Reitsport:Erst keinmal Gold, dann zweimal Gold

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Dem Schock folgte doppelter Jubel: Die Mannschaft der deutschen Vielseitigkeitsreiter kann ihre Goldmedaille nach längerem Verwirrspiel doch behalten. Damit hatte Bettina Hoy auch im Einzel eine bessere Ausgangsposition und holte Gold. Die Franzosen wollen allerdings vor dem Obersten Sportschiedsgericht Protest einlegen.

Nach einem Wechselbad der Gefühle zwischen Himmel und Hölle gab es für die deutschen "Buschreiter" ein doppeltes Happy End in Gold.

Nach dem Sieg mit der Mannschaft, der allerdings erst 2:40 Stunden später am grünen Tisch bestätigt wurde, triumphierte Bettina Hoy auch in der Einzelwertung. Es war das erste deutsche Doppel-Gold nach 68 Jahren.

"Ich kann es nicht in Worte fassen, was ich jetzt empfinde. Als ich die Nachricht von dem vermeintlichen Regelverstoß bekam, war ich völlig verwirrt", sagte Bettina Hoy: "Denn da habe ich gedacht, ich hätte die Mannschaft im Stich gelassen."

Umso glücklicher war die Goldreiterin nach der Rolle rückwärts der Funktionäre: "Ich könnte die ganze Welt umarmen."

Auch Jürgen Thumann, der Präsident der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN), war nach einer wahren Achterbahnfahrt der Gefühle sichtlich bewegt: "Man kann es immer noch gar nicht richtig glauben, dass es jetzt zwei Goldmedaillen geworden sind."

Mit 133,8 Strafpunkten hatte die deutsche Mannschaft - Hoy mit Ringwood Cockatoo, Ingrid Klimke mit Sleep Late, Frank Ostholt mit Air Jordan, Andreas Dibowski mit Little Lemon B und Hinrich Romeike mit Marius - den WM-Zweiten Frankreich (140,4) und England (143,0) auf die Plätze zwei und drei verwiesen.

Bevor dann das verwirrende Nachspiel seinen Lauf nahm, schwebte die deutsche Mannschaft im siebten Himmel. "Das ist der schönste Tag in meinem Leben. Unter so einem Druck bin ich immer am ruhigsten und bringe meine besten Leistungen", sagte die aus dem westfälischen Rheine stammende 41-jährige Hoy.

Die Freudentränen flossen, als ihr für Australien reitender Mann Andrew sie regelrecht vom Pferd riss und in die Arme schloss.

Dann kam der Protest der Technischen Kommission und dem "Team Germany" wurde wegen eines vermeintlichen Regelverstoßes von Bettina Hoy der Olympiasieg aberkannt.

Hoy sollte als letzte deutsche Reiterin mit Ringwood Cockatoo nachträglich zwölf Fehlerpunkte für Zeitüberschreitung erhalten. Dadurch wäre Deutschland auf den vierten Platz zurückgefallen.

Für genau 70 Minuten durften sich die eigentlich zweitplatzierten Franzosen vor Großbritannien und den USA als Olympiasieger fühlen - doch dann kehrte das Glück ins deutsche Team zurück.

Entscheidung aufgrund der Videobilder revidiert

Die deutsche Mannschaftsleitung legte gegen das Urteil der Ground Jury unter Vorsitz des Deutschen Christoph Hess ihrerseits Einspruch ein. Diesem gab schließlich die Berufungskommission nach Ansicht der Videobilder statt und revidierte damit die zunächst getroffene Entscheidung.

"Nach dem Hin und Her fühlt man sich wie ein verstopftes Klo. Mitten in die Feier der Goldmedaille hinein ist die Nachricht hineingeplatzt. Wir haben dann erstmal die Regelbücher gewälzt, aber die Stimmung war im Arsch. Nach der Anhörung ist herausgekommen, dass der Fehler nicht zu Lasten der Reiterin ausgelegt werden konnte", sagte Reinhardt Wendt, Chef d'Equipe der Reiter, empört.

Doch die Franzosen zeigen sich als schlechte Verlierer und machen weiterhin die Pferde scheu. "Wir werden am Donnerstag vor das Oberste Sportschiedsgericht CAS gehen und gegen die Entscheidung Protest einlegen", sagte Olivier de Page, der technischer Direktor des französischen Verbandes.

Auch der französische Reiter Arno Boiteau war vom "Umfaller" der Funktionäre enttäuscht: "Das ist wie im Film. Die Kommission hat eine völlig surreale Entscheidung getroffen und die Briten, Amerikaner und wir hatten darunter zu leiden."

Der Protest basierte darauf, dass Hoy nach Anklingeln der Vorbereitungszeit (25 Sekunden), in der der Start erfolgen muss, bei einer Volte über die Startlinie geritten sei, die Zeitnahme aber nicht auslöst habe. Erst beim richtigen Anreiten sei die Zeit angelaufen.

Pferd verletzt sich schwer

Überschattet worden war der Geländetag von einem tödlichen Unfall. Dadurch gab es auch wieder negative Schlagzeilen, die die "Buschreiter" eigentlich hatten verhindern wollen.

Der 13 Jahre alte belgische Wallach Over and Over des Belgiers Joris Vanspringel hatte bei einem Sturz einen Knochenbruch am linken Kniegelenk erlitten.

"Wir haben das Pferd nach Abwägung aller Faktoren operiert. Die Fraktur ist in einem mehrere Stunden dauernden Eingriff geschient worden. Danach ist das Tier nicht mehr aus der Narkose aufgewacht", erklärte Chef-Veterinär Leo Jeffcott.

Er ließ aber auch keinen Zweifel daran, dass der Geländetag insgesamt eine Werbung für die Disziplin war. "Es war ein ganz unglücklicher Unfall. Aber über 90 Prozent der Pferde sind ohne Probleme durch einen olympischen Geländeritt gekommen. Das ist sensationell."

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