Robert Hoyzer:Parteiisch in jeder Hinsicht

Von Narzissmus, Gier und Machtlust: Wie der Mann, der den Wettskandal im Fußball auslöste, schließlich ins Gefängnis kam. Von Hans Leyendecker.

Niemand ist fürs Gefängnis geboren, und so schaute der ehemalige Fußball-Schiedsrichter Robert Hoyzer nicht besonders glücklich drein, als ihn ein Fernsehteam in der vergangenen Woche vor der Berliner Justizvollzugsanstalt Moabit filmte.

Robert Hoyzer, AP

Ganz schön abgekocht für einen 25-Jährigen: Robert Hoyzer.

(Foto: Foto: AP)

Drinnen saßen seine alten Kumpane Ante S., Milan S., Filip S., also jene Zocker vom Café King aus der Rankestraße, die es zu einiger Berühmtheit gebracht haben. Draußen stand ER und redete in die Mikrofone. Er gab immer noch den Ton an, sagte, was wirklich wichtig war.

Dichtung und Wahrheit

Der ewige Hauptdarsteller Hoyzer war der Kronzeuge in der ZDF-Dokumentation "Verpfiffen: Robert Hoyzer und der Wettskandal", die am Sonntagnachmittag im ZDF ausgestrahlt wurde. Was bei dem 25 Jahre alten Hoyzer Wirklichkeit, Wahrheit und was Dichtung ist, darüber gehen selbst bei den Berliner Ermittlern, die sich seit Wochen mit dem Fußball-Wettskandal beschäftigen, die Meinungen sehr auseinander. Sie spüren nur, dass er Angst vor dem Gefängnis hat.

In der Talkshow-Sendung von Johannes B. Kerner am Dienstag vergangener Woche hatte Hoyzers Essener Anwalt Thomas Hermes wortreich zu begründen versucht, warum bei Hoyzer absolut keine Flucht-, keine Verdunkelungs-, keine Wiederholungsgefahr bestünde. Übersetzt hieß das nur: Bei Hoyzer gebe es anders als bei den Brüdern S. keinerlei Grund für die Einlieferung in ein Untersuchungsgefängnis.

Aber als Hermes diese herzerweichende Geschichte erzählte, wusste er rein gar nichts von dem Spiel FC Chemnitz gegen FC Sachsen Leipzig am 29.November 2003. Das Spiel endete 1:1. Eigentlich nichts Besonderes. Aber Hoyzer war der Schiedsrichter, und es gibt eine Menge Hinweise, dass es damals schon nicht mit rechten Dingen zuging.

"Nichts Schlimmes"

Die sehr taffe Berliner Ermittlerin Petra Leister, die als Jeanne d'Arc im Kampf gegen das organisierte Verbrechen auftritt, lernte in diesen Tagen etwas mühsam, zwischen Zweiter Bundesliga, Regionalliga und Oberliga zu unterscheiden. Sie bat das Landeskriminalamt um Hilfe und forderte die Sonderkommission auf, einen Beamten einzuschalten, der von Fußball ganz viel Ahnung hatte.

Wichtig aber war der Ermittlerin, dass Hoyzer bei all seinen Vernehmungen das unter Manipulationsverdacht geratene Spiel zwischen Chemnitz und Leipzig nicht einmal erwähnt hatte. Was hatte er ihr noch verschwiegen, fragte sich die Beamtin. Sie beantragte noch am Donnerstag voriger Woche einen Haftbefehl gegen Hoyzer und bat die Sonderkommission des Berliner Landeskriminalamts, bis Freitagmittag alle Wohnungen festzustellen, in denen sich Hoyzer aufhalten könnte. Dann sollte der Zugriff erfolgen.

Parteiisch in jeder Hinsicht

Am Donnerstag war Hoyzer nicht zu packen, weil er auch mit dem ZDF-Team unterwegs war. Am Freitag war er verschollen. Am Samstag endlich, kurz vor Mittag, wurde er dann aufgespürt und arrestiert. Auf dem Weg zur Gefangenensammelstelle der Polizei in Tempelhof rief er noch bei einer Sonntagszeitung an und sagte, er habe einen dringenden Termin. "Nichts Schlimmes." Vielleicht weiß Hoyzer trotz aller Beteuerungen und Entschuldigungen immer noch nicht, was wirklich schlimm bedeutet.

