Relegation zur 2. Liga:Torlos im Regen

Holstein Kiel v 1860 Muenchen - 2. Bundesliga Playoff First Leg

Ein kampfbetontes Spiel, wenn man es freundlich ausdrückt. Hier streiten sich Kiels Marc Heider (r.) und Christopher Schindler um den Ball.

(Foto: Martin Stoever/Getty Images)
  • In einem unansehnlichen Spiel holt der TSV 1860 München immerhin ein 0:0 gegen Holstein Kiel.
  • Im Rückspiel der Relegation am Dienstag müssen die Löwen nun auf den Heimvorteil hoffen.
  • Ärger machte zudem Stürmer Rubin Okotie, als er bei seiner Auswechslung gegen Trainer Torsten Fröhling schimpfte.

Aus dem Stadion von Thomas Hahn

Zwei große Nullen leuchteten in der Kieler Nacht wie ein Zeichen der Hoffnung für die Fußballer des TSV 1860 München. Sie hatten keinen Grund, sich zu feiern für ihre Leistung am Freitagabend bei Holstein Kiel. Aber immerhin hatten sie den Kampf angenommen in diesem ersten Relegationsspiel um den Verbleib in der zweiten Bundesliga. Und sie hatten sich mit solider Arbeit eine Ausgangsposition verschafft für die Entscheidung am Dienstag in München, die ihnen die Aussicht bringt, mit einem knappen Sieg den Abstieg für diese Saison endgültig abzuwenden.

Oder lag in der leisen Zufriedenheit der Münchner mit diesem Unentschieden nicht auch ein Ausdruck der Krise, in der sich der Giesinger Traditionsklub seit langer Zeit befindet? Ein 0:0 sieht jedenfalls immer auch ein bisschen traurig aus. Es sei "ein Ergebnis, mit dem wir leben können", erklärte Kapitän Christopher Schindler, "wir haben nicht so viel zugelassen, das war schon mal positiv." Trainer Torsten Fröhling ergänzte: "Es war ein reines Kampfspiel, wo es über Leidenschaft ging, und ich bin zufrieden, wie wir uns eingesetzt haben"; das torlose Remis sei allerdings "ein gefährliches Ergebnis".

Ein Traditionsverein aus der Mottenkiste des Fußballs

Es herrschte ein Wetter über dem Holsteinstadion, das zu einer Bestattung passte. Mausgrauer Himmel, Regen, Sommerkälte. Aber auf den engen Tribünen lebte die Begeisterung einer Fußballgemeinde, für die ein besonderer Zauber in dieser Partie am Rande der Zweitklassigkeit lag. Holstein Kiel ist ein Traditionsverein aus der Mottenkiste des deutschen Fußballs, seine besten Zeiten liegen so lange zurück, dass selbst Großväter sich nicht mehr daran erinnern können: 1912 war der Klub deutscher Meister, in der zweiten Liga spielte er letztmals 1981, als die zweithöchste Spielklasse noch zwei Gleise hatte.

Die Jahrzehnte danach verliefen eher schlecht als recht, bis der Klub sich auf professionellere Strukturen besann, und jetzt sieht er auf einmal wieder neue Ufer am Horizont mit seinem etwas spröden, strebsamen Coach Karsten Neitzel. Diese Endspiele um den letzten freien Platz in der zweiten Liga waren für die Kieler so etwas wie ein WM-Finale im eigenen Wohnzimmer.

"Die zweite Halbzeit war mutlos"

Man merkte das an der Stimmung in der niedrigen Arena am Westring. Gesänge und rhythmisches Klatschen drangen von den Rängen aufs Feld, eine Freude an der Chance war zu spüren, während im Gästeblock eine Atmosphäre banger Hoffnung herrschte. In diesem Spiel der Gegensätze hatten die Kieler eindeutig die freundlichere Ausgangsposition nach einer Rückrunde im Dauerhoch, und so spielten sie dann auch nach einer ersten Findungsphase auf dem seifigen Geläuf. Sie überstürzten nichts, tasteten sich aus einer kompakten Abwehr ins Spiel und suchten dann geduldig ihre Möglichkeiten.

Ein hinreißender Sturmlauf war das nicht. Die Münchner wiederum zeigten eine professionelle Sachlichkeit, hinter der man die Abstiegsangst allenfalls vermuten konnte. Sie gaben zu erkennen, dass sie die reifere Spielanlage besitzen. Ab und zu setzten sie auch das eine oder andere Schüsschen ab, beispielsweise durch Valdet Rama, der diesmal zentral spielte; Daniel Adlung rückte im Mittelfeld zurück und vertrat den abwandernden Julian Weigl, der auf der Bank saß.

Kiel spielte giftiger

Allerdings nutzten die Löwen nicht mit der nötigen Konsequenz die groben Fehler, die sich die Gastgeber erlaubten, und so wirkte 1860 in der ersten Hälfte insgesamt zu harmlos für ein Ensemble, das unbedingt den Abstieg verhindern will. "Wir haben in der ersten Halbzeit die Situationen richtig schlecht ausgespielt", stellte Kapitän Schindler fest, "die zweite Halbzeit war dann mutlos."

Die Kieler wurden giftiger, sie attackierten früher, die Löwen spürten den Atem ihrer Widersacher. Es fiel ihnen schwer, sich zu befreien, das einzige Zeichen, dass sie im Spiel waren, setzte in dieser Phase Rubin Okotie, der den Kieler Kollegen Patrick Kohlmann mit einem präzisen Tritt von den Beinen holte. Schiedsrichter Florian Meyer ahndete die ungestüme Attacke mit der gelben Karte, und 1860-Trainer Torsten Fröhling mit der umgehenden Auswechslung gegen Marius Wolf.

Einige Münchner scheinen in erster Linie an sich selbst zu denken

Gesten des Unmuts schickte Okotie Richtung Trainer, aber die brachten ihn auch nicht mehr aufs Feld zurück, und für einen Augenblick konnte man erleben, dass in dieser 1860-Mannschaft ein paar Leute spielen, die in erster Linie an sich selbst denken.

Es ging irgendwie nichts voran in dieser Partie. Kiel war irgendwie überlegen, aber kam selbst nicht mehr richtig vors Tor gegen die stabile Abwehrreihe. Schön anzuschauen war das nicht, was sich auf dem Rasen tat, eigentlich gab es nur noch einen Augenblick, in man daran glauben konnte, dass jemand diese trübe Torlosigkeit durchbrechen konnte. Als der eingewechselte Löwe Wolf einen Flachschuss absetzte, der am Tor vorbeirauschte. Ein Münchner Sieg wäre allerdings die falsche Pointe zu diesem umkämpften Abend gewesen.

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