Rekordkulisse in der DEL:Wenn Eishockeyspieler zu Fußballern werden

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62 mal 35 Meter misst die künstliche Eisfläche im Düsseldorfer Fußballstadion, darunter liegen 20 LKW-Ladungen Sand.

(Foto: Horstmüller/imago)

Das deutsche Eishockey rückt der amerikanischen NHL ein Stückchen näher: Die Düsseldorfer EG duelliert sich mit den Kölner Haien - vor 50 000 Zuschauern im Fußballstadion. Nicht auszudenken, was passiert, wenn die Partie vor der Rekordkulisse eskaliert.

Von Ulrich Hartmann, Düsseldorf

Beim Tischtennis haben sie es leicht. Zu Werbezwecken haben neulich die beiden besten Chinesen in Dubai gespielt. Am Vormittag schlugen sich Ma Long und Zhang Jike auf der Hubschrauber-Plattform eines Hotels in 212 Metern Höhe die Bälle zu. Am Mittag spielten sie vor dem Riesen-Aquarium im Einkaufszentrum. Am Nachmittag alberten sie im Park herum. Für schöne Bilder braucht man bloß zwei Spieler und eine Platte.

Beim Eishockey ist das Besondere viel aufwendiger. Drei Wochen Vorbereitung waren in der Düsseldorfer Fußball-Arena erforderlich, um mit 90 Kilometern Kühlschläuchen 180 000 Liter Wasser für jene 62x35 Meter große Eisfläche einzufrieren, die auf 20 Lkw-Ladungen Sand liegt.

Seit Donnerstag trainieren die Eishockeyspieler der Düsseldorfer EG auf der Eisfläche in jenem 54 500-Zuschauer-Stadion, in dem sonst die Fußballer der Fortuna um Zweitliga-Punkte kämpfen. DEG-Trainer Christof Kreutzer ist mit seinen Spielern extra ein paar Mal zu deren Heimspielen gegangen, um ein Gefühl für die Atmosphäre zu bekommen. Am Samstag werden sie dort selbst im Mittelpunkt stehen. "Es ist ein unglaubliches Gefühl, wenn man in dieses Stadion geht", sagt Trainer Niklas Sundblad, der die Kölner Haie ins zweite "Winter Game" der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) führt.

Nach der Premiere beim Spiel Nürnberg gegen Berlin im Januar 2013 mit 50 000 Zuschauern im Frankenstadion duellieren sich am Samstag vor wohl mehr als 50 000 Zuschauern in Düsseldorf die DEG und die Haie (16.30 Uhr/ServusTV).

Die Idee fürs Winter Game hat der DEL die nordamerikanische National Hockey League geliefert. Die veranstaltet regelmäßig ihr Winter Classic, zu dem am 1. Januar 2014 offiziell 105 491 Zuschauer ins Michigan-Stadium von Ann Arbor gekommen sind. Mehr Karten wurden für ein Eishockeyspiel nie verkauft.

DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke aber findet es in Düsseldorf mit knapp der Hälfte der Zuschauer trotzdem besser, denn dort sehe man von jedem Platz gut, während in der flachen Football-Schüssel von Ann Arbor viele vom Spiel zwischen Toronto und Detroit gar nichts gesehen hätten und wohl nur des Weltrekords wegen gekommen seien. Einen Rekord würden die Düsseldorfer mit mehr als 50 000 Zuschauern auch aufstellen: den Europarekord für ein Klubspiel. Den hat bis jetzt noch Nürnberg.

Bremsende Worte vom Trainer

Als am 7. Mai 2010 in Gelsenkirchen die Weltmeisterschaft mit dem Spiel zwischen Deutschland und den USA eröffnet wurde, kamen 77 803 Zuschauer ins Schalker Fußballstadion. Damit liegt diese Partie auf Platz drei der meistbesuchten Eishockeyspiele der Welt. Trotzdem hat sich die DEL gegen die Bewerbung der Kölner Haie entschieden, auch das Winter Game auf Schalke auszutragen. "Wir wollten wie vor zwei Jahren in Nürnberg lieber an einem DEL-Standort spielen", sagt Tripcke.

Auch Frankfurt hatte sich um die Austragung beworben, und die Liga dürfte kaum Probleme haben, für die dritte Auflage in zwei Jahren wieder einen Gastgeber zu finden. DEG-Geschäftsführer Jochen A. Rotthaus sagt: "Das Investment Winter Game wird sich für uns lohnen." Die DEL vergibt das Winter Game als Lizenz, der gastgebende Klub übernimmt das finanzielle Risiko. Tripcke könnte sich vorstellen, dass man die Eisfläche auch mal nicht im Fußballstadion aufbaut, sondern "im Wald oder auf dem Deich oder wo immer man dafür Platz fände". Dann könnte so ein Spiel sogar mal ohne Zuschauer stattfinden.

Eishockey ohne Zuschauer aber wäre surreal wie ein Geisterspiel beim Fußball. Am Samstag werden die gut 50 000 Zuschauer das 206. Rheinderby zwischen Düsseldorf und Köln sehen. Wenn man bedenkt, dass schon beim 205. Derby vor drei Wochen in Köln die Fetzen geflogen sind und beim 3:2-Sieg der Kölner 88 Strafminuten verteilt wurden, mag man sich gar nicht vorstellen, wie die Partie in der Hitze des Gefechts vor brausender Rekordkulisse eskalieren könnte. "Vor so einem Spiel brauchst du deinen Jungs als Trainer nicht mehr viel zu sagen", meint DEG-Coach Kreutzer. Vermutlich muss er ihnen eher ein paar bremsende Worte zurufen.

Dass weiches matschiges Eis die Schlittschuhfahrer bremsen könnte wie vor zwei Jahren im mild temperierten Sprühregen von Nürnberg, ist am Samstag in Düsseldorf ausgeschlossen: Beim meteorologisch prophezeiten Regen würde das Dach der Arena geschlossen. Den Freiluft-Effekt hätte man dann freilich nicht mehr, aber dem Wohlbefinden von Spielern und Zuschauern wäre es zuträglich.

Immerhin sollen die Besucher knapp sechs Stunden im Stadion ausharren. Sie sollen vor dem Winter Game noch das Legendenspiel mit Prominenten aus der Eishockey-Historie sowie ein 35-minütiges Konzert der schwedischen Rockband Mando Diao anschauen. Später gibt es noch ein Feuerwerk. "Das Winter Game ist ein Happening fürs deutsche Eishockey", sagt DEL-Chef Tripcke begeistert, und beim Partnersender ServusTV hoffen sie, mit der Live-Übertragung ihre 400 000-Zuschauer-Rekordmarke vom siebten Finalspiel im vergangenen April zwischen Köln und Ingolstadt zu übertreffen.

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