Schon mit 14 Schiedsrichter

Die Geschichte vom Aufstieg und Fall des Robert Hoyzer ist eine traurige Geschichte. Er ist aufgewachsen in Berlin Spandau in engen Verhältnissen. Die Mutter war Krankenschwester, der Vater war Schiedsrichter und auch, sehr gelegentlich, Bauarbeiter. Sohn Hoyzer spielte schon mit sechs Jahren Fußball bei Spandau 06, aber er war kein großes Talent.

Er ging aufs Gymnasium, war ein sehr mittelmäßiger Schuler, wechselte auf die Realschule und schaffte irgendwie die Fachhochschulreife. Seine ehemaligen Mitschüler beschreiben ihn als eitlen Sprücheklopfer, der immer im Vordergrund stehen wollte.

Mit 14 Jahren machte Robert Hoyzer seinen Schiedsrichter-Lehrgang, rannte fortan zunächst mit der Fahne an der Linie herum und pfiff dann auch Spiele. Erst Jugendspiele, dann bei den Erwachsenen. Das hat ihm Spaß gemacht. Er hatte plötzlich Macht.

Eitel war er immer

Von Gestalt ist er mit seinen fast zwei Metern ein Riese, und auf dem Platz war er schon bald eine Autorität. Er fiel den Ausbildern auf und fand Förderer, die ihn ganz nach oben puschen wollten. Er pfiff in der Zweiten Bundesliga und legte sich zu den gelben, schwarzen und blaugrauen Schiedsrichter-Trikots die passenden Pfeifen der Spitzenmarke "Fox" zu.

Eitel war er immer. Der Vater war stolz auf ihn, Bruder Florian, der Steinmetz geworden ist, auch. Von der Mutter ist in der Familie weniger die Rede. Sie hat sich vom Vater schon vor Jahren getrennt.

Keiner ist für was verantwortlich, scheint das Motto dieser Familie zu sein. Robert Hoyzer hat das verstanden. Leider sei er an die kroatischen Brüder Sapina geraten, und die hätten ihn angefüttert und verführt, hat er den Ermittlern mitgeteilt. Eine traurige Geschichte - und vielleicht auch nicht die ganz wahre Geschichte.

Laufbursche und Helfer

Die Ermittler gehen in diesen Tagen dem Verdacht nach, dass Hoyzer gar nicht verführt werden musste, sondern schon vorher auf krummen Wegen unterwegs war. Argwöhnisch geworden sind sie durch den Fall Chemnitz-Leipzig. Hoyzer erklärte, er sei von einem Unbekannten angesprochen worden: Dieser Unbekannte war nach SZ-Informationen Mitarbeiter eines Geldhauses in Leipzig, der Hoyzer dazu bewegen wollte, für die Notwendigkeiten des Alltags ein Auge offen zu haben und Leipzig den Sieg zu erpfeifen.

Hoyzers Vater Robert hatte eine enge Verbindung zum FC Sachsen. Eine sehr junge Bekannte lebte in Leipzig, und er zog in die sächsische Metropole. Er wurde bei Sachsen Leipzig angestellt. Für den Verein war Hoyzer senior Laufbursche und Helfer in allen Lebenslagen. Ein alter Bekannter aus Spandau hatte ihm den Job besorgt.

Parteiisch in jeder Hinsicht

Also sollte Robert Hoyzer ein für Leipzig wichtiges Spiel verpfeifen, um dem Vater einen Gefallen zu tun? Die Beteiligten geben sich verschlossen. Hoyzer junior behauptet weiterhin, nicht manipuliert zu haben. Die Staatsanwälte trauen ihm nicht mehr.

Nach Einschätzung des Berliner Haftrichters besteht Fluchtgefahr, weil der 25-Jährige möglicherweise zu den schon eingeräumten Wettmanipulationen "bereits vor dem Jahr 2004 mit weiteren bisher unbekannten Mittätern Straftaten gleicher Art begangen hat". Vier Strafverfolger, eine Sonderkommission des Landeskriminalamts beschäftigen sich mit dem Fall, und es sind schwierige Ermittlungen geworden.

Alle schweigen

25 Beschuldigte, darunter vierzehn Spieler und vier Schiedsrichter, haben Aktenzeichen bekommen, aber außer Hoyzer redet niemand. Die inhaftierten kroatischen Brüder schweigen und warten auf ihren Haftprüfungstermin am Montagmorgen. Die Anwälte der betroffenen Spieler haben lange Aufsätze an die Berliner Staatsanwaltschaft geschickt, und etliche von ihnen kommen aus den neuen Bundesländern. Sie sind sehr grundsätzlich, aber nie räumen sie etwas ein.

Im Moment schrumpft der Wettskandal auf etwa sechs Hauptbeschuldigte zusammen. Es gibt komplizierte Fallkonstellationen. Was macht man als Staatsanwalt mit Spielern, die von angeblich Unbekannten Siegprämien erhalten haben?

Der Berliner Generalstaatsanwalt Hansjürgen Karge hat diese Frage in diesen Tagen bei einer Prüfung Examenskandidaten gestellt, und die kamen zu dem Ergebnis, dass den Spielern strafrechtlich kein Vorwurf zu machen sei. Prüfer Karge hat nicht widersprochen.

Die Ermittler verfolgen viele Spuren ins Ausland, denn die Berliner Kroaten haben unter anderem in Griechenland, Kroatien, Österreich und England verblüffende Wetterfolge erzielt, aber die bisherigen Angaben Hoyzers sind zu vage, um das Geflecht enttarnen zu können.

Wenig Anhaltspunkte

Die Kölner Staatsanwälte ahnen, dass sie es mit einem viel größeren Netzwerk zu tun haben, doch es gibt derzeit wenig Ansatzpunkte zur Aufklärung. Klar, dass in Italien, in Tschechien, in den früheren GUS-Staaten Dinge abgelaufen sind, die weder mit dem Sportsgeist noch mit dem Gesetz vereinbar sind, doch es hapert noch an Ansatzpunkten für erfolgversprechende Vernehmungen.

Parteiisch in jeder Hinsicht

Ermittler des Österreichischen Bundeskriminalamtes bekamen Akteneinsicht in Berlin und wollen jetzt Erstligapartien im Alpenstaat unter die Lupe nehmen: Kroatische Zocker hatten im August 2004 Tipps für die offenkundig gekauften Pokalspiele SC Paderborn gegen den Hamburger SV und Offenbacher Kickers gegen den LR Ahlen mit der Begegnung Casino Bregenz gegen Austria Wien kombiniert und dabei rund den zehnfachen Wettgewinn gemacht. Das lässt darauf schließen, dass die Spiele von wem auch immer gekauft worden sind.

Von Zockern ausgestattet

Bemerkenswert am Fall Hoyzer ist, wie der Beschuldigte Schuld und Verdächtigungen verteilt. Einer seiner besten Freunde ist ein gleichaltriger Polizist, der beim Hamburger Landeskriminalamt arbeitet. Der Beamte brauchte einen Kredit - und Hoyzer, der von den kroatischen Zockern großzügig ausgestattet wurde, hatte keine Probleme, seinem Freund 1200 Euro zu leihen.

Bei der Vernehmung durch Frau Leister erwähnte er diese Zahlung und verkniff sich nicht den Hinweis, das sein Freund "ahnen konnte, dass das Geld aus Wettgeschäften im Zusammenhang mit meiner Schiedsrichtertätigkeit kommt".

Konnte sein Freund das wirklich ahnen? Oder will Hoyzer nur alle verbrennen, die ihm zu nahe gekommen sind? Ein Narziss kann nicht ertragen, dass die anderen ungeschoren bleiben. Darauf deutet auch die Verfolgung des Schiedsrichter-Kollegen Felix Zwayer durch Hoyzer an.

Ziemlich abgezockt

Zwayer gehörte zu der Gruppe der vier Schiedsrichter, die beim DFB erschienen und auf den Manipulationsverdacht aufmerksam gemacht haben. Hoyzer brachte den Freund dann in die Bredouille, als er behauptete, Zwayer 300 Euro gegeben zu haben, damit dieser bei Manipulationen behilflich sei.

Hoyzer hat auch versucht, Schiedsrichter der Ersten Bundesliga wie Thorsten Koop für die Berliner Zocker anzuwerben und sollte dafür eine Kopfprämie in Höhe von 10.000 Euro bekommen. Bei einer Vernehmung gab er an, dass auch Zwayer bei dem Anwerbeversuch von Koop dabei gewesen sei - das bestreitet Koop heftig.

Für einen 25-Jährigen ist Hoyzer ziemlich abgezockt. Als er in den vergangenen Tagen mit dem Team des ZDF unterwegs war, um an Originalschauplätzen der Fußball-Affäre zu drehen, studierte er im Auto sehr intensiv die Skandal-Berichte über Hoyzer. Dass er so viel Aufmerksamkeit bekam, hat ihm schon sehr gefallen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: