Robert Lewandowski:Pass aus der Tiefe des Durchschnitts

Münchens Torjäger leitet nach einer hübschen Pointe des Schicksals den Erfolg gegen Anderlecht ein.

Von Christof Kneer

Es war wahrscheinlich keine Absicht, aber die Anzeigentafel war viel zu langsam. Beim Verlesen der Aufstellung war immer noch Thiago (Nummer 6) im Bild, obwohl der Stadionsprecher längst bei der Nummer 9 angelangt war. Aber natürlich ist das Münchner Publikum textsicher, natürlich rief es auch ohne das richtige Bild den richtigen Namen. "Le-wan-dow-ski" brüllten die Zuschauer also, weder lauter noch leiser als bei den Kollegen. Was hätte man auch erwarten sollen? Dass die Fans einen Spieler wegen eines Interviews auspfeifen, von dem nicht mal die ranghöchsten Klubvertreter wissen, ob sie es verwerflich oder ganz okay finden sollen? Der erste Ansatz stammt vom Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge, der zweite vom Präsidenten Uli Hoeneß.

Mit unterschiedlichen Stimmlagen hat der FC Bayern auf Lewandowski unautorisiertes Gespräch mit dem Spiegel reagiert, wobei sich für beide Stimmlagen Argumente finden lassen. Ganz okay war Lewandowskis Referat zum Transfermarkt, in dem Begriffe wie "Zielverein", "Renditechancen" und "Fairnesszuschuss" vorkamen. Eher verwerflich war dagegen die Passage, in der er seinen Vorgesetzten eine zu defensive Transferpolitik vorwarf und 40-Millionen-Euro-Transfers zu "Durchschnitt" erklärte. Es war also eine hübsche Pointe, die sich das Schicksal da für die 12. Minute hatte einfallen lassen: Nach einem exzellenten Pass aus dem Mittelfeld machte sich Lewandowski auf und davon, bevor er vom Belgier Kums mit einem elfmeterreifen Foul gebremst wurde. Den exzellenten Pass hatte übrigens Correntin Tolisso gespielt, obwohl der nur durchschnittliche 41,5 Millionen Euro gekostet hatte.

Den Elfmeter verwandelte Lewandowski. Vom Punkt ist er so sicher, dass er während des Schusses auch "Renditechancen" oder "Fairnesszuschuss" sagen könnte.

Nach dem Selbstverständnis dieses selbstbewussten Mittelstürmers war dieses 1:0 übrigens durchaus seiner würdig: Ein Tor, zu dem man, weil gefoult, selbst den Assist liefert - mehr kann man nicht verlangen. Natürlich war der Gegner an diesem Abend nicht groß genug, um Lewandowskis Qualität angemessen abzubilden, aber wenigstens hatte der Stürmer am Ende das getan, was er von sich selbst erwartet: Mit seinem frühen Tor hat er dem FC Bayern einen Startsieg in jenem Wettbewerb ermöglicht, über den sich Lewandowski definiert. Und den nur 40 Millionen Euro teuren und zum Teil sogar noch billigeren Mitspielern mag nicht jeder Satz des Interviews gefallen haben, aber sie wissen genau, dass sie diesen Stürmer dringend brauchen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: