Regensburg spielt Relegation:Das Gegengift gefunden

Preussen Muenster v Jahn Regensburg - 3. Liga

Moment der Oberpfälzer Freude: Der Regensburger Andreas Geipl (in der Bildmitte) erzielt per Elfmeter den Siegtreffer in Münster.

(Foto: Otto Kasch/Getty Images)

Außerhalb des Platzes ist es ein schwieriges Jahr für den Drittligisten Jahn Regensburg. Doch die Mannschaft und ihr skeptischer Trainer ziehen ihre Stärke aus Hindernissen - so sichern sie sich am letzten Spieltag Platz drei.

Von Max Ferstl, Münster/München

Am Donnerstag hatte Heiko Herrlich wieder mal sein strengstes Gesicht aufgesetzt. Der Trainer des SSV Jahn Regensburg hielt es für angebracht, auf den Ernst der Lage hinzuweisen. Herrlich missfiel diese euphorische Stimmung, die er im Umfeld des Klubs verspürt hatte. Die Partie am Samstag gegen SC Preußen Münster würde "schon gar nicht mehr wahrgenommen", klagte Herrlich. Dabei könne die Saison ja schon am Samstag vorbei sein. Herrlich neigt dazu, die Dinge sehr nüchtern zu betrachten. Als der Jahn im März auf Platz drei kletterte, zählte er lieber die Punkte, die zum sicheren Verbleib in der dritten Liga fehlten.

Seit Samstagnachmittag steht fest: Die Regensburger dürfen sich ganz offiziell mit der Relegation beschäftigen. Der Jahn verteidigte mit dem 1:0-Sieg in Münster den dritten Platz in der Tabelle und darf sich berechtigte Hoffnungen machen, in die zweite Bundesliga aufzusteigen.

Entsprechend ausgelassene Szenen spielten sich nach dem Schlusspfiff im Preußenstadion ab. Die mitgereisten Fans kletterten über den Zaun und herzten die Spieler. Fast so, als wäre man gerade tatsächlich aufgestiegen. Trainer Herrlich hingegen sah dem Treiben recht ungerührt zu, klatschte mit Betreuern ab, verteilte ein paar kurze Umarmungen. Nur nicht zu viel der Euphorie. Als er sich vor die Fernsehkameras stellte, kreisten Herrlichs Gedanken schon um die Relegation: "Wir müssen effizienter werden", sagte Herrlich in der ARD.

Herrlich dämpft die Euphorie, das hat Methode

In seiner zweiten Saison in Regensburg hat der 45-Jährige das Mahnen zur Kunstform erhoben. Jedes Lob sieht für Herrlich ein bisschen aus wie ein vergiftetes Geschenk. Behauptet jemand wahrheitsgemäß, Regensburg verfüge über die beste Offensive, entgegnet Herrlich: Kein Grund zum Überschwang, "wir lassen noch zu viele Chancen liegen". In den vergangenen Wochen verkündete er jedem, der den Jahn zum Aufstiegskandidaten ernennen wollte, seine Theorie, dass die Defensive über den Aufstieg entscheiden werde. Da sei Regensburg zu anfällig. Das mag zuweilen anstrengend sein, doch Herrlichs Insistieren hat Methode.

Der Jahn zieht seine Stärke aus dem, was sich ihm entgegensetzt. Im Winter erfasste die Regensburger Korruptionsaffäre den Verein. Bauunternehmer und Jahn-Mäzen Volker Tretzel wurde verhaftet, ebenso wie Oberbürgermeister Joachim Wolbergs. Es waren turbulente Wochen, doch der Mannschaft gelang es, Konstanz in ihr Spiel zu bekommen. Zwischenzeitlich belegte der Jahn sogar den zweiten Platz. Regensburg spiele "wirklich schönen Fußball", fand Florian Kohfeldt, als Regensburg Mitte April Werder Bremen II 3:1 besiegte: "Mir hat das Spiel Spaß gemacht." Kohfeldt ist Trainer in Bremen.

Am Samstag spiegelte sich die Regensburger Saison in der Partie gegen Münster wider: Natürlich musste dafür die Abwehr ein paar Wackler einbauen. So wie kurz vor der Pause, als Torhüter Philipp Pentke per Flugkopfball retten musste. Doch die meiste Zeit spielte der Jahn wirklich schön nach vorne. Man wusste ja, dass ein Unentschieden nicht reichen würde, als Konkurrent Magdeburg nach einer Stunde gegen Lotte in Führung ging und in der Tabelle vorbeizog.

Geipl, Elfmeter - da werden Erinnerungen wach

Doch Herrlichs Team besitzt inzwischen das Selbstverständnis, auch schwierige Situationen meistern zu können. 21 Mal war Regensburg in dieser Saison in Rückstand geraten, hat danach aber immerhin noch 20 Punkte erwirtschaftet. Nur der MSV Duisburg war in den ersten drei Profiligen nach Rückstand erfolgreicher (22 Punkte). Mit diesem Wissen drängte der Jahn auf das wichtige Tor. Vehement, aber nicht kopflos. In der 81. Minute sprang der Ball schließlich an den Arm von Münsters Stephane Tritz, der Schiedsrichter pfiff, Andreas Geipl traf und fand anschließend: "Wenn sonst nichts reingeht, vielleicht braucht man dann einfach so einen Elfmeter." Geipl, Elfmeter - da werden Erinnerungen wach.

Vor knapp einem Jahr hatte der Mittelfeldspieler schon einmal einen wichtigen Strafstoß verwandelt, im Rückspiel der Relegation gegen Wolfsburg II. Am Ende stieg der Jahn auf. Diese Geschichte werden sie sich in Regensburg in den kommenden Tagen oft erzählen. Die Euphorie wird noch ein bisschen zunehmen. Und Herrlich wird wohl wieder streng dreinblicken, und darauf hinweisen, dass die Relegation ja erst noch gespielt werden muss.

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