Rheinisches Derby:Risse im Werksklub

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Ausgekickt: Trainer Tayfun Korkut darf bald nicht mehr Wassereimer für Bayer Leverkusen treten. (Foto: Marius Becker/dpa)

Bayer Leverkusen spielt gegen Köln stark und rettet sich - aber die Klubführung lässt es an Stil vermissen.

Von Ulrich Hartmann, Leverkusen

Das rote T-Shirt von Stefan Kießling hatte einen kapitalen Riss in der Schulter. "Gemeinsam kämpfen, gemeinsam siegen", stand auf der Brust wie auf Tausenden weiteren Shirts, mit denen sich Bayer Leverkusen für den Abstiegskampf gerüstet hatte. Sie propagierten Gemeinsamkeit, doch nach dem rettenden 2:2 gegen den 1. FC Köln zeigten sich ein paar Risse auch im Verein. Kießling ist derart frustriert von seiner Reservistenrolle als Stürmer, dass er diesen Sommer vielleicht schon seine Karriere beendet. Der Geschäftsführer Michael Schade verkündete kurz nach dem Abpfiff ohne Absprache mit dem Sportdirektor Rudi Völler bereits die bevorstehende Trennung vom Trainer Tayfun Korkut - und dieser zeigte sich trotz einer miserablen Bilanz von nur einem Sieg (gegen Darmstadt) in den elf Pflichtspielen unter seiner Leitung irgendwie nicht einverstanden mit der Aufkündigung der Zusammenarbeit. "Ich habe das nicht entschieden", sagte er irritiert, "und ich kommentiere das auch nicht." Korkut trug am Samstag kein Gemeinsam-kämpfen-gemeinsam-siegen-Hemd.

In Leverkusen hängt nach einer verkorksten Saison der Haussegen schief. Ein neuer Trainer muss gefunden, eine harmonierende Mannschaft geformt werden. Nach dem letzten Spiel unter Korkuts Leitung am kommenden Samstag in Berlin beginnen Aufarbeitung und Neuplanung.

Köln peilt Platz sechs an - keiner will auf das Pokalfinale warten

Das Gegenteil von Frust erleben 20 Kilometer weiter südlich gerade die Fußballer vom 1. FC Köln. Sie brauchen am kommenden Samstag daheim gegen den FSV Mainz einen Sieg, um die zeitgleich in München gastierenden Freiburger noch zu überholen und dadurch erstmals seit 25 Jahren wieder in den Europapokal einzuziehen. Als der Klub am 30. September 1992 sein Erstrunden-Rückspiel bei Celtic Glasgow 0:3 verlor und mit dem Trainer Jörg Berger, dem Torwart Bodo Illgner und dem Stürmer Frank Ordenewitz die internationale Bühne verließ, waren heutige Profis wie Torwart Timo Horn, die Abwehrspieler Dominique Heintz und Lukas Klünter oder die Offensivkraft Leonardo Bittencourt noch gar nicht geboren.

Das ändert allerdings nichts daran, dass die vier sich der Dimension des Unterfangens durchaus bewusst sind. "Ich freu' mich sehr auf Samstag", sagt Heintz, "wir wollen gewinnen und Sechster werden, weil wir als Siebter nicht bis zum Pokalfinale auf eine Entscheidung warten wollen." Der Liga-Siebte qualifiziert sich nur dann für die Europa-League-Playoffs, wenn Borussia Dortmund das Pokalfinale (27. Mai) gegen Eintracht Frankfurt gewinnt.

Das mag der Kölner Trainer Peter Stöger allerdings nicht hoffnungsvoll prognostizieren, "weil das total respektlos wäre gegenüber den Frankfurtern". Den Hessen fühlt sich der Österreicher Stöger vermutlich auch deshalb verbunden, weil sie wie seine Kölner eine blitzsaubere Saison spielen und er ihnen deswegen einen Pokaltriumph keinesfalls missgönnen darf.

Schon deshalb also wollen die Kölner die Dinge am kommenden Samstag gegen Mainz lieber selbst erledigen. "Das wird ein Endspiel", sagt Stöger und lässt sich auch nicht dadurch beirren, dass seine Mannschaft den Lohn ihrer Mühen mit zuletzt nur einem Sieg aus sechs Partien aufs Spiel gesetzt hat. "Wir sind auf einem spielerischen Niveau angekommen, auf dem wir erkennen, wann wir an unsere Grenzen stoßen", sagte Stöger nach dem Remis in Leverkusen, das trotz einer 2:0-Führung am Ende sogar noch glücklich ausfiel. Binnen elf Minuten hatten die Kölner diese Führung vielleicht auch deshalb verspielt, weil Stöger zur vermeintlichen Absicherung auf eine Fünferkette umgestellt und den Zentrumsspieler Jonas Hector wieder in die Abwehrreihe zurückbeordert hatte. "Auf meine Spieler lass' ich nichts kommen", sagte Stöger, "ich kann aber damit leben, wenn jemand sagt: Der Trainer hat's nicht gut gemacht."

Auch in dieser Hinsicht klingen sie in Leverkusen derzeit ganz anders. Dort zeigen manche mit dem Finger auf andere. "Ihr werdet nie deutscher Meister", sangen die Kölner Fans. Die Bayer-Fans entgegneten: "In Europa kennt Euch keine Sau" - aber genau das würden die Kölner ja gerne ändern. Damit Europa erfährt, dass in Köln außer dem Karneval noch andere Ereignisse zu feiern sind.

© SZ vom 15.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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