Regionalliga-Derby in München:Ersatz für den Mythos

Regionalliga-Derby TSV 1860 München II - FC Bayern München II, 2014

Im Hinspiel verlor Richard Neudecker (li.) mit der zweiten Mannschaft des TSV 1860 München gegen Angelos Oikonomous "kleine" Bayern.

(Foto: Claus Schunk)
  • Am Ostermontag kommt es in der Regionalliga zum Derby zwischen den zweiten Mannschaften des FC Bayern und des TSV 1860 München.
  • Den Fanlagern beider Vereine dient das unterklassige Duell mittlerweile als Ersatz des einstigen Stadtderbys in der Bundesliga.
  • Nach den Ausschreitungen im Hinspiel hat die Polizei für Montag (Anstoß um 14.30 Uhr) ein Großaufgebot angekündigt.
  • In der Tabelle trennt beide Teams nur ein Punkt.

Von Korbinian Eisenberger

Es ist ein Regionalliga-Spiel, nur. Doch wenn am Montagnachmittag (14.30 Uhr, Sport 1) die zweiten Mannschaften des FC Bayern und des TSV 1860 München aufeinander treffen, geht es um viel mehr. Das Grünwalder Stadion ist ausverkauft, 12 500 Fans kommen. Doch wahrscheinlich hätte auch die Arena in Fröttmaning gefüllt werden können - denn mehr als doppelt so viele Anfragen liegen den beiden Münchner Vereinen vor.

Drei Tage vor Anpfiff bestimmt das Duell das Stadtbild. Von den Brücken baumeln Banner mit nicht gerade freundlichen Grüßen an den Rivalen. Auf den Rolltreppen kleben mehr Aufkleber als sonst im sauberen München. Die Regionalliga-Partie zwingt sogar Politiker und die Polizei, sich mit Fußball zu beschäftigen. In den vergangenen Wochen erarbeitete die Stadt ein neues Sicherheitskonzept. Die Anspannung ist überall zu spüren.

Rot gegen Blau, der Tabellenzweite der Regionalliga Bayern gegen den Dritten. Obwohl die Teams auf dem Feld nur viertklassigen Fußball zu bieten haben, elektrisiert das Derby eine ganze Stadt.

Existenziell für die städtische Fußballfan-Szene

"Man kann sagen, dass das Regionalliga-Derby für München der Ersatz für die Profi-Duelle von früher ist", sagt Jochen Kaufmann. Der Sozialarbeiter leitet das Fanprojekt München, das seit 20 Jahren zwischen den Fans beider Vereine und zwischen dem Fußball und der Öffentlichkeit vermittelt. Kaufmann hat in diesen Tagen viel Arbeit.

Würden beide Vereine noch in der Bundesliga spielen, hätte das Regionalliga-Derby sicherlich nicht diese Brisanz. Doch nach dem Abstieg der Löwen 2004 spielten die beiden ersten Mannschaften nur noch ein einziges Mal in einem Pflichtspiel gegeneinander: Im DFB-Pokalviertelfinale 2008 gewann der FC Bayern 1:0 nach Verlängerung. Franck Ribéry lupfte damals in der 122. Minute einen Elfmeter zum bisher letzten Derby-Treffer ins Sechzger-Tor.

Seitdem bleibt den Fans nur die Regionalliga. Seit der Saison 2011/2012 spielen die Nachwuchsmannschaften in der gleichen Liga, das "kleine Derby" ist existenziell für die städtische Fußball-Fanszene geworden.

Wenn Abneigung eskaliert

Einige Anhänger des FC Bayern zieht es ins Grünwalder Stadion, weil es in Obergiesing keinen VIP-Bereich gibt und keine Dauerkartenbesitzer, die sich nur dann aus der Sitzschale erheben, wenn in der Arena ein Tor fällt. In der 1860-Fanszene gibt es viele, die das für einen Zweitligisten deutlich zu überdimensionierte Stadion in Fröttmaning gänzlich boykottieren und seit jeher zu den Regionalligaspielen pilgern. Statt 500 haben sich für Montag allerdings tausende Blaue angekündigt. Im Grünwalder Stadion, sagt Kaufmann, würden jene Münchner fündig, die den Ursprung des Fußballs suchen. Der Sozialarbeiter hat aber noch eine weitere Erklärung für die Faszination des Viertiga-Duells: "Man definiert sich auch darüber, dass man den anderen Verein nicht mag."

Bei den vergangenen Aufeinandertreffen ist die Abneigung zwischen den beiden Klubs häufig eskaliert. Beim Hinspiel im August, das die Bayern 3:1 gewannen, kam es zu Ausschreitungen, Fans brannten Pyrotechnik ab und randalierten im Stadion. Am Ostermontag sollen deswegen deutlich mehr Polizisten präsent sein als jene 400, die beim Hinspiel vor acht Monaten elf Personen festgenommen hatten. Der Sicherheitsring um das Stadion in Obergiesing soll erweitert werden, die Behörden verlegten zudem die Partie auf den familienfreundlichen Ostermontag. Gespielt wird bei Tageslicht. Ursprünglich war das Derby für den 7. März angesetzt gewesen. Fanprojekt-Leiter Kaufmann baut nun darauf, dass sich die Fans ihrer Verantwortung bewusst sind. "Und dass die Polizei auch deeskalierend auftritt."

München diskutiert mehr über Pyrotechnik als über Fußball

München diskutiert mehr über Pyrotechnik und Sicherheitsringe als über die Protagonisten auf dem Platz. Auch Fanbetreuer Kaufmann sagt: "Vor dem Spiel habe ich mich mit allem möglichen beschäftigt, nur nicht mit dem sportlichen." Dabei gäbe es hinreichend Gesprächsstoff. Vor wenigen Tagen büßten die Löwen durch eine 0:1-Heimniederlage auf Tabellenführer Kickers Würzburg ihre letzte Aufstiegschance ein. Die Bayern gewannen dagegen in Illertissen und verdrängten die Sechziger auf Tabellenplatz drei. Ein einziger Punkt trennt beide Vereine nun.

"Der Aufstieg nimmt für die Fans bei diesem Spiel keine übergeordnete Rolle ein," sagt Kaufmann. Für manchen Kurvenbesucher dürfte eines ohnehin wichtiger sein: Hauptsache am Saisonende vor dem anderen Münchner Verein zu landen.

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