Ronnie O'Sullivan:Das Genie zweifelt

Ronnie O'Sullivan: Wie lange noch? Ronnie O'Sullivan beim Snooker-Masters in London.

Wie lange noch? Ronnie O'Sullivan beim Snooker-Masters in London.

(Foto: AFP)

Wie gut ist Ronnie O'Sullivan noch? Der Snooker-Star gewinnt zwar das Masters - hat aber Angst, dass er seinen Zenit überschritten hat.

Von Carsten Scheele

Was er von seinem eigenen Spiel halten soll, weiß Ronnie O'Sullivan manchmal selbst nicht. Das knautschnasige Gesicht des Snookersports spielt trotz fortgeschrittenen Alters immer noch sehr erfolgreich; so gewann er am Wochenende das wichtige Masters-Turnier im Londoner Alexandra Palace, zum siebten Mal, er ist damit alleiniger Rekordsieger. Doch während der Woche in der Hauptstadt hat O'Sullivan einige Dinge gesagt, die aufhorchen ließen. Das Genie zweifelt, und er weiß nicht, wie lange das mit ihm und seinem Sport noch gut geht.

So siegte O'Sullivan zwar 10:7 im Endspiel gegen den Überraschungsfinalisten Joe Perry, aber er wirkte in der entscheidenden Session nur selten wie der Herr der Lage. Er hatte deutlich geführt, doch Perry holte Frame um Frame auf, O'Sullivan rettete sich noch ins Ziel. "Ich habe Glück gehabt", sagte er, "Joe hätte mich besiegen müssen." Dass O'Sullivan überhaupt im Finale stand, war ein noch größeres Wunder.

Hätte Außenseiter Liang Wenbo zuvor die schwarze Kugel zum 6:4 gelocht - O'Sullivan wäre früh nach Hause gefahren. Es war kein sonderlich schwieriger Ball, doch Wenbo verrechnete sich, setzte Schwarz an den Tascheneingang, die Kugel surrte zurück aufs grüne Tuch. O'Sullivan trat an den Tisch, lochte Schwarz und zog ins Viertelfinale ein. Auch da wirkte er verkrampft, erst im Halbfinale gegen Marco Fu gelang ihm ein deutlich besseres Match.

O'Sullivans Ärger mit der Pomeranze

Im Finale gegen Perry führte er schon 8:4, ehe die Zweifel wieder überhandnahmen. Manche seiner Aktionen quittierte er mit einem Lächeln, andere mit genervtem Gesichtsausdruck. Auch war er unzufrieden mit seiner Pomeranze, dem kleinen Plättchen aus Schweineleder oben auf der Queue-Spitze, das er im Halbfinale austauschen musste. Die Pomeranze ist entscheidend, aber dies war ein schlechter Zeitpunkt. Normalerweise braucht es eine gute Woche, um das sensible Teil einzuspielen. Also feilte O'Sullivan oder drückte mit den Fingernägeln an der Pomeranze herum, um sie halbwegs in Form zu bringen.

Für das Siegerfoto holte er seinen Sohn, seinen Manager und einige Freunde an den Tisch. Er strahlte, und es täuschte darüber hinweg, wie unzufrieden er zuvor war. Ratlos, weil er so viele Schusselfehler beging. Ratlos auch, ob er nicht gerade das tat, was er tunlichst vermeiden wollte: weiterzuspielen, obwohl er seinen Zenit überschritten hat.

O'Sullivan will nicht enden wie Davis oder Hendry

O'Sullivan ist siebenmaliger Masterssieger und fünfmaliger Weltmeister, der genialste Spieler, den die Snookerwelt bislang gesehen hat. Doch er ist auch schon 41, agiert nicht mehr so gerissen wie vor drei Jahren; in ihm keimt die Angst, das Gefühl für das eigene Spiel zu verlieren: "Ich möchte nicht zehn Jahre im Wahn weiterspielen und denken, ich sei gut - es aber gar nicht mehr bin."

Seine größten Idole, Steve Davis und der Schotte Stephen Hendry, hatten es verpasst, aufzuhören, als sie noch Helden waren. Davis quälte sich abseits der Weltspitze, bis er fast 60 Jahre alt war. Hendry hörte erst mit 43 Jahren auf, nach einer desillusionierenden 2:13-Niederlage bei der Weltmeisterschaft.

Auch O'Sullivan hat seine Erwartungshaltung bereits runtergeschraubt. Früher, in seinen wilden Zeiten, verließ der Perfektionist nach einem schlechten Stoß schon mal den Tisch, weil er es nicht aushielt, einmal nicht genial zu spielen. Jetzt weiß er, wie viel Glück dabei war, dass er seinen Masters-Titel verteidigen konnte. Immer wieder hatte sich das Spiel in kritischen Situationen wie von Zauberhand zu seinen Gunsten gedreht. Wie lange das noch gut geht, wisse er selbst nicht, sagt O'Sullivan, "vielleicht zwei, vielleicht drei Jahre". Dann soll Schluss sein. "Ich bin dankbar, dass ich noch mitspielen darf", sagte O'Sullivan in London. Noch so ein Satz, der hängen blieb.

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