Relegation:Urlaubstag in Unterfranken

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Rosenheim und Aschaffenburg kämpfen um die Regionalliga.

Von Fabian Müller

Nicht nur in der Oberpfalz, sondern auch im oberbayerischen Rosenheim und im unterfränkischen Aschaffenburg hörte man Jubelschreie. Als das Relegationsrückspiel um die dritte Fußball-Liga zwischen Jahn Regensburg und der zweiten Mannschaft aus Wolfsburg abgepfiffen wurde, freuten sich nicht nur die siegreichen Regensburger. Denn durch den Aufstieg der Regensburger wird ein Platz in der Regionalliga Bayern frei, und der wird nun ausgespielt zwischen dem TSV 1860 Rosenheim und Viktoria Aschaffenburg.

Die erste Relegationsrunde um den Aufstieg beziehungsweise den Verbleib in der vierthöchsten Spielklasse haben beide Mannschaften verloren, der bisherige Regionalligist Aschaffenburg gegen die SpVgg Bayern Hof und der Bayernligist Rosenheim gegen den FC Augsburg II. Was hieß: nächstes Jahr Bayernliga. "Wir haben am Freitagabend damit gerechnet, dass wir abgestiegen sind", sagte der Aschaffenburger Kapitän Simon Schmidt. Auch der Trainer der Rosenheimer, Klaus Seidel, war niedergeschlagen: "Am Freitag war's schon Wahnsinn, am Samstag dann auch, da war natürlich nicht so eine gute Stimmung." Die Mannschaft und der Trainerstab hätten sich dann am Sonntag getroffen, um gemeinsam das Spiel der Regensburger zu schauen, "dann war die Euphorie wieder da". Und auch die Aschaffenburger verfolgten gespannt das Spiel, jedoch nicht in der Gruppe, sondern "jeder für sich", wie Schmidt berichtete. Dennoch riss es ihn vom Sofa: "Als die Regensburger das 1:0 geschossen haben, hat man richtig gemerkt, wie das Adrenalin hochkommt."

Fünf Rosenheimer schreiben am Spieltag erst noch ihr Abitur, einer hat eine mündliche IHK-Prüfung

Am Dienstag kam es nun zum ersten Aufeinandertreffen der beiden Klubs, 0:0 hieß es nach 90 Minuten vor 1300 Zuschauern, einer "super Kulisse für Rosenheimer Verhältnisse", wie Trainer Seidel sagte. Sie kam auch zustande, weil die Rosenheimer Videoaufrufe ehemaliger Spieler veröffentlichten, unter den verbreiteten Botschaften war auch die des früheren Rosenheimers und aktuellen EM-Teilnehmers Julian Weigl. Das zog, in Rosenheim sprach man von einer Rekordkulisse.

Teilnehmen an der Relegation darf Rosenheim nur, weil der in der Bayernliga Süd zweitplatzierte SV Pullach aus infrastrukturellen Gründen keine Lizenz für die Regionalliga beantragt hat und damit 1860 nachrückt. Rosenheim erfülle laut Vorstandsmitglied Nicolas Foltin anders als Pullach die Regularien. Aschaffenburg hingegen wurde in der abgelaufenen Saison 15. und muss damit um den Verbleib in der Regionalliga bangen.

Im Hinspiel am Dienstag war die Viktoria überlegen, hat aber, wie Jürgen Baier, Trainer der Aschaffenburger und Vater des Bundesligaprofis Daniel Baier, konsterniert zugeben musste, trotz "fünf, sechs hundertprozentiger Torchancen dieses Drecksding einfach nicht über die Linie gedrückt". Nun geht es am Freitag im heimischen Stadion am Schönbusch um alles, eine weitere Chance wird es nicht geben. Eine Erklärung für die schwache Rosenheimer Leistung hatte der Trainer der Sechziger schnell parat: "Das war das körperliche Defizit. Wir haben ja gar keine Profis, unsere Leute gehen in die Arbeit", sagte Seidel. Aschaffenburg habe Spieler, "die vier-, fünftausend Euro im Monat verdienen". Rosenheim hat es nun schwer, am Freitag seine Spieler rechtzeitig auf den Platz zu bekommen. Viele mussten Urlaub beantragen, einige hatten dabei Schwierigkeiten.

Die Nachzügler kommen mit dem ICE: "Da können die auf und ab laufen und sich mobilisieren."

Fünf weitere schreiben am Freitag ihr Abitur, einer hat am Vormittag seine mündliche Abschlussprüfung an der Industrie- und Handelskammer. Trotzdem fährt das Gros der Mannschaft schon am Donnerstag in das 420 Kilometer entfernte Aschaffenburg, am Freitag kommen dann die acht Nachzügler mit dem ICE. "Im Zug können die dann auf und ab laufen und sich mobilisieren", erklärt Seidel. "Um 13 Uhr fährt der ICE los", um 16.34 Uhr sind die acht Spieler dann im westlichsten Eck von Unterfranken angekommen - wenn alles planmäßig läuft. Das sind keine zwei Stunden vor dem Anpfiff, eine regionalligataugliche Vorbereitung sieht anders aus. Er müsse nun schauen, "welche Kräfte wir noch mobilisieren können", sagt Seidel. Der Übungsleiter wechselte im Relegations-Hinspiel alle seine Stürmer frühzeitig aus, "um sie für das Rückspiel zu schonen".

37 Pflichtspiele haben beide Mannschaften in dieser Saison nun schon bestritten, vier in den vergangenen zehn Tagen, "da hat man richtig schwere Beine, das geht an die Substanz", findet auch der Rosenheimer Verteidiger Georg Lenz. Trainer Seidel hofft, dass seine Spieler trotzdem laufen: "Wenn einer nicht geil ist, mit 19 oder 20 Jahren in der Regionalliga spielen zu können und da nicht alles raushaut, dann wär's ja traurig."

"Auf geht's Viktoria!", titeln die Aschaffenburger auf ihrer Homepage und mobilisieren ihre Fans; über 3500 kamen in der vergangenen Relegationsrunde gegen Hof. Trainer Baier richtete am Dienstagabend via Lokalradio noch einmal einen Appell an die Leute in der Stadt: "Männer, letztes Spiel. Viktoria Aschaffenburg gegen Rosenheim am Freitag um 18.30 Uhr. Ich hoffe, dass ganz Aschaffenburg kommt und die Hütte abbrennt. 0:0, wir gewinnen das Spiel, wir wollen einfach drinbleiben. Geil!"

© SZ vom 02.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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