Reform der Fifa:"Ein ganzes Jahr verloren"

Transparency International betrachtet die erste Reformrunde der Fifa als gescheitert - nun wartet die Branche gespannt, wie Chefreformer Pieth reagiert. Der hat ein ungewohntes Problem: Die bösen Buben sitzen weiter an der Firmenspitze und entscheiden selbst, ob ihre Sünden aufgedeckt werden.

Thomas Kistner

Grau und kraftlos wirkte Sepp Blatter, der 76-jährige Präsident des Weltfußballverbands. Es war aber auch ein freudloser Job, den er Freitag zu verrichten hatte in der Zürcher Fifa-Zentrale. Eine dicke Mogelpackung als "historisches" Reformpaket zu verkaufen, fällt nicht mal ihm so leicht. Er musste auf gängiges Brauchtum zurückgreifen, wich Fragen aus, eine pikante Anfrage an seinen Generalsekretär wiederum beantwortete er lieber gleich selbst.

FIFA President Sepp Blatter addresses a news conference after a meeting of the FIFA Executive Committee in Zurich

Hauptsache, nichts Konkretes sagen: Fifa-Chef Sepp Blatter.

(Foto: REUTERS)

Die Groteske gipfelte in einem Auftritt des Fifa-Finanzchefs, der in jedes Dorfkabarett gepasst hätte. Befragt, wie sich rund 30 Millionen Dollar verteilen, die der Finanzbericht 2011 für Vorstände und Management ausweist, erteilte Blatter bedeutungsvoll Direktor Markus Kattner das Wort. Der muss sich von den Hinterbänken des Konferenzsaals aufs Podium vorbemühen, setzt sich, blickt umher, kramt in der Mappe, die Spannung steigt - großes Theater vor dem Sätzlein: "Das kann und darf ich nicht beantworten."

Alles wie gehabt: Das gilt für die neue, alte Transparenz in der Fifa ebenso wie für die Reform, die von Blatter per Twitter am Donnerstag als "historisch" angekündigt worden war. Heraus sprang kaum ein Reförmchen, der korruptionsumtoste Weltverband tritt auf der Stelle, und mit dem Basler Compliance-Experten Mark Pieth hat er womöglich einen kongenialen Mitstreiter gefunden.

Der Kriminologe führt eine gut alimentierte, als unabhängig bezeichnete Governance-Gruppe an, die zwar viele oftmals selbstverständliche Vorschläge zur Behebung der Missstände formuliert hat (Screening künftiger Amtskandidaten, Schaffung einer internen Audit & Governance-Gruppe). Doch Papier ist geduldig, und an die brennenden Fragen, von transparenten Funktionärsbezügen bis zur rückwirkenden Untersuchung etwa der dubiosen WM-Vergaben an Russland 2018 und Katar 2022 geht die Fifa nicht ran.

Dazu wird es nichts Konkretes geben, wenn der Fifa-Kongress am 25. Mai in Budapest tagt. Gerade mal ein Fortschritt ist zu vermelden, den Blatter indes schon Anfang Juni 2011 annonciert hatte und der funktional nur nachvollzieht, was andere wie der Deutsche Fußball-Bund schon vor Jahrzehnten installierten: Die Aufteilung der Ethikkommission in eine ermittelnde und eine sanktionierende Kammer. Der große Rest, so Blatter en passant, werde "weiter diskutiert".

Bemerkenswert daran ist zweierlei: die Chuzpe der Fifa, gefühlt kaum fünf Prozent dessen zu liefern, was angekündigt und von Chefreformer Pieth empfohlen wurde - und die Frage, wie Pieth damit umgehen wird. Transparency International (TI) fand deutliche Worte.

Auf dünnem Eis

"Die Fifa hat es versäumt, eine umfassende Geschäftsreform und ein starkes Signal für Veränderungen auf den Weg zu bringen", erklärte die Anti-Korruptions-Organisation. "Die Fifa verlor ein Jahr für die Umsetzung vieler Empfehlungen ihres Governance-Komitees, von denen die meisten schon letztes Jahr vorgestellt wurden." Die TI-Sportbeauftragte Sylvia Schenk drückte "Enttäuschung" aus und beklagte, dass fast alle Schlüsselfragen offen seien und nicht mal ein neuer Ethikcode vorgestellt worden sei.

Spannend bleibt es nun erst recht. Es liegt ja in den Händen des einst für seine Arbeit am Oil-for-Food-Programm gefeierten Experten Pieth, ob Blatters Verband schon gescheitert ist - oder ob diese Art Selbstreinigung ein, zwei Jährchen weitergeht. Unter Job-Aspekten dürfte das Mandat attraktiv sein, andererseits ist ein Grummeln in der Compliance-Branche kaum mehr zu überhören.

Pieth bewegte sich ja stets auf dünnem Eis, als er bei der Fifa zu Bedingungen anheuerte, die es so nicht gibt in seinem bisherigen Berufsmilieu, der Wirtschaftskriminalität: dass böse Buben weiter an der Firmenspitze sitzen und selbst entscheiden, ob ihre Sünden aufgedeckt werden.

Nun ist der Ernstfall zu besichtigen: Pieths Gruppe fordert, dass Bezüge offengelegt und die Vergangenheit durch den Ermittlungsapparat des neuen Ethikkomitees untersucht werden. Was tut die Fifa? De facto hat Blatter die frommen Wünsche am Freitag bereits kassiert. Wie es um die Frage der Bezüge steht, hat unterhaltsam sein Finanzchef dargetan.

Und was die Vergangenheitsforschung angeht, die im Kern ihn selbst betreffen könnte, den Mann, der die Fifa seit 37 Jahren in wechselnden Rollen führt, stellte Blatter klar: Nur, "wenn glaubwürdige Anschuldigungen vorliegen". Macht Pieth, wie Blatter andeutete, trotzdem weiter - obwohl sein Werk so behandelt wird?

Vor die Presse ging er nicht, den Report stellte sein Governance-Institut zeitgleich mit Blatters Auftritt auf die Website. Um Unabhängigkeit zu zeigen? Nein, nur als Erklärungshilfe für Journalisten, hieß es im Institut; doch den Bericht kriegten die Medien auch in Zürich.

Pieth selbst hat öffentlich im Fifa-Kontext Begriffe wie "Gangster" und "Ganoven" benutzt. Das sind immerhin seine Auftraggeber, und sie haben ihn nun aller Argumente beraubt für ein glaubwürdiges Weiter-So. Tut er es doch, so droht der "fürchterliche Ruf" der Fifa, den er jüngst gegenüber der Agentur AP rügte, auf ihn abzufärben.

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