vielleicht auch ein paar Mal öfter. Aber dauerhaft und in der Formel 1? Die Königs- klasse ist der höchste Gipfel, den der Motorsport zu bieten hat. Und am Ende kann nur einer hinauf.

Inzwischen sind drei Rennen dieser Saison gefahren. Das erste gewann Rosberg. Weil Hamilton ausfiel, hatte er keinen ernsthaften Gegner. Bei den zwei folgenden hieß die Reihenfolge: 1. Hamilton, 2. Rosberg. In der Fahrerwertung liegt der Deutsche mit 61 Punkten noch vor dem Briten. Beim nächsten Rennen an Ostern in Shanghai aber kann sich das schon ändern. In Shanghai kann sich alles ändern. In der Formel 1 findet gerade ein spannendes Experiment statt: Wie nah können sich zwei kommen, die bisher gut miteinander klarkamen, ohne sich zu verletzen?

Die Geschichte ist prickelnd. So prickelnd, dass überall nach Stoff gesucht wird. Auch abseits der Piste. Rosberg will im Sommer heiraten. Hamilton wird nicht eingeladen. Ist das schon ein Haarriss in der Beziehung, die bisher so harmonisch war, dass der eine sich auch mal eine Pizza aus dem Eisfach des anderen im Appartement in Monte Carlo nehmen durfte, ohne groß fragen zu müssen?

Rosberg sucht seine Chance

Auf der Piste hat Hamilton Rosberg nun in einer Woche zweimal abgekocht. In Malaysia war er ihm in jedem Teil des Grand Prix in jedem Belang überlegen. Die Niederlage beim Nachtrennen in Bahrain an diesem Sonntag aber muss Rosberg noch mehr schmerzen. Nach der Qualifikation hatte er sich noch als Sieger fühlen dürfen: Pole Position. Doch auf den ersten Metern drehte Hamilton die Reihenfolge mit einem entschlossenen Manöver gleich wieder um. "Rosbergs Start war nicht schlecht, aber Hamiltons war einfach besser", urteilte das Fachmagazin autosport - und im Prinzip galt das auch für alles, was danach noch folgen sollte.

Rosberg suchte jede Chance, sich wieder an die Spitze zu schieben, Hamilton verweigerte ihm jede. Beide sammelten gewissenhaft Hybrid-Kräfte und setzten sie klug ein. Beide achteten penibel darauf, wann sie welchen Reifentyp wie belasteten, um auch das letzte Quäntchen aus jedem Pneu herauszuquetschen. Es war ein faszinierendes Strategiespiel, ein Pas de deux, ein Kampf "auf der Rasier- klinge", wie Hamilton sagte, "ein Duell von epischen Ausmaßen" (Daily Telegraph), "der Grand Prix des Jahrhunderts" (Daily Mail) - kein Superlativ wirkte übertrieben.

Am Ende wurde Hamilton eine gute Sekunde vor Rosberg abgewunken. Alle anderen? Distanziert! Nach dem glimpflich verlaufenden Überschlag von Esteban Gutierrez (Sauber) war das Rennen neutralisiert worden. Das Safety Car hatte das Feld zusammengestaucht.

Als das Rennen wieder freigegeben wurde, reichten Hamilton und Rosberg elf Runden, um Sergio Perez, den Drittplatzierten im Force India, um mehr als 20 Sekunden abzuhängen. Nico Hülkenberg (ebenfalls Force India) als Fünfter und Sebastian Vettel (Red Bull) als Sechster waren fast 30 Sekunden zurück, die beiden Ferrari-Fahrer Fernando Alonso und Kimi Räikkönen als Neunter und Zehnter sogar mehr als eine halbe Minute.

"Sie haben das perfekt gemacht", lobte Mercedes-Technik-Chef Paddy Lowe Hamilton und Rosberg. Sportchef Toto Wolff fand die Worte "phantastisch" und "spektakulär", als er die Leistung der zwei beschreiben sollte, die auch künftig ohne Stallorder aufeinander losgehen dürfen. So lange beide Autos heil bleiben, wollen die Mercedes-Granden nicht eingreifen. Nur: Bleiben die Autos einmal nicht heil, ist es dafür dann vermutlich zu spät. Rosberg hat Sonntagnacht angekündigt: "In zwei Wochen bin ich wieder zum Gewinnen da."

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