Regionalliga:Ein erstaunlich friedliches Derby

TSV 1860 München - Bayern München II

Die Fans des TSV 1860 München werden von der Polizei gelobt.

(Foto: dpa)
  • Der TSV 1860 München verliert am Sonntagnachmittag das Duell gegen die zweite Mannschaft des FC Bayern.
  • Die Fans verhalten sich jedoch vorbildlich, im und um das Grünwalder Stadion bleibt es friedlich. Einzig eine Rauchgranate sorgt kurz für Aufregung.
  • Sogar die Polizei lobt die 1860er-Fans.

Von David Ryborz

Der einzige Aufreger in der Giesinger Hochsicherheitsfestung vor Spielbeginn ist: eine Rauchgranate. Sie wird aber unterhalb einer Fußgängerbrücke in der Nähe der Heimkurve gefunden. Ansonsten läuft alles friedlich ab, wenn man mal von den neun Festnahmen, unter anderem wegen Beleidigung, dem Mitführen einer Sturmhaube oder dem Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz, Stichwort Pyrotechnik, absieht. Aber das ist alles harmlos im Vergleich zu früheren Treffen zwischen dem TSV 1860 München und dem FC Bayern. "Die Anhänger von Sechzig halten sich nach wie vor an ihren Ehrenkodex, sodass es von ihrer Seite aus zu keinen Störungen kam", lobt die Polizei das Verhalten der Löwen-Fans. Kein Lob erhalten die Bayern-Anhänger.

Vor der Ostkurve, dem Aufenthaltsort der Bayern-Anhänger, ragt ein Polizist aus der Menge. Er steht auf einem Polizeibus, ausgerüstet mit einem schwarzen Helm, Sturmhaube und Kamera. Hinter ihm ein Kollege zur Absicherung. 500 Polizisten und vier Polizeipferde haben am Sonntag das Gebiet um das Grünwalder Stadion gesichert, wo das Stadtderby in der Regionalliga zwischen Sechzig und Bayern II (0:1) ausgetragen wurde. Die Polizei kontrolliert das Geschehen und die Bayern-Fans. Viele schaffen es deshalb nicht rechtzeitig in Stadion. Einige Bengalos und Rauchgranaten werden trotz strenger Einlasskontrollen auf die Tribüne geschmuggelt. Sie werden zu Beginn der zweiten Spielhälfte abgebrannt. Rote Fackeln, roter Rauch, weißer Rauch. Dazu rote und weiße Fahnen. Quittiert mit Pfiffen des ganzen Stadions und eines verspäteten Spielbeginns.

Schock, Wut und Resignation

"Tod und Hass dem FCB", singen die Löwen-Anhänger als Antwort auf die Choreographie. Die wenigen Gefechte an diesem Tag finden meist auf verbaler Ebene statt. "Steht auf, wenn ihr Bayern seid", kontern die Gäste-Fans. Und präsentieren mit Stolz ein Transparent: "Auf roter Exkursion - nun mit eurem Megafon." Das einzige Gefecht auf dem Spielfeld löst 1860-Akteur Nicholas Helmbrecht aus. Kurz vor Schluss grätscht er mit gestrecktem Bein Franck Evina um und verursacht ein Handgemenge. Er sieht Rot, im wahrsten Sinne des Wortes.

Aber sonst ist es eher ruhig im und um das Grünwalder Stadion. In Augsburg - zuletzt beim Auswärtssspiel der Sechziger - sei es zehn Mal lauter gewesen, erzählt ein Fan. Kein Wunder bei mehr als 21 000 Zuschauern in einem überdachten Stadion. Doch der späte Rückstand lähmte das Heimpublikum. Der Gedanke an eine Niederlage gegen das zweite Team des FC Bayern verursacht einen Gefühlsmix aus Schock, Wut und Resignation. Die positive Gefühlswelt der letzten Monate scheint wie verflogen.

"Kruzifix!", ärgert sich ein besonders lautstarker 1860-Fan auf der Haupttribüne. Die Leistung der eigenen Mannschaft, die Leistung des Schiedsrichters, der Spielstand - all das trägt wohl nicht zur Senkung des Blutdrucks bei. "Genau deshalb seid ihr in der vierten Liga", tönt ein Bayern-Anhänger nur wenige Meter entfernt mit einem Lächeln im Gesicht. Er spielte auf die leichtfertig vergebenen Torchancen der Hausherren an.

"Die Nummer eins in München sind wir", skandieren die Bayern-Fans nach dem Schlusspfiff. Und meinen damit auch die zweite Auswahl ihres Lieblingsklubs. Die Spieler klettern auf den Zaun und feiern. Gegenüber stehen die Spieler von 1860 regungslos vor der Westkurve. Stille. "Erfolgreicher sind vielleicht andere, aber lauter sind wir immer", hat der Stadionsprecher noch vor Spielbeginn gerufen. Eine Derbyniederlage schmerzt besonders. Aber: Ein Derby hat eben auch andere Gesetze.

Der sportliche Erfolg der Löwen in der Regionalliga legt mit zwei Niederlagen in Folge zwar eine kurze Pause ein. Dennoch gibt es Anlass zur Zuversicht: Denn der TSV 1860 München kämpft nicht nur um den Aufstieg in die dritte Liga, sondern auch um den Verbleib im Grünwalder Stadion. Die Giesinger haben sich am Sonntag deshalb von ihrer besten Seite gezeigt. Zwar nicht sportlich, aber das Verhalten der Fans ist vorbildlich. Denn Derbys ohne nennenswerte Ausschreitungen sind selten. Das wird auch die Stadt München zur Kenntnis nehmen. Und so hat es doch etwas Gutes, wenn es im Grünwalder Stadion ruhig ist.

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