Robert Lewandowski bei der WM:"Aus Nichts kann ich nichts zaubern"

Robert Lewandowski bei der WM: Findet bei der WM deutliche Worte, aber nicht das Tor: Robert Lewandowski.

Findet bei der WM deutliche Worte, aber nicht das Tor: Robert Lewandowski.

(Foto: AFP)

Von Benedikt Warmbrunn, Kasan

Als Versteck für Gefühle eignet sich der Körper von Robert Lewandowski nicht. Ist Lewandowski gut gelaunt, lacht er gern, manchmal biegt sich dann der ganze Körper mit. Das zur Erinnerung, denn die Bilder von einem lachenden Lewandowski sind schon etwas älter. Die Gefühle, die sein Körper in den vergangenen Wochen nicht verstecken konnte, waren allesamt Schlechte-Laune-Gefühle.

Die Nationalspieler Kolumbiens tanzten am Sonntagabend in der Arena von Kasan, sie warfen sich gegenseitig in die Arme. Alle lachten. Nur wenige Meter neben ihnen verließ Lewandowski das Spielfeld, seine Mitspieler waren schon vorangegangen, der polnische Kapitän folgte als Letzter. Er hatte noch ein Fernsehinterview gegeben, nun lief er weg vom Rasen der Schmach, er fasste sich an den Kopf. Einmal, zweimal, dreimal. Er schaute nicht zu den Kolumbianern.

"Ich fühle erst einmal Verbitterung, Wut und Ohnmacht", sagte Lewandowski später im Innenraum der Arena. Seine Gefühle musste er nicht mehr verstecken, er sprach alles offen aus. Und so gewährte Lewandowski Einblicke in die Gefühlswelt eines Mannes, auf den ein ganzes Team, eine ganze Nation vertraut hatte. Es waren Einblicke in die Gefühlswelt eines Mannes, der sich alleingelassen fühlte.

James brilliert, Lewandowski enttäuscht

Durch das 0:3 (0:1) gegen Kolumbien hat Polen schon vor dem letzten Gruppenspiel gegen Japan am Donnerstag keine Chance mehr, das Achtelfinale zu erreichen. Null Punkte, ein Tor, grenzenlose Enttäuschung. Polen war mit großen Ambitionen nach Russland gereist, das Achtelfinale war das Minimalziel. Die größten Ambitionen hatte Lewandowski geäußert, unter anderem in dem Wissen, dass eine erfolgreiche WM seine Aussicht verbessern würde, bei der Wahl zum Weltfußballer unter die besten Drei zu kommen, endlich einmal. Nach der Auslosung hatte sich Lewandowski auf Twitter an James gewandt, den WM-Torschützenkönig von 2014 und Mitspieler beim FC Bayern. "Hallo, mein Bruder", hatte Lewandowski in Richtung des Kolumbianers getwittert, "ich erinnere mich an deine tollen Tore während der letzten WM. Ich hoffe, du wirst meine aus Russland in Erinnerung behalten."

Gerade im Gegenschnitt der beiden FC-Bayern-Spieler ließ sich gut erkennen, woran Polen gescheitert ist. James ist wie Lewandowski der Spieler, auf den alle schauen. Am Sonntag war er derjenige, der die gesamte kolumbianische Mannschaft beflügelte. Er bereitete das erste und das dritte Tor mit zwei gefühlvollen, übersichtigen Pässen vor, er hatte 87 Ballkontakte, 88 Prozent seiner Pässe kamen an, dazu gewann er 62 Prozent seiner Zweikämpfe. Kolumbien spielte gerade in der zweiten Halbzeit befreit und lustvoll, auch, weil die Mitspieler wussten, dass sie zur Not ja noch James und dessen Genialität haben. Bei zwei Weltmeisterschaften hat er nun sechs Tore erzielt und vier vorbereitet.

Bei Polen kündigt sich ein Umbruch an

Lewandowski dagegen zog seine gesamte Mannschaft mit in den Abgrund, obwohl er nicht einmal schlecht gespielt hatte, nur glücklos. Fünfmal schoss er aufs Tor, einmal traf er den Bauch von Torwart David Ospina, einmal das Kinn von Davinson Sanchez. Eine mögliche Mitverantwortung am frühen Aus sah Lewandowski allerdings nicht. "Ich hatte keine Torchancen. Aus Nichts kann ich nichts zaubern", sagte er. "Es gibt keinen Spieler auf der Welt, der den Ball erobert, fünf Gegner und den Torwart ausspielt und dann noch ein Tor erzielt", sagte er, das war aber auch schon die härteste Selbstkritik. In den vergangenen Jahren hatte Lewandowski ja schon so geklungen, als ob er sogar sechs Gegner und den Torwart ausspielen und dann ein Tor erzielen könnte. Schließlich sagte er noch, die Mannschaft habe "nicht die fußballerische Qualität".

Dem polnischen Spiel fehlte in beiden Partien eine übergeordnete Idee, zu offensichtlich hatte Trainer Adam Nawalka auf eine Lewandowski-wird-es-schon-richten-Taktik gesetzt. "Wir sahen in jeder Hinsicht schlecht aus: physisch, technisch und taktisch", gestand Verteidiger Kamil Glik, "das war arm." Je länger das Spiel gegen Kolumbien dauerte, desto mehr verfielen Lewandowskis Mitspieler in eine Lethargie, nach dem Motto: Wenn es schon bei Lewandowski nicht läuft, wie soll es dann bei uns Normalsterblichen laufen? Lewandowski allerdings gelang es auch nicht, die Mannschaft aus dieser Untergangsstimmung zu befreien. Auch in der Kommunikation auf dem Platz entstand eine Lücke zwischen dem Kapitän und seinen Mitspielern.

Nach dem nun bedeutungslosen Spiel gegen Japan wird es in der polnischen Nationalmannschaft wohl einige Veränderungen geben. "Es wird die Zeit kommen, um die Konsequenzen zu ziehen, weil wir es sicherlich anders geplant haben", sagte Glik. Trainer Nawalka dürfte wohl einsehen, dass alle von ihm den Rücktritt erwarten, auch der eine oder andere Spieler könnte ihm folgen. Der Wolfsburger Kuba Blaszczykowski wird im Dezember 33 Jahre alt, er verließ die Arena wortlos, mit grimmigen Blick. Und wie viel verspricht sich ein bald 30 Jahre alter Kapitän, der sich selbst aus der Verantwortung nimmt, aber seine Mitspieler erbarmungslos kritisiert, eigentlich von weiteren Länderspielen? In zehn Einsätzen bei Welt- und Europameisterschaften hat Lewandowski zwei Tore erzielt, bisher gibt es bei dieser WM keines, an das sich sein Kollege James noch in vier Jahren erinnern könnte.

Vor dem Turnier hatte sich Lewandowski einen Blitz in die Haare rasieren lassen, es ist keine schlechte Frisur. Aber wer sich einen Blitz in die Haare rasieren lässt, der sollte auch besser ein Tor erzielen.

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