Ronaldos schwacher Auftritt:In die deutsche Ein-Mann-Mauer

Portugal's Ronaldo reacts during their 2014 World Cup Group G soccer match against Germany at the Fonte Nova arena in Salvador

Enttäuscht: Cristiano Ronaldo in der Partie gegen Deutschland

(Foto: Marcos Brindicci/Reuters)

Cristiano Ronaldo liebt die große Show. Aber bei der Niederlage gegen Deutschland stößt er an seine Grenzen, kann seine verzagten Mitspieler nicht mitreißen. Für ihn gibt es an diesem Abend nur eine einzige kleine gute Nachricht.

Von Thomas Hummel, Salvador

Im Leben des Cristiano Ronaldo kann nichts groß genug sein. Die Muskeln seines Oberkörpers, die Brillis in seinem Ohr, die Anzahl der Tore pro Spiel, die Zahl der Social-Media-Follower, allein der Superlativ zählt.

Und so musste vor dem ersten Spiel dieser Weltmeisterschaft der größtmögliche Zeuge herhalten, um dem Volk zu erklären, dass selbst Cristiano Ronaldo noch Mitspieler benötigt, um ein Fußballspiel zu gewinnen: der Papst. "Um Papa Francisco zu zitieren", hieß es auf seiner Facebook-Seite, "niemand gewinnt alleine, weder auf dem Platz noch im Leben."

Der 29-Jährige und die portugiesische Entourage hatten vor der Partie gegen Deutschland alles getan, um die Erwartungen zu dämpfen. "Wir haben den Weltfußballer, aber das heißt nicht, dass wir Weltmeister werden", hatte Trainer Paulo Bento verkündet. Auf die Frage, ob er sich denn als Comandante dieser Mannschaft fühle, antwortete Ronaldo: "Comandante? Nein. Zu Hause bin ich der Comandante, aber nicht hier."

Vielleicht hätte der Papst ja ein wenig nachhelfen können an diesem Montagmittag in Salvador da Bahia. Doch der hatte vermutlich genug damit zu tun gehabt, einen Abend vorher seinen Argentiniern zu helfen gegen die starken Bosnier. Und von einem Comandante war auch wenig zu sehen. Der Weltfußballer ging mit seinen Landsleuten schon während der ersten 45 Minuten in die Knie. Cristiano Ronaldo? Hatte seinen besten Auftritt schon vor dem Anpfiff gehabt.

Der 29-Jährige war über den Rasen gesprintet, Richtung Fans, die bereits auf ihn gewartet hatten. Er hatte sein Trikot ausgezogen, seinen fulminanten Astral-Körper in die Sonne gestreckt und das Hemd in die jubelnde Menge geworfen. Dann war er verschwunden im Tunnel zum Kabinentrakt der Arena Fonte Nova. Der Mann versteht es eben sogar, beim Aufwärmen alle Blicke auf sich zu lenken.

Als er wieder ein Hemd anhatte und die Partie begann, setzte er zu Beginn die von den Deutschen so gefürchtete Stärke um. Selbst wenn sich ein Ballverlust des Gegners nur andeutete, sprintete Ronaldo schon los und forderte den Pass in den weiten, freien Raum zum Blitzkonter. Nach Philipp Lahms Stolperer zu Beginn hätte es fast geklappt, doch Manuel Neuer hielt. Es war der Moment, in dem Cristiano Ronaldo dem Spiel eine ganz andere Richtung hätte geben können.

Irgendwann hörte er auf zu sprinten

Danach prallte er einige Male unsanft mit Jérôme Boateng zusammen und musste einsehen, dass auch andere Fußballer einen strammen Oberkörper zu bieten haben. Er wies Torwart Rui Patricio an, in welche Ecke er beim Elfmeter fliegen soll, der folgte brav, kam aber trotzdem nicht ran an Thomas Müllers Strafstoß-Geschoss.

Ronaldo versuchte, seine verzagten Mitspieler mitzureißen, obwohl bald schon alles verloren war. Nach der roten Karte für Pepe verließ er schimpfend und abwinkend den Schauplatz. Jetzt wollte Cristiano Ronaldo nicht mal mehr sprinten, nicht mal mehr anfeuern.

Portugal und sein Weltfußballer erlebten eine bittere Schlappe zu Beginn der WM beim 0:4 gegen die Deutschen. Nicht einmal der größte Pessimist im Land hätte solch einen Spielverlauf befürchtet. Schließlich hatten die Portugiesen bei der EM vor zwei Jahren die Deutschen noch am Rande einer Niederlage gehabt. Jetzt wollten sie es besser machen. Mit Cristiano Ronaldo, dem einzigartigen. Aber er alleine konnte es natürlich nicht richten.

Er hatte selbst nicht seinen besten Tag, aber es war auch schwierig für ihn, den Geschehnissen entgegenzuwirken. Alles lief gegen Portugal, Ronaldo konnte irgendwann eigentlich nur noch so gut wie möglich weiterversuchen, ein guter Kapitän für seine Kollegen zu sein. Viel gelang ihm dabei auch nach der Pause nicht. Einen Freistoß setzte er aus guter Position in die deutsche Mauer nach einem etwas theatralisch inszenierten Anlauf.

Einen Energie-Anfall bekam er, als er der Meinung war, dass Benedikt Höwedes seinen Offensiv-Kollegen Éder elfmeterwürdig zu Fall gebracht habe. Kurz vor dem Abpfiff prüfte er noch einmal den deutschen Torwart Manuel Neuer mit einem gewaltigen Freistoß-Schuss. Davor allerdings hatte er seinen persönlichen Tiefpunkt dieses Spiels erlebt, als er bei einem Freistoß die deutsche Ein-Mann-Mauer namens Philipp Lahm traf.

Wenigstens hat das Knie der Nation den Untergang in der Arena Fonte Nova gut überstanden. Einige hatten befürchtet, Cristiano Ronaldo spiele mit seiner Karriere, wenn er trotz der schwelenden Probleme mit der Patellasehne bei der WM antritt.

Doch Ronaldo hatte das Land vorher beruhigt und die Dinge zurechtgerückt: "Die Probleme liegen hinter mir. Wenn ich mich nicht wohlfühle, dann bin ich der Erste, der das sagt. Ich werde meine Karriere nicht aufs Spiel stellen für eine WM. Die WM ist wichtig, aber ich komme zuerst." Aber wirklich helfen konnte er seiner Nationalelf an diesem Nachmittag in Salvador da Bahia nicht.

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