Remis beim FC Bayern:Kölner Kung-Fu-Sprung ins Glück

Bayern München - 1. FC Köln

Mats Hummels kommt zu spät zu Anthony Modeste.

(Foto: dpa)

Der FC ist das lernfähigste Team der Liga: Nach schwachen 45 Minuten sortiert es sich in München zur Pause neu und punktet verdient in der Arena. Am Ende wäre sogar mehr drin gewesen.

Aus dem Stadion von Sebastian Fischer

Wer Peter Stöger an Spieltagen begegnet, der könnte denken, es wird gleich laut. Stöger trägt stets eine komplette Merchandise-Garnitur seines Arbeitgebers, sein Pullover ist mit allerlei Werbestickern beklebt; Stöger wäre leicht mit einem Handelsvertreter zu verwechseln, der sein Gegenüber solange bearbeitet, bis man ihm eine Fußlotion, Heilsteine und das Abonnement einer Gesundheitszeitschrift abkauft.

Natürlich hat Stöger nicht die Branche gewechselt, er ist weiterhin Fußballtrainer des 1. FC Köln - und er schreit so gut wie nie. Stöger, 50, spricht entgegen seines grellen Auftretens mit Bedacht. Das ist einer der Gründe, warum er ein erstaunlich erfolgreicher Fußballtrainer ist. Und es war auch der Grund für seinen jüngsten erstaunlichen Erfolg in München am Samstagnachmittag.

In der vergangenen Saison ist es zwei Mannschaften gelungen, Punkte aus München zu entführen: Dem FSV Mainz 05 und Borussia Mönchengladbach, am 24. und am 32. Spieltag. Vielleicht ist der FC Bayern in dieser Saison nicht ganz so dominant wie in der Vergangenheit, vielleicht noch nicht so dominant, jedenfalls ist es diesmal schon am 6. Spieltag so weit. Dass dieses Kunststück dem 1. FC Köln gelang, ist kein Zufall. Es war die Konsequenz von Stögers Ruhe - und dem Vertrauen in seine Mannschaft.

Zwei Szenen mit Symbolkraft aus der zweiten Halbzeit, eine Viertelstunde vor Schluss, beim Stand von 1:1. Carlo Ancelotti, der Trainer des FC Bayern, steht am Rande seiner Coachingzone und winkt nach einer vergebenen Chance ab, die Finger gespreizt, als wolle er klebrigen Teig abschütteln. Kurz davor hatte der FC eine Chance vergeben - Stöger hatte in die Hände geklatscht und die Hand geschüttelt, als würde er den Teig rühren.

Der Plan mit der Fünferkette geht nicht auf, die Spieler stellen selbst um

In der ersten Halbzeit hatten die Kölner gewirkt wie ein beliebiger wehrloser Gegner in der Arena; es war mehr der Münchner Trägheit geschuldet als der Kölner Abwehrleistung, dass es zur Pause nur 0:1 stand, nachdem Joshua Kimmich freistehend per Kopf getroffen hatte. Stöger hatte eine Fünferkette aufgestellt, doch der Plan ging nicht auf. Stöger sagte: "So gefühlt kaum eine Spielidee zu haben, das ist zu wenig." Doch er vertraute darauf, dass es besser werden würde.

Es ist nun, da die Kölner von sechs Spielen keines verloren und drei gewonnen haben, viel vom neuen FC die Rede. Allerdings funktionieren die Dinge beim FC vor allem deshalb, weil vieles beim Alten ist: das alte Mittelfeld unter der Regie von Kapitän Matthias Lehmann, die schon in der Vorsaison erprobte Ausrichtung auf Stürmer Anthony Modeste - nur alles ein bisschen eingespielter. Als Stöger in der Pressekonferenz nach den Gründen für den Erfolg gefragt wurde, sagte er: "Dass die Spieler mehr Bundesligaerfahrung haben. Dass sie mehr und mehr Situationen kennen und Lehren daraus ziehen."

Lehren aus der Vergangenheit

Bei den beiden vorangegangenen Besuchen in München hatte der FC mit 1:4 und 0:4 verloren, chancenlos. Diesmal, so erklärte der Trainer, stellten die Spieler zunächst im Laufe der ersten Halbzeit selbstständig auf ein System mit Viererkette um. Und in der Halbzeit schworen sie sich, 45 Minuten lang mit mehr Mut aufzutreten. Stögers simpler Rat an die Liga, wie in München etwas zu gewinnen ist: "Du musst permanent dagegen arbeiten. Sonst erdrückt dich das irgendwann."

"Wir müssen vorsichtig sein", warnt Stöger

In der zweiten Halbzeit arbeitete der FC, irgendwann flankte der unscheinbare Marcel Risse den Ball in den Strafraum, der alles andere als unscheinbare Modeste sprang mit einer Kung-Fu-Bewegung in die Flugbahn, 1:1, sein fünftes Saisontor. Später reagierte Torhüter Timo Horn nach einem Schuss von Thomas Müller mit einem blitzartigen Reflex, lenkte den Ball an den Pfosten.

Und hätte Simon Zoller nach einem Pass von Artjoms Rudnevs in der Nachspielzeit ein wenig mehr nach links gezielt, Köln hätte gewonnen. Während seine Mitspieler nach dem Schlusspfiff in einer Traube jubelten, brach sich die Freude bei Zoller zögerlich Bahn, eher schlecht gelaunt ging er später aus dem Stadion. "Er braucht nicht geknickt sein", sagte Stöger, "das passt schon, er hat alles richtig gemacht."

Was ist möglich für diesen verblüffend harmonischen 1. FC Köln in dieser Saison? Naja, sagen sie dann im Verein, wahrscheinlich dasselbe wie in der vergangenen Saison: ein Mittelfeldplatz. "Wir müssen vorsichtig sein", sagte Peter Stöger am Samstagabend. Und obwohl er ganz ruhig sprach, hatte er seinen Zuhörern seine Botschaft verkauft.

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