Roger Federer bei den US Open:"Oh mein Gott - alles in Ordnung!"

2014 US Open - Day 11

Roger Federer jubelt über seinen Sieg gegen den Franzosen Gaël Monfils im Viertelfinale der US Open

(Foto: AFP)

Schwieriger US-Open-Abend für Roger Federer. Die ersten Sätze des Viertelfinales gegen Gaël Monfils laufen katastrophal. Dass der Schweizer das Spiel doch noch dreht, könnte an einer außergewöhnlichen Reaktion des Publikums gelegen haben.

Von Jürgen Schmieder, New York

Das Publikum bei den US Open ist bekannt dafür, dass es vor allem während der Abendspiele gerne mal ausrastet und johlt und tobt und brüllt. Das gehört zu diesem Turnier wie teures Bier und fettige Pizza. Dass sich dieses Publikum jedoch im vierten Durchgang einer Partie erhebt und einem Protagonisten bewundernd applaudiert, das kommt dann doch so selten vor wie Erdbeeren mit Sahne auf dieser Anlage. Am Donnerstagabend gab es jedoch einen triftigen Grund für diese Anomalie.

Roger Federer hatte gerade zwei Matchbälle abgewehrt gegen Gaël Monfils und sein Aufschlagsspiel doch noch gewonnen, es stand nun 5:5. Federer stand in der Ecke, ganz in der Nähe seiner Ehefrau Mirka, seines Trainers Stefan Edberg und seines Gastes Anna Wintour - auch die hatten sich erhoben. Der Schweizer wirkte erleichtert, zum ersten Mal an diesem Abend sogar ein wenig gelöst. Er nahm Monfils sogleich den Aufschlag ab, gewann den Satz und am Ende die Partie mit 4:6, 3:6, 6:4, 7:5, 6:2.

Mischung aus Gänsehaut und Herzinfarkt

"Ich hatte immer den Eindruck, dass die Ziellinie für Gaël noch weit entfernt war, also fühlte ich mich ganz in Ordnung", sagte Federer nach der Partie: "Aber als ich dann zwei Matchbälle gegen mich hatte, fühlte ich mich nicht mehr so gut. Ich dachte schon: 'Das ist es jetzt - das ist der letzte Punkt, Mann. Gehe kämpfend unter, verschlage keinen einfachen Ball und lass es ihn haben. Aber ich habe gut aufgeschlagen, bin im Match geblieben und habe es irgendwie gedreht."

Vor allem der erste Matchball sorgte bei Federer für eine Mischung aus Gänsehaut und Herzinfarkt. Er schlug präzise auf, rückte ans Netz und schaffte einen aggressiven Volley: "Ich habe mir gedacht: 'Schlag' bloß nicht zu fest, bring' dich in eine gute Position!' Aber natürlich hat Gael den Ball erreicht und zurückgespielt. Als er an mir vorbeigeflogen ist, war es wie ein Standbild. Meine Gedanken: 'Nein, nicht wirklich!' Und dann: 'Es ist okay, er ist im Aus! Oh mein Gott, alles in Ordnung!'"

Lange, emotionale Ballwechsel

Federer begann die Partie fahrig, im ersten Satz unterliefen ihm 14 leichte Fehler, er spielte nur die Hälfte seiner ersten Aufschläge ins Feld. Er kam nicht zurecht mit der unkonventionellen Spielweise des Franzosen, der zahlreiche Bälle erlief und zurück ins Spiel brachte. Diese langen, emotionalen Ballwechsel entschied Monfils für sich (26:16 in den ersten beiden Durchgängen), wehrte alle drei Breakbälle gegen sich ab und nutzte seine eigenen Gelegenheiten.

Vor allem aber wirkte Federer nicht gelassen wie sonst, bereits im zweiten Satz debattierte er mit dem Schiedsrichter, zu Beginn des vierten Durchgangs klopfte er nach einem verlorenen Ballwechsel mit dem Schläger auf das Netz, danach diskutierte er wieder mit dem Referee, weil der ihn ermahnte, beim Racketwechsel nicht zu lange zu brauchen. "Ich hatte schon das Gefühl, dass ich die Kontrolle über die Partie hatte", sagte Federer danach: "Ich war immer dran, hatte meine Chance, habe eben bei Einstand den Ball ein kleines Stück verschlagen. Auch im vierten Satz, es wäre für mich ganz schlimm gewesen, am Ende dieses Durchgangs meinen Aufschlag abzugeben und dieses Match zu verlieren."

Mentale Belastung

Auch diesen Moment beschrieb er recht bildlich: "Man denkt dann daran, dass alles gleich vorbei sein kann. Dann muss man duschen und mit Journalisten sprechen, das ist nach einer Niederlage immer schlimm. Aus diesem Grund war dieses Match weniger körperlich eine Belastung, als vielmehr mental. Ich muss das verarbeiten und hoffe, dass ich dann übermorgen wieder bereit bin."

Am Samstag trifft er auf den Kroaten Marin Cilic, der zuvor gegen Tomas Berdych mit 6:2, 6:4, 7:6 gewonnen hatte. Sicher ist, dass die Zuschauer im Arthur Ashe Stadium irgendwann aufstehen und applaudieren werden. Am liebsten wäre Roger Federer wohl, wenn es nicht wieder nach abgewehrten Matchbällen wäre.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: