Rente mit 38:Die Macht des matten Königs

Hört Michael Schumacher auf? Von der Entscheidung hängt die Zukunft von Ferrari ab und vieles mehr.

René Hofmann

Die jüngsten Zeichen sind nicht gerade ermutigend. "Renault sieht momentan am stärksten aus, gefolgt von drei Teams: Honda, Mercedes und Ferrari", sagt Michael Schumacher selbst. Noch mehr verrät allerdings, was Williams-Fahrer Nico Rosberg von sich gibt:

"Ich hoffe, dass wir auf einem Niveau mit Ferrari sind." Der 20-jährige ist Neuling der Formel 1, Williams muss nach dem Abschied von BMW ohne die Unterstützung eines Konzerns auskommen - würde es Rosberg auf Anhieb auf Augenhöhe zu Schumacher schaffen, der 37-jährige siebenmalige Weltmeister würde sicher aufhören.

Ein weltweiter Faktor

Im Frühsommer will Schumacher entscheiden, ob er seine 15-jährige Karriere noch einmal fortsetzt. An seinem "ja" oder "nein" hängt die Zukunft des Ferrari-Teams. Mit ihm könnte beim ältesten Rennstall alles noch ein Weilchen weiterlaufen wie bisher.

Ohne ihn wird ein Neuaufbau nötig - in Maranello und anderswo. Schumacher ist die Königsfigur in dem Milliarden-Spiel. Wie groß sein Einfluss auf das Spektakel weltweit ist, hat die in London residierende Agentur Initiative im Winter anhand der TV-Quoten 2005 ermittelt.

Schumachers Einbruch nach Jahren der Dominanz ließ die Zuschauerzahlen nicht etwa klettern. Im Gegenteil: Sie fielen. Bei zwölf Rennen sahen 2005 weniger zu als ein Jahr zuvor, als das Auto mit der Nummer eins von Sieg zu Sieg eilte. Den "Schumacher-Faktor" nennen das die Publikumsforscher. Besonders groß ist der in zwei Ländern. In Italien fiel die durchschnittliche Zuschauerzahl pro Rennen um 1,8 Millionen, in Deutschland um 1,4 Millionen.

"Natürlich ist Michael Schumacher enorm wichtig. Er ist ein deutscher Held, der wie kein Zweiter für die Sportart steht", heißt es dazu beim Formel 1-Sender RTL, "man hat im vergangenen Jahr gesehen, dass die Menschen Schumacher sehen und siegen sehen wollen", bei Premiere. Der Pay-TV-Sender besitzt die Rechte bis Ende 2006, die RTL-Verträge laufen 2007 aus. Schumachers Entscheidung hat einen Einfluss darauf, wie teuer es künftig wird, die Formel 1 zu zeigen.

Fachzeitschriften, Reiseveranstalter und Streckenbetreiber haben von dem Boom profitiert, den Schumacher gebracht hat, und müssen sich nun allmählich auf die Zeit nach ihm einstellen. 1992 gab es einen Grand Prix in Deutschland, im Schnitt schalteten bei jedem Rennen 1,76 Millionen Menschen ein.

2001, auf dem Höhepunkt der Hausse, waren es 10,44 Millionen, und die zwei deutschen Rennen waren so gut wie ausverkauft. "Ohne Schumacher hätten wir nicht mehr als 100 Millionen Euro investiert", sagt Nürburgring-Geschäftsführer Walter Kafitz: "Er ist mein bester Außendienstmitarbeiter. Ich wünsche ihm, dass seine Karriere die gleichen Dimensionen erreicht wie die von Juan Manuel Fangio."

Der Argentinier fuhr, bis er 47 war. Hartmut Tesseraux, Pressesprecher des Hockenheimrings, schätzt, dass sich die Besucherzahlen bald wieder "auf dem Niveau von 1989/90 einpendeln werden: Um die 50000". 2003 lockte Schumacher alleine 35000 zu einem Fantag.

Reif fürs Museum

Doch er zog nicht nur die Masse, er wirkte auch stilbildend. Früher umgab den Rennsport ein Schmuddel-Image, inzwischen wird er in Museen gezeigt. In der Pinakothek der Moderne in München steht einer von Schumachers Dienstwagen - als Beispiel für die "dezidiert gegenwartsorientierte Haltung" des Hauses, wie Florian Hufnagl sagt, der Direktor der Neuen Sammlung. Selbst auf die Konkurrenten färbte Schumachers Glanz ab. Gegen den großen Dominator zu gewinnen sei mehr wert als mit ihm, hieß es bei Mercedes lange.

Vermarkter Bernie Ecclestone baut bereits vor. Er sagt über Schumacher: "Er ist ein Mann von großem Interesse, wie Ayrton Senna es auch war. Bedauerlicherweise haben wir ihn verloren.

Jeder sagte damals, das sei das Ende der Formel 1. Aber das war es nicht. Es würde zwei, drei Rennen dauern, dann hätten wir einen anderen Superstar. Kein Fahrer wird je größer sein als die Formel 1." Der Einfluss von Michael Schumacher aber ist schon ziemlich groß. Bei der Expansion in die neuen Märkte spielte er in den vergangenen Jahren die Hauptrolle.

In Bahrain lockte seine Präsenz nur zu einer Testwoche schon 120 Medienvertreter. In der Türkei war er der einzige Fahrer, der beim Premieren-Grand-Prix einen eigenen Merchandising-Stand aufbauen durfte.

Als er zu seinem ersten öffentlichen Termin erschien, stimmte die Menge spontan ein Ständchen für ihn an. In China genießt er einen Status wie ein Popstar. Das Buch "Driving Force", das hunderte Fotos von ihm zeigt und ihn auf vielen Seiten beschreibt, wurde in zwei chinesische Dialekte übersetzt. Als er beim ersten Versuch 2004 nur Zwölfter wurde, konnten es die einheimischen Journalisten gar nicht fassen und fragten entsetzt: "Warum haben sie das denn gemacht?"

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