Red Bull in der Formel 1:Albtraum hinter dem Auto

F1 Grand Prix of Bahrain

Fährt hinterher: Daniel Ricciardo

(Foto: Getty Images)
  • Sebastian Vettel ist weg, Red Bull steckt in der Misere: Beim Rennen in Barcelona soll daher eine neue Motorenstufe zum Einsatz kommen.
  • Das Problem: Eigentlich war diese erst viel später in der Saison geplant.

Von René Hofmann, Barcelona

Die Szene hatte Symbolcharakter. Als Sieger Lewis Hamilton beim jüngsten Formel-1-Rennen, dem Dämmerungs-Grand-Prix in Bahrain, an der karierten Flagge vorbei fuhr, wurden entlang der Start- und Zielgeraden Silvesterraketen gezündet. Ein paar Sekunden später rauchte es noch gewaltiger. Red-Bull-Fahrer Daniel Ricciardo explodierte der Motor, ziemlich genau 200 Meter vor dem Ziel. Der Schwung, den der Australier hatte, reichte noch, um ihn als Sechster über die Linie rollen zu lassen. Teamchef Christian Horners Kommentar dazu: "Der Motor wollte sich offenbar den Feierlichkeiten anschließen." Galgenhumor: Die Misere, die das viermalige Weltmeister-Team erlebt, hat offensichtlich eine Dimension erreicht, in der kein anderes Mittel mehr Linderung verspricht.

Vier Formel-1-Rennen wurden in diesem Jahr bereits ausgetragen. An diesem Wochenende steht das fünfte an, das erste in Europa, der Große Preis von Spanien auf dem Circuit de Catalunya bei Barcelona. Um die Kosten einzugrenzen, waren vor der Saison die Motorenregeln noch einmal verschärft worden. 2015 darf jeder Fahrer lediglich vier der teuren Sechszylinder-Turbo-Hybrid-Antriebseinheiten verwenden. Benötigt er mehr, drohen Strafversetzungen in der Startaufstellung. 2014 gab es diese Strafe erst ab dem sechsten neuen Aggregat.

Die Ungeduld steigt

Mit besonderen Ambitionen startete Daniel Ricciardo. Der 25-Jährige ist der erfahrenste Fahrer der zwei Red-Bull-Teams. Er sollte die Meute der ambitionierten Getränkefirma anführen. Nun begibt es sich aber, dass ausgerechnet er bereits in Barcelona den vierten neuen Motor ins Auto bekommt. Die Aussichten des aktuell Siebten der Fahrerwertung im Titelrennen lassen sich damit leicht ausrechnen: Sie tendieren gen null. Wie die der anderen Red-Bull-Fahrer auch, bei ihnen sieht die Motorenstatistik kaum besser aus.

Die Ungeduld steigt: "Wir wollen keine Versprechen mehr, wir wollen nur noch den Fortschritt sehen", sagt Ricciardos Teamkollege Daniel Kwiat. Für den 21 Jahre alten Russen sind als Bestmarken 2015 zwei neunte Plätze vermerkt. Selbst Max Verstappen, der für das kleinere Toro-Rosso-Team gerade einmal vier Formel-1-Rennen bestritten hat, erlaubt sich bereits ein eindeutiges Urteil. "Das Auto ist gut genug, um Fünfter zu werden. Aber das hinter dem Auto ist ein bisschen ein Albtraum", rutschte dem 17-Jährigen kürzlich im Gespräch mit dem Fachmagazin Autosport heraus.

Das hinter dem Auto - der Antriebsstrang - stammt von Renault. Die französische Firma wollte über den Winter ihre Sache besonders gut machen. Um den Rückstand auf Mercedes zu verkürzen, entwickelte sie extra aggressiv. Mit aller Macht wollte sie mehr PS finden. Das glückte auch. Aber leider ging es zu Lasten der Zuverlässigkeit. Und zwar dramatisch. Er habe geahnt, dass das Ankommen ein Problem werden könnte, räumte Horner bereits vor Wochen ein, aber das Ausmaß der Unzuverlässigkeit habe "keiner erwartet".

Viele böse Worte

Zwischen Red Bull und Renault flogen deshalb schnell viele böse Worte. Von Scheidung war indirekt die Rede. Und ganz direkt auch von der Möglichkeit, aus der Formel 1 auszusteigen. Ohne Red Bull und Renault stünde die wiederum ziemlich mickrig da. Inzwischen ist der Tonfall wieder konstruktiver geworden.

Nach dem Großen Preis von China, bei dem ebenfalls mehr als ein Renault-Motor geraucht hatte, traten Horner und Ober-Motorenentwickler Cyril Abiteboul demonstrativ gemeinsam auf. Weil es, wegen der Zoll-Bestimmungen, nicht möglich war, die beschädigten Teile direkt in die Motorenfabrik nach Viry-Chatillon zu bringen, reisten Experten den Maschinen zum nächsten geplanten Formel-1-Stopp in Bahrain entgegen, um dort Fehleranalyse zu betreiben. Red-Bull-Statthalter Horner brach unterdessen nach Paris auf, um sich mit Jérôme Stoll zu treffen, dem für die Formel 1 zuständigen Vorstandsmitglied. Das Resultat der Unterredung: Der Konzern stockt die Mittel für die höchste Motorsportkategorie vermutlich noch einmal auf, geplante Entwicklungsschritte werden vorgezogen.

In Barcelona soll nun eine neue Motorenstufe zum Einsatz kommen, die eigentlich später in der Saison geplant war. Außerdem stellt Red Bull den Partnern einen prominenten externen Troubleshooter zur Seite: Mario Illien, den 65 Jahre alten Schweizer, der einst für Mercedes erfolgreiche Formel-1-Motoren baute. Es tut sich also einiges. Daniel Ricciardo ist prinzipiell zuversichtlich, den Rückstand auf Mercedes sukzessive verkürzen zu können: "Dass Ferrari das gelungen ist, zeigt, dass wir es auch schaffen können." Ein Rennen ohne Defekt wäre dafür ein Anfang. Und der Circuit de Catalunya wäre dafür ein guter Ort: Er gilt als nicht besonders fordernd für die Motoren.

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