Red-Bull-Chef:Der steirische Zeus

Dietrich Mateschitz, als Unternehmer reich geworden mit einem Erfrischungsgetränk, hat sich seinen eigenen Sport erschaffen.

Von Thomas Hahn

Die Ledersessel im Salzburger Olymp sind tief, aus hohen Fenstern fällt die Sicht auf die Berge des Alpenlands, und Zeus lächelt. Genauer gesagt, seine steirische Entsprechung lächelt, die Dietrich Mateschitz zweifellos ist, wenn man bedenkt, was er im Zeichen seines Unternehmens, der Red Bull GmbH, alles hat entstehen lassen. Dietrich Mateschitz empfängt in einem Nebenraum des firmeneigenen Hangar 7 am Salzburger Flughafen.

Dietrich Mateschitz hat den Sinn für ungewöhnliche Aktionen. Hier lässt er Red-Bull-Fahrer David Coulthard über die Bosporus-Brücke in Istanbul fahren.

Dietrich Mateschitz hat den Sinn für ungewöhnliche Aktionen. Hier lässt er Red-Bull-Fahrer David Coulthard über die Bosporus-Brücke in Istanbul fahren.

(Foto: Foto: AP)

Er trägt diesen Schick nobler Lässigkeit, der in Unternehmerkreisen als unkonventionell gilt. Jeans, Lederjackett, Dreitagebart. Und er hat so einen väterlichen Stolz im Blick, als wolle er sagen: Schauen Sie, was gewachsen ist aus der Idee, einen Krafttrunk zu Geld zu machen - ein ganzes Land, in dem die Träume großer Jungen in Erfüllung gehen. In dem Akrobaten in den Himmel wachsen und Helden einer selbst erfundenen Mythologie fauchende Maschinen bändigen, gegen Meere kämpfen, gegen Berge. Und neuerdings auch gegen Fußbälle.

Für Dietrich Mateschitz, 61, aus St. Marein im Mürztal, ist der Sport von Anfang an ein wichtiges Medium gewesen, wenn es darum ging, seine Marke in die Köpfe der Leute zu setzen. Logischerweise, denn wo sonst hätte das Produkt besser zur Geltung kommen können, dieses hoch koffeinhaltige Kaltgetränk, das angeblich Körper und Geist beflügelt. Außerdem fielen die Anfänge Red Bulls zusammen mit der Geburt einer neuen Sportwelt, in der viele junge Leute mehr Freiheit und Körperkultur zu entdecken glaubten als im strengen Olympia-Betrieb. Dieser anfangs bespöttelte so genannte Fun- oder Extremsport mit seinen rebellischen Snowboardern und Abenteuerathleten passte ideal zum Image der neuen Leistungslimonade, die anfangs auch als Schmuggelware kursierte, weil sie nicht überall erlaubt war.

In den Strudeln des Mainstream

Heute, da Red Bull volljährig ist, populär, weltweit etabliert und 2004 einen Jahresumsatz von 1,668 Milliarden Euro verzeichnet hat mit steigender Tendenz, steuern Mateschitz und seine Marketingmannschaft auch souverän durch die Mainstream-Schnellen und Strudel des Massengeschmacks: mit einem eigenen Formel-1-Team, einer eigenen Eishockey-Mannschaft, seit dieser Saison auch einem eigenen Fußballklub und etwa 550 handverlesenen Red-Bull-Sportlern auf der ganzen Welt, zu denen Szenegrößen im Gleitschirmfliegen und Klippenspringen genauso gehören wie der schwedische Dreisprung-Olympiasieger Christian Olsson oder das polnische Skisprungidol Adam Malysz.

"Flankierende Maßnahmen" nennt Mateschitz das Sportengagement seiner Firma und verweist darauf, dass es weniger Kapital verbrauche, als mancher denken könnte. Ein Drittel des Marketingbudgets fällt auf den Sport, wobei das Marketingbudget ein Drittel des jährlichen Gesamtumsatzes ausmacht. Die Summe reicht jedenfalls, um ein kleines Sport-Imperium entstehen zu lassen. Und wenn man neben den Teams und Sportlern dann noch die ganzen Ereignisse und Wettkampfserien bedenkt, die das Copyright des Unternehmens tragen wie der Dolomitenmann, ein Staffelwettbewerb für Wildwasserkanuten, Bergläufer, Paragleiter und Mountainbike-Fahrer, oder die neue Air-Race-Weltserie, eine Art Formel 1 für Flugzeuge, wirkt es fast so, als habe Mateschitz neben seiner Energiebrause längst ein weiteres Produkt etabliert: den Red-Bull-Sport, hausgemacht und garantiert spektakulär.

Dietrich Mateschitz lächelt aus einem Gesicht, das viel Sonne gesehen hat, und sanft fließt seine Rede im vornehmen Österreicherdeutsch der alpenländischen Intelligenz. "Schauen Sie", sagt er, "wir haben vor 17 Jahren das Sportsponsoring eigentlich neu definiert." Und dann erzählt er, was er nie wollte: dem Sport nur sein Logo aufpappen und später nachrechnen, wie lang es im Fernsehen war.

"Man könnte mir die ganzen Banden eines Fußballstadions schenken, ich würde sie nicht nehmen", hat er einmal gesagt. "Weil mir einfach der qualitative Aspekt von dem Ganzen fehlt." Eigeninitiative und Individualität sind für ihn unternehmerische Prinzipien, weil sich nur durch sie das Original vom Abklatsch abgrenzen lässt. "Unsere Philosophie ist, dass wir ein integraler Bestandteil der Sportart sind", sagt Mateschitz.

Also ist die Aktion wichtig? "Nein", ruft Zeus, "der Inhalt! Das Thema!" Mateschitz will kein kalter Graf sein, der das schnelle Glück einkauft. Dass er jedoch genau so wirkt, wenn er etwa die versetzungsgefährdete Salzburger Austria mit ein paar Überweisungen vor dem Finanztod rettet und dann als den Erstliga-Favoriten Red Bull Salzburg auferstehen lässt mit Berater Franz Beckenbauer und internationalen Ambitionen, ist für ihn ein Ergebnis eklatanter Kurzsichtigkeit. Seine Leute seien anders, "das sieht ja ein Blinder mit Krückstock", und dann zählt er auf: "Wir machen eine kompakte Mannschaft, um nächstes Jahr in Österreich vorne mitzuspielen, bringen den Faktor Zeit mit, und 50 Prozent unserer Anstrengungen gehen in die Infrastruktur, in einen Einzugsbereich von 50Kilometern oder mehr, wo wir versuchen, über Schulkooperationen mit Sportvereinen Nachwuchs, Kinder, Jugend zu fördern, um hier eine Breite zu bekommen für einen Tag x, wo man nicht mehr Söldner einkaufen muss."

Ein Bewahrer des Sports will er also sein, und doch inszeniert er Schönheitscontests in der Formel 1 und Star-Wars-Auftritte an der Rennstrecke von Monte Carlo - was das mit Sport zu tun hat? "Das war da von Anfang an. Das macht den Sport aus", sagt Mateschitz, und er wird bald etwas ungeduldig, weil ihm diese Fragerei irgendwie zu umständlich ist.

Der steirische Zeus

"Den Turnvater Jahn, ja, den werden Sie schwerlich finden im 21. Jahrhundert!" Als Unternehmer mag er andere Traditionen, die des Randspektakels zum Beispiel. Die Cheerleader beim Football, die Partys bei der Hahnenkammm-Abfahrt, solche Dinge. Das gehört für ihn dazu zum Gesamtkunstwerk Sportereignis, dieses "Flair", wie er sagt. Flair ist für ihn ein Wert an sich. "Das ist ein Marketing-Tool", sagt Mateschitz. "Es darf nur nicht so sein, dass die, die runterfahren, zu Statisten degradiert werden."

Dietrich Mateschitz

Dietrich Mateschitz

(Foto: Foto: dpa)

Der Kommerz ist immer verdächtig, die Ideale zuzuschaufeln, aber Mateschitz sagt: "Für mich existiert das Wort Kommerz nicht." Er hat nie an den klassischen Kommerz geglaubt, an diese ganze Universitätslehre von der Maximierung des Gewinns. Stattdessen an die Maximierung von Kreativität, Einsatz, Hingabe, lauter abstrakte Faktoren also, die man nicht einfach kaufen kann, sondern die man entstehen lassen muss in einem Wohlfühlambiente aus Loyalität und gediegenem Luxus.

Zwillingsvulkane am Fuschlsee

So begeistert er seine Leute, auch seine Sportler. Wer zum Kreis der Red-Bull-Athleten zählt, soll sich verstanden und versorgt fühlen als exklusives Mitglied in der Familie des anspruchsvollen Heldenvaters Mateschitz. Sigi Grabner zum Beispiel, Snowboardprofi, ein früherer Weltmeister und besonnener Abenteurer, weiß noch genau, wie er vor zehn Jahren als junger Kerl auf Empfehlung von Kollegen bei Mateschitz vorstellig wurde, ihm nervös von seinen Träumen erzählte und kurz darauf zum Team gehörte. Handschlag, fertig. ",Mach mer', hat er gesagt." Grabner lacht. Seither hat Mateschitz ihn nie im Stich gelassen, nicht einmal in den turbulenten Wendephasen seines Sports. Sigi Grabner kennt das auch anders.

Es ist so ein dezenter Wahnsinn, mit dem die Firma das Establishment bereichert und den man am besten sieht, wenn man durch ihr Salzburger Herrschaftsgebiet streift. Die Zwillingsvulkane der neuen Zentrale am Fuschlsee fügen sich ins Bergland als unaufdringliche Ideenfabrik für die wachsende Mitarbeiterschaft. Hangar 7, Mateschitz' gläserner Show-Raum am Salzburger Flughafen, in dem das edle Restaurant Ikarus untergebracht ist und die Sammlung seiner Flugzeuge, glänzt ganz nach dem Geschmack des Hausherrn. Sichtbar teuer, aber mit Stil. Und im Örtchen Thalgau verbirgt sich unter den Giebeln einer früheren Drahtzieherei eine außergewöhnliche Anlaufstelle für das Sportpersonal: das firmeneigene Diagnostik-Zentrum, etabliert vor zwei Jahren, weil Mateschitz fand, dass seine Athleten etwas Nachhilfe brauchten in Form dieser "Dienstleistung", wie er es nennt. Ganz im Sinne des sportlichen Erfolgs. Denn Mateschitz sagt: "Wir sind Maniacs auf dem Gebiet der Qualität."

Doktor Bernd Pansold, der Red-Bull-Leistungsdiagnostiker, führt durch die Räume, freundlich, Lob für seinen Dienstherrn streuend. Allerdings auch etwas misstrauisch. Denn Pansold weiß, was manche Journalisten denken, wenn sie ihn als erfolgreichen Trainingssteuermann wirken sehen. Im Sportsystem der DDR war Pansold als Arzt tätig und als solcher am Staatsdoping beteiligt, das schon Minderjährige mit allerlei Chemie anfütterte.

Jedenfalls hat das Berliner Landgericht so befunden und ihn, den früheren Stasispitzel IM "Jürgen Wendt", 1998 zu einer stattlichen Geldstrafe wegen Beihilfe zur Körperverletzung verurteilt, worauf prompt seine Kündigung am Olympiastützpunkt Obertauern folgte, an dem er zuvor Österreichs Skihelden Hermann Maier fit gemacht hatte. Jetzt sammelt er also für Red Bull Daten über Kondition, Psychomotorik, Koordination und schreibt Trainingspläne. Wie viel DDR in seiner Arbeit von heute steckt? "Der Vergleich mit der DDR ist völlig uninteressant", sagt Pansold, "unsere Arbeit ist vor allem systematisch, nicht dem Zufall überlassen." Irgendwann grummelt er: "Mal schauen, was Sie wieder schreiben."

Was soll man schon schreiben? Nichts vielleicht? Es gibt frühere DDR-Sportler, die heute krank sind oder behinderte Kinder haben und die das auf die Pillen von damals zurückführen. Denen kann man kaum verdenken, dass sie es zynisch finden, wenn ein Pansold so zufrieden weiterdoktert. Aber Mateschitz lobt ihn als "einen der besten Leistungsdiagnostiker der Welt". Die DDR-Zeit? "Schnee von gestern." Und gegen Ende des Gesprächs, als er schon ziemlich genervt ist, weil er den Eindruck hat, alles mehrmals sagen zu müssen, kommt er noch einmal darauf zurück, leidenschaftlich zürnend.

"Alle Tassen im Schrank?"

"Was soll ich mich darum kümmern, was der Pansold vor 20 Jahren irgendwo in Berlin gemacht hat?! Ja, haben wir noch alle Tassen im Schrank?! Räumen Sie einem Menschen nicht das Recht ein umzudenken?!" Schon die Frage nach Pansold mag er nicht. "Dadurch hat man eine Polemik aufgebracht, die nichts verloren hat." Und die Geschichte, die Lehren daraus?

"Wann will man denn damit aufhören? Im Jahr 2770? Dann fragen Sie mich doch bitte, ob der Doktor Pansold bei uns an die Grenze des Dopings herangeht. Er ist ja der Dopingsünder! Das wäre wenigstens straight. Da soll man wenigstens genug Zivilcourage haben und das direkt fragen. Und ich sage Ihnen darauf: Nein! Da ist die Frage schon absurd!" Später sagt er noch in seine verrauchende Aufregung hinein: "Man muss ja nicht alles richtig finden, was er vielleicht irgendwann einmal..."

Auf dem Salzburger Olymp geht die Zeitrechnung ein bisschen anders. Die Vergangenheit ist nicht die Stärke von Dietrich Mateschitz, sie passt irgendwie nicht in sein Land. Zumindest nicht, wenn sich nicht eine neue Idee aus ihr gewinnen lässt. "Morgen ist der erste Tag unseres restlichen Lebens", sagt Mateschitz, der steirische Zeus. Später lächelt er wieder und lenkt weiter die Geschäfte, wie es ihm gefällt.

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