Rene Adler:Mit Lob überschüttet

In Leverkusen zählt er längst zu den Wortführern und wird als größtes Betriebskapital in der Profiabteilung geführt. Marktwerteinschätzung: 25 Millionen Euro.

Philipp Selldorf

Seinen Pflichten als Bundestorwarttrainer folgend, hat sich Andreas Köpke am vergangenen Samstag nach Leverkusen bemüht, um Rene Adler bei der Arbeit zu beobachten. Adler, 23, hatte nicht viel zu tun; zwei-, dreimal griff er ein, bevor es richtig gefährlich wurde, und gegen das einzige Tor war er machtlos. Aber Köpke hatte genug gesehen, um erneut festzustellen: Rene Adler ist nicht bereit, sich der üblichen Logik des Fußballs zu unterwerfen.

Rene Adler: Die neue Nummer 1: Rene Adler

Die neue Nummer 1: Rene Adler

(Foto: Foto: ddp)

Die Logik des Fußballs sieht vor, dass Torhüter gerade dann die Härten des Geschäfts und die Bosheit des Publikums kennenlernen, wenn sie glauben, sich in der ersten Liga etabliert zu haben. So ist das Gesetz, so ergeht es allen. Als Adler im Februar 2007 anstelle des gesperrten Leverkusener Stammkeepers Jörg Butt vor 60.000 Leuten in Schalke sein erstes Bundesligaspiel machte, bekam er zwanzigmal so viel zu tun wie am Samstag gegen Hertha - und er hielt so wahnwitzig gut, dass die Zensurengeber der Zeitungen bedauerten, dass sie keine bessere Note als ,,1 plus'' geben konnten.

Seitdem hat er 47 weitere Punktspiele bestritten, dazu ein paar Partien im Pokal und Europacup, und nie hat er die Höhe seines Niveaus verlassen. Hier und da hat er eine Kleinigkeit verbockt, aber es gab keine einzige Fehlerstrecke, wie sie jeden jungen Torhüter in den Anfängen der Karriere auf die Grundsatzprobe stellt. Köpke staunt: ,,Alle haben darauf gewartet, dass dieses Loch kommt - aber das gab's einfach nicht.'' Deshalb mussten die DFB-Trainer nicht lange nachdenken, wem sie an diesem Samstag das Tor im WM-Qualifikationsspiel gegen Russland anvertrauen, nachdem sich der bisherige Spitzenkandidat Robert Enke einen Knochen gebrochen hatte. Adler sieht sich durch sein Länderspieldebüt am Etappenziel angekommen: ,,Darauf habe ich seit Monaten hingearbeitet.''

Die Einschätzung, dass Rene Adler extrem ehrgeizig ist, wird von dessen Kollegen in Leverkusen als Untertreibung zurückgewiesen. Er ist aber zu klug, um zu viel Selbstbewusstsein zur Schau zu stellen. Im Nationalteam tritt er noch bescheiden auf. Als dritter Torwart im EM-Kader sei er sich ,,nicht zu schade gewesen'', Jens Lehmann um Ratschläge zu bitten, hat er am Freitag demutsvoll berichtet. In Leverkusen zählt er aber längst zu den Wortführern und wird als größtes Betriebskapital in der Profiabteilung geführt. Marktwerteinschätzung: 25 Millionen Euro.

Adler stammt aus einer Fußballerfamilie in Leipzig. Mit Mutter Kerstin, die drei Jahre das Tor des Kreisklasseklub SV Liebertwolkwitz gehütet hat, und seinem ebenfalls als Torwart aktiven Bruder Rico kann er ebenso Fachgespräche führen wie mit seinem Vater Jens, der Trainer ist. Die ersten Fußballschuhe für den kleinen Rene gab es mit drei Jahren, die ersten Handschuhe mit sechs. Nach Leverkusen kam er als 15-Jähriger. Dort adoptierte ihn Torwarttrainer Rüdiger Vollborn, und zwar buchstäblich: Adler wohnte bei Familie Vollborn im Dachgeschoss. ,,Rene ist mein Steckenpferd gewesen. Da hab ich keinen reinpfuschen lassen'', erzählt Vollborn. Noch gibt es keinen Hinweis darauf, dass er bei der Ausbildung seines Patenkindes etwas vergessen hätte.

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