Roger Schmidt zu Leverkusen:Modern, aber ohne Missionseifer

FILE - Roger Schmidt Announced As New Coach of Bayer Leverkusen

Von Salzburg nach Leverkusen: Roger Schmidt

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Er wollte eigentlich nie Trainer werden - doch mittlerweile ist er einer der begehrtesten: Bayer Leverkusen gelingt es, Roger Schmidt aus Salzburg zu verpflichten. Schmidts Fußball ist nicht nur schön anzuschauen, sondern bringt auch noch großen Erfolg.

Von Philipp Selldorf, Leverkusen

Auf eine Trainerkarriere im Profifußball hatte es Roger Schmidt ursprünglich "nicht angelegt", wie er vor nicht ferner Zeit glaubhaft berichtete. Damals war der mittlerweile 47-Jährige beim SC Paderborn in der zweiten Liga beschäftigt, und die Dinge liefen bestens, aber er war sich immer noch nicht sicher, ob er nicht lieber in sein altes Leben zurückkehren wollte. Schmidt, ehedem versierter Oberliga-Spieler in Paderborn-Neuhaus und beim SC Verl, hatte Maschinenbau studiert und acht Jahre als Ingenieur gearbeitet, bis er das Traineramt bei Preußen Münster übernahm, die Fußball-Lehrer-Prüfung absolvierte und dann den Posten in Paderborn besetzte. Dort verlor er sein altes Leben endgültig an den Fußball.

Bei Eintracht Frankfurt geht die Suche von vorne los

Nach nur einem halben Jahr erfolgreicher Arbeit im Ostwestfälischen hatte ihn die Branche als Zielfigur wahrgenommen, er wurde Meistertrainer in Österreich - und zuletzt Spitzenkandidat am Trainerstellenmarkt. Eintracht Frankfurt kämpfte um ihn, der VfB Stuttgart zeigte sich interessiert, Salzburg hätte den gebürtigen Sauerländer liebend gern länger behalten. Aber Schmidt nutzte nun das Vorrecht seiner Ausstiegsklausel und gab dem Bewerber Bayer Leverkusen seine Zusage. "Seine Art, Fußball spielen zu lassen, passt ideal zu uns", erklärte Sportchef Rudi Völler.

Die Rheinländer investieren in den Nachfolger des kürzlich beurlaubten Finnen Sami Hyypiä rund 1,5 Millionen Euro Ablöse, die sich Schmidt bei seiner Vertragsverlängerung in Salzburg (bis 2016) hatte festschreiben lassen. Was Schmidt zur kommenden Saison in Leverkusen erwartet, hängt davon ab, was der kommissarische Bayer-Coach Sascha Lewandowski in der verbleibenden Spielzeit noch erreicht. Im Verein wären alle glücklich über Platz vier, wenn also am Samstag gegen Dortmund ein weiterer Schritt in Richtung der Qualifikationsrunde zur Champions League gelingen könnte.

Für Schmidt ergäbe sich daraus die Chance, einen Makel aufzuarbeiten, der in seiner Biografie als "Debakel von Düdelingen" verewigt ist: Mit den Salzburgern scheiterte er 2012 in der Champions-League-Qualifikation an F 91 Düdelingen aus Luxemburg. Ein Wunder, dass er diese Schmach damals überstand, vielleicht aber auch ein Zeugnis für seine gewinnende Art. In Salzburg jedenfalls hat später niemand seinen Verbleib bereut - entsprechend groß ist jetzt die Trauer bei den Red-Bull- Spielern und den Fans.

Eine andere alte Rechnung kann Schmidt bei den künftigen Treffen mit den Nachbarn von der anderen Rheinseite begleichen. In der Saison 2012/13 erzielte Schmidt mit Salzburg zwar 77 Punkte, was in der österreichischen Liga bis dahin noch keiner geschafft hatte - die Wiener Austria aber holte noch fünf Punkte mehr. Deren damaliger Trainer Peter Stöger ist jetzt beim 1. FC Köln tätig, der sich im Vorjahr ebenfalls um Schmidt bemüht hatte. Stöger lobt Schmidt als "sehr angenehmen Kollegen: Ruhig, sachlich - und die aktuellen Zahlen sprechen ohnehin für ihn".

Unter der äußerst exakten Aufsicht von Red-Bull-Sportchef Ralf Rangnick hat Schmidt in Salzburg einen Fußball spielen lassen, der in dieser Saison großen Erfolg brachte - und obendrein schön anzuschauen war. Er gilt als moderner Trainer ohne Missionseifer: schnelles Umschaltspiel, offensives Denken in der Defensive, Ballgewinne bevorzugt am gegnerischen Strafraum - Schmidt lässt das zeitgemäße Programm praktizieren. Im Training, so hat er es mal skizziert, sollen seine Spieler "selbständige Entscheidungen treffen und kreativ bleiben, wie sie es im Spiel auch sein müssen".

Ihm wird ein außergewöhnlich herzliches Verhältnis zu seinen Profis nachgesagt. Salzburgs Linksaußen Sadio Mané muss vielleicht nicht verzichten auf die weitere Zusammenarbeit - angeblich ist Bayer auch an dem 22-Jährigen interessiert.

Bei Eintracht Frankfurt, das Schmidt als Nachfolger Armin Vehs favorisiert hatte, geht die Suche nun von vorn los. Manager Bruno Hübner konstatierte "eine kleine Enttäuschung - Schmidt war die bestmögliche Variante".

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