Real und Barça vor der Champions League:Rugby vor der Aufholjagd

ATHLETIC BILBAO vs BARCELONA

Endlich wieder flink und treffsicher: Barcelonas Lionel Messi (Mitte).

(Foto: dpa)

Trotz mäßiger Leistungen in der Liga wollen Real Madrid und der FC Barcelona vor ihren Champions-League-Rückspielen keineswegs die Hoffnung aufgeben. Real interpretiert den Derby-Sieg gegen Atlético als Beginn der Aufholjagd. Barça erfreut sich am fitten Oberschenkel von Lionel Messi - und an der großen Ticket-Nachfrage.

Von Oliver Meiler, Barcelona

Man wollte sich Mut anspielen, etwas Mut für die komplizierten Aufgaben, die da harren. Und wenn die Chancen auf eine Finalqualifikation in der Champions League auch schier aussichtslos anmuten - ganz krude betrachtet, nämlich arithmetisch, glaubt man nun bei Real Madrid und beim FC Barcelona nach den mühselig verdauten Niederlagen in Dortmund und München, nach diesem 1:8 in der Gesamtabrechnung, doch noch an Wunder. Ein bisschