Kaderplaner des FC Bayern:Peps neue Augen

Michael Reschke

Michael Reschke: Würde einen Transfer wohl lieber rückgängig machen

(Foto: imago sportfotodienst)

Der FC Bayern empfängt mit Bayer Leverkusen eine Elf, die Michael Reschke komponiert hat. Jetzt arbeitet der Kaderplaner für die Münchner. Lahm und Schweinsteiger werden schließlich nicht jünger.

Von Christof Kneer

Die Frage war nicht mehr entscheidend in dem Personalgespräch, das Karl-Heinz Rummenigge Ende Mai in seinem Büro führte. Er würde diesen Mann einstellen, aber warum sollte er nicht trotzdem eine kleine Prüfungsfrage anbringen? Ob er Bernat kenne, fragte Rummenigge den Mann, der ihm gegenübersaß, und vermutlich erwartete er eine Gegenfrage: Bernat? Wer soll das sein?

Der Mann, der ihm gegenübersaß, antwortete: Klar kenne er Bernat, den habe er doch gerade erst verpflichten wollen, aber für Leverkusen sei der zu teuer gewesen. Aber falls Bernat jetzt zu Bayern komme: Dann Glückwunsch, Herr Rummenigge.

Es zählt zu den wenigen, noch nicht gelösten Rätseln der Weltgeschichte, ob nun Pep Guardiola mehr Spieler kennt oder doch Michael Reschke. Reschke, 57, der Mann aus Rummenigges Büro, hat jahrelang die Kader von Bayer Leverkusen komponiert, erst gut versteckt hinter Reiner Calmunds Bauch, später noch besser getarnt von Rudi Völlers Haar- und Bartgestrüpp. Reschke ist kein eitler Mann, er kenne gar nicht so viele Spieler, sagt er, bevor er über Stärken/Schwächen des Linksverteidigers von Olympique Lyon referiert. Natürlich kannte Reschke auch den Linksverteidiger des FC Valencia, Juan Bernat, für den Leverkusen damals keine sechs Millionen zahlen wollte.

Für Reschke, seit Juni Technischer Direktor beim FC Bayern, wird das ein schizophrenes Wochenende. Er spielt gegen sich selbst. Er hält jetzt zum FC Bayern, zu jener Elf, die er noch nicht wirklich beeinflusst hat; und er muss gegen Leverkusen sein, jene Elf, in die er mehrere Hektoliter Herzblut sowie diverse Tonnen List investiert hat.

Er hat den jungen Torwart Leno geholt, den niemand kannte, er hat den jungen Bellarabi geholt, der unanständig billig war und jetzt Nationalspieler ist, er hat die Werksbosse überredet, gerade noch anständige Summen in die jungen Schürrle, Son und Calhanoglu zu stecken. Für den einen, der jetzt Weltmeister ist, haben sie aus Chelsea später eine Summe kassiert, die richtig unanständig war. Und Reschke hat natürlich Lars Bender geholt, es ist bis heute sein Lieblingstransfer.

Warum er denn unbedingt diesen Bender wolle, hat Uli Hoeneß ihn mal gefragt, und der Untertitel unter dieser Frage lautete: Was, den Bender? Den von 1860? Hören's auf, des wird doch koana!

Reschke hat Uli Hoeneß dann prophezeit, dass es nicht lange dauern werde, bis die Bayern diesem Bender ein unanständig hohes Angebot machen würden. Später haben sie dann tatsächlich weit über 20 Millionen geboten, die Bayern, bevor sie dann für noch viel mehr Geld Javier Martínez kauften. Bayer Leverkusen, also Rudi Völler, also Michael Reschke, hatten Lars Bender nicht gehen lassen.

"Zu Uli Hoeneß hatte ich all die Jahre immer Kontakt, nicht häufig, aber immer sehr vertrauensvoll", sagt Reschke. Hoeneß hat der rheinische Pfiffikus vom ersten Tag an imponiert, dieser Hundling, wie man im etwas südlich von Leverkusen gelegenen Bayern sagen würde. Hoeneß hat Toni Kroos damals nur ein halbes Jahr nach Leverkusen verleihen wollen, ein halbes Jahr und keinen Tag länger. Reschke wollte eineinhalb Jahre, und es wurden dann eineinhalb Jahre. Man darf mit an Sicherheit grenzender Sicherheit davon ausgehen, dass Hoeneß mindestens einverstanden war, als Klubchef Rummenigge dem rheinischen Kaderpfiffikus am Tag des DFB-Pokalfinales telefonisch ein unwiderstehliches Angebot unterbreitet hat.

Der Kontakt zu Guardiola ist eng

Reschkes Verpflichtung ist durchaus eine Art Paradigmenwechsel in diesem stolzen Klub, sie lässt sich als Bekenntnis zu einer zeitgenössischen Personalpolitik werten. "Ich glaube, dass ich ein gutes Gespür für mittel- und langfristige Kaderplanung habe", sagt Reschke und weist darauf hin, dass Leverkusen "zuletzt die klare Nummer drei" hinter Bayern und Dortmund war, nicht etwa Schalke oder einer aus dem Trio Hamburg/Bremen/Stuttgart, die in ihren abgewirtschafteten Traditionsbetrieben dringend einige Hektoliter sowie auch Tonnen Reschke nötig hätten.

Der Plan der Münchner ist es nun, ihre traditionelle Kraftmeierundmüller-Personalpolitik etwas moderner auszubauen. Die Bayern haben inzwischen akzeptiert, dass sich Lahm, Schweinsteiger, Robben und Ribéry in einem Akt vereinsschädigenden Verhaltens weigern, jünger zu werden; und wenn die Bayern auch in zwei oder vier noch der Klub sein wollen, der an einem schlechten Tag nur 3:0 gewinnt, dann müssen sie bald eine Ahnung von ihrer neuen Elf entwickeln und nicht nur die besten Dortmunder kaufen.

Rummenigge ist als Klubchef zu weit weg vom Markt, Hoeneß ist weg vom Markt und vom Klub, Matthias Sammer versteht sich mehr als klubinterner Manager denn als Sportdirektor, der auf fremden Tribünen sitzt und in feindlichen Hinterzimmern um Verträge feilscht, und der Trainer Guardiola ist in zwei oder vier Jahren vielleicht in Manchester oder im Sabbatical. Deshalb brauche es einen "Bündler", sagt Reschke, also einen wie ihn, der Ideen zusammenführt. "An der Personalpolitik entscheidet sich die Zukunft eines Klubs", sagt er, "an dieser Stelle wird Schicksal gespielt."

Reschke soll in München ein bisschen Leverkusen-Politik machen, bloß halt mit noch besseren Spielern. Das klingt charmant. Ob das auch so charmant gelingt, ist eine spannende Frage.

Er sei gerade dabei, "die Augen etwas umzustellen", sagt Reschke, "ich versuche jetzt, durch Peps Augen zu sehen, ich weiß ja, welche Art Spieler er schätzt" (Khedira z. B. schätzt er nicht/Anm. d. Red.). Mit Sammer arbeitet Reschke professionell zusammen, mit Guardiola eng. Der Trainer hat in dem fanatischen Spieler- und Spiele-Seher einen Bruder im Geiste erkannt, Maikel sagt er, wenn er wissen will, ob zum Beispiel der Leipziger Joshua Kimmich, 19, schon einer für Bayern wäre.

Der Mannschaft aus Leverkusen sieht man an, dass Reschke sich mit Talenten auskennt, aber einen speziellen Transfer würde er heute wohl ganz gern rückgängig machen. Den 18-jährigen Julian Brandt hat er vor einem Jahr stolz nach Leverkusen geholt und ihn einem prominenten Mitbewerber weggeschnappt. Problem: Der Mitbewerber war der FC Bayern.

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