Rechtsstreit beim TSV 1860:"Feuerwehr, die nach Hause fährt, wenn es brennt"

Der TSV 1860 geht in Berufung gegen die Entscheidung des Landgerichts München, wonach das Präsidium um Gerhard Mayrhofer unrechtmäßig im Amt ist. Der Anwalt des Klägers wirft dem Verein vor, nur Zeit gewinnen zu wollen und attackiert Verwaltungsratschef Siegfried Schneider harsch.

Von Philipp Schneider

So wirklich überraschend ist die Entscheidung nicht, doch nun wurde sie offiziell verkündet: Am Freitagvormittag verschickte der TSV 1860 München eine Pressemitteilung mit der Betreffzeile: "PRÄSIDIUM GERHARD MAYRHOFER IST IM AMT. TSV MÜNCHEN VON 1860 E.V. GEHT IN BERUFUNG". Der Verein hat also reagiert auf den Richterspruch von Christina Weitnauer, die in der vergangenen Woche die vor einem Jahr durchgeführten Präsidiumswahlen bei 1860 für ungültig erklärt hatte. Die Richterin hatte zwar die Klage von Vereinsmitglied Helmut Kirmaier in Teilen abgewiesen, zugleich aber festgestellt, dass sämtliche in der Mitgliederversammlung vom 14. Juli 2013 gefassten Beschlüsse und Wahlen ungültig und nichtig seien. Die Kosten des Rechtsstreits wurden zu drei Vierteln dem Kläger und zu einem Viertel dem Beklagten angelastet.

"Wir werden dieses Urteil nicht akzeptieren und gehen in Berufung", erklärt Siegfried Schneider, Vorsitzender des Verwaltungsrats. Die Ansicht der Richterin widerspreche nicht nur der Rechtsauffassung des Vereins, sondern auch der Handhabe der für den Verein zuständigen Gerichte in den letzten 20 Jahren. "Für uns ändert dieser Richterspruch also nichts", sagte Schneider: "Gerhard Mayrhofer und sein Team wurden bei der Mitgliederversammlung von einer überwältigenden Mehrheit demokratisch gewählt. Damit ist nur dieses Präsidium faktisch im Amt und dazu berechtigt, die Amtsgeschäfte zu führen."

Dem TSV 1860 war zuvor die Begründung des Landgerichts München I für das am vergangenen Freitag gesprochene Urteil zugestellt worden. Und "nach erster Durchsicht mit dem Rechtsbeistand des Vereins" seien die Vereinsvertreter eben zu dem Schluss gekommen, dass die Argumentation der Richterin widersprüchlich und nicht haltbar sei.

Nach SZ-Informationen will der Verein in der Klagebegründung gewisse Widersprüchlichkeiten in Bezug auf Urteile des Oberlandesgerichts und des Registergerichts ausgemacht haben. Unter anderem hatte das Oberlandesgericht entschieden, dass zur Einladung befugt ist, wer im Vereinsregister namentlich eingetragen ist. Und eingetragen - ob nun rechtmäßig oder nicht - war zum Zeitpunkt der Einladung: Hep Monatzeder. Jener Präsidentschaftskandidat bei 1860, der auf der Delegiertenversammlung nicht bestätigt worden war, dann aber eine Einladung zur folgenden Mitgliederversammlung ausgesprochen hatte, auf der schließlich das Präsidium Mayrhofer gewählt worden war.

Der beklagte TSV 1860 München könnte sich in der Revision auf den Grundsatz der "unwiderleglichen Vermutung" berufen, dem Richterin Weitnauer in ihrer Begründung offenbar nicht gefolgt ist. Dieser geht davon aus, dass es im Falle einer Vermutung, die unwiderleglich ist (etwa: dass Hep Monatzeder zu Recht in das Vereinsregister eingetragen war) keine Rolle spielt, ob die vermutete Situation auch tatsächlich vorliegt.

Anwalt Veauthier kritisiert auch die Richterin

Heinz Veauthier, der Anwalt von Kläger Kirmaier (dem am Freitagnachmittag die Klagebegründung nach eigener Aussage noch nicht vorlag), hält dagegen die Revisionspläne der Gegenseite für ein Spiel auf Zeit. Er sagt: "Die Gegenseite geht nicht aus rechtlichen Gründen in Berufung, sondern um sich Zeit zu verschaffen. Sie hoffen jetzt darauf, dass die Mannschaft gegen Kaiserslautern gewinnt, und dann gegen Leipzig. Und dass dann alle sagen: Mensch! Dieser Mayrhofer ist so toll!" Dem Argument ließe sich entgegenhalten, dass das Präsidium angesichts der Verletztenlage im Kader wohl kaum sechs Punkte aus zwei Spielen einkalkuliert.

Genau wie Richterin Weitnauer, geht Veauthier davon aus, dass alle auf der Mitgliederversammlung getätigten Beschlüsse nicht rechtskräftig seien. In scharfen Worten kritisiert er Teile des Urteils von Richterin Weitnauer ("Sie wollte irgendwas Gutes tun. Richter sind aber nicht dazu da, Gutes zu tun, sondern um Recht zu sprechen. Sie hat es in der ersten Sitzung richtig gesehen, dann aber den Kopf verloren"). Und vor allem den Verwaltungsrats-Vorsitzenden Schneider, ehemals Chef der bayerischen Staatskanzlei, den er für den Ladungsfehler verantwortlich macht. "Siegfried Schneider behindert das rechtmäßige Präsidium dabei, sein Amt auszuführen", sagt Veauthier, womit er das Präsidum um Dieter Schneider meint, der seines Wissens nach niemals von seinem Amt zurückgetreten ist. "Dieser Herr Schneider hat unsauber gearbeitet", sagt Veauthier: "Und ich frage mich: Hat er dieses rechtswidrige Verhalten in der Staatskanzlei gelernt, oder hatte er es schon immer in sich getragen?"

Ein Aufsichtsrat wie Schneider, der sich erst über Monate das Wort nicht ergreift in einem andauernden Rechtsstreit, der sich dann aber plötzlich nach der Urteilsverkündung meldet, der sei "für jeden Verein und jede Gesellschaft nicht nur eine Zumutung, sondern eine Katastrophe". Veauthier findet: "Siegfried Schneider ist wie eine Feuerwehr, die nach Hause fährt, wenn es brennt."

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