Rio 2016:Der zynische Abschied von Rio

Rio 2016: IOC-Präsident Thomas Bach (links) mit Carlos Nuzman, dem Chef des Organisationskomitees: schöne neue olympische Welt.

IOC-Präsident Thomas Bach (links) mit Carlos Nuzman, dem Chef des Organisationskomitees: schöne neue olympische Welt.

(Foto: AFP)

Die Schlussfeier der Olympischen Spiele soll einlösen, was das IOC versprochen hat: Ein vereintes Brasilien, jubelnde Sportler und Zuschauer. Der eigentliche Eindruck ist ein anderer.

Kommentar von Saskia Aleythe, Rio de Janeiro

Drei Mal schon waren Feuerwerksraketen in den Himmel geschossen worden an diesem Abend, dann tauchte auch Thomas Bach auf der Bühne im Maracanã-Stadion von Rio de Janeiro auf. Hinter seinem Fleckchen Bühne, das die vergangenen zwei Stunden ziemlich leer gewesen war, standen plötzlich ein paar Dutzend Zuschauer dichtgedrängt. Sie schwenkten Fahnen, die japanische, die brasilianische, ein kolumbianisches Spruchband, auch Schwarz-Rot-Gold war zu sehen. Drumherum alles leer, aber die paar fröhlichen Leute reichten ja, um den Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) im Fernsehen in Szene zu setzen.

"Diese Spiele waren ein Fest der Vielfalt", sagte Bach dann in seiner Rede bei der Schlussfeier der Olympischen Spiele - so ein Satz hätte vor nackigen Schalensitzen freilich dumm ausgesehen. "Ein vereinigtes Brasilien hat die Welt inspiriert", sagte Bach weiter, aber während sich der Sport fast drei Stunden lang selbst feierte, war in vielen umgebenen Stadtteilen der Strom ausgefallen.

Ein Drittel des Stadions bleibt leer

Thomas Bach hatte mit diesen Olympischen Spielen eine neue Welt versprochen, "new world", dieser Spruch prangte an jeder Absperrung, die das Sportliche vom normalen Leben in Rio de Janeiro trennte. Eine neue Welt, das waren die vergangenen zwei Wochen tatsächlich. Cariocas, Einwohner Rios, die in Straßenkneipen dem Sportvergnügen folgten, weil sie dann doch nicht ein Drittel ihres Monatsgehalts für Eintrittskarten ausgeben mochten, das hatte man so noch nicht erlebt. Olympia war zu teuer für den Gastgeber, teuer in ganz neuem Ausmaß. Auch zur Schlussfeier war das Maracanã höchstens zu zwei Dritteln gefüllt.

Man werde nun von einem Rio de Janeiro vor den Olympischen Spielen und nach den Olympischen Spielen sprechen, sagte Bach, er wollte den Einfluss seiner Spiele doch gern hervorheben. Neue Straßen und eine neue U-Bahn hätten die Cariocas ja nun, das hatte er schon am Vortag als Errungenschaft gelobt. Als Rios Bürgermeister Eduardo Paes neben Bach auf der Bühne erschien, prasselten Pfiffe auf ihn ein. Sich in der schweren Wirtschaftskrise und mit politischen Umbrüchen von einer U-Bahn besänftigen lassen? So einfach ist der Brasilianer nicht.

Die Athleten trauten sich gegenseitig nicht mehr über den Weg

Sambatänzer in den frohesten Gewändern. Brasilianischer Chanson in den melancholischsten Tönen. Ein Kinderchor, der zur Trommelmusik die Nationalhymne Brasiliens sang. Und Athleten, die noch einmal feiern und tanzten nach der Erfüllung ihres Traums, die sich dabei filmen ließen, wie sie sich selber filmten. Davon konnte man ergriffen sein bei der Schlussfeier der Olympischen Spiele. Aber glücklich wurde man damit nicht.

Eine neue Sportwelt war es ja auch, die sich gezeigt hatte in den vergangenen Wochen. In der sich die Athleten gegenseitig nicht mehr über den Weg trauten. Weil da plötzlich einst überführte Doper wieder antraten, obwohl es zuvor wegweisende Entscheidungen gegeben hatte, die genau das verhindern sollten. Unvergessen, wie die US-Schwimmerin Lilly King auf der Siegerpressekonferenz deutlich machte, dass ihre russische Kontrahentin Julia Jefimowa eigentlich gar nicht hätte starten dürfen. Und ihr amerikanischer Läufer-Kollege Justin Gatlin im Übrigen auch nicht. Während Whistleblowerin Julia Stepanowa das Startrecht verwehrt worden war, obwohl ihre Enthüllungen überhaupt erst Einblick gewährt hatten ins systematische russische Staatsdoping. Ganz richtig: neue Welt.

Der Rest sind Liebesbekundungen für den Gastgeber

Bach ließ nun am Abschlusstag dieser Spiele nochmal ein paar Kinderchöre auftreten, dann bedankte er sich beim Flüchtlings-Team. Das soll ja sein Aushängeschild dafür sein, was man für ein Herz hat beim IOC.

Der Rest waren Liebesbekundungen für den Gastgeber, "wir sind als Gast gekommen und gehen als Teil von euch", sagte Bach. Carlos Nuzman, Präsident des Organisationskomitees, der zum Abschluss im Regen eine inbrünstige Rede gehalten hatte, weinte da leise vor Rührung. Bach schloss diese Spiele, "bye bye Rio", dann erlosch die olympische Flamme. Zurück bleibt der Zynismus, der nicht nur diesem Abend, sondern auch den Spielen für lange Zeit anheften wird. Er bleibt auch an den Momenten der Sportler kleben, ihren erfolgreichen, schmerzhaften, kuriosen, lustigen Erfahrungen, die sie mit diesen 16 Tagen verbinden. Das Tragische daran: Manche machen diese Erfahrungen nur einmal im Leben.

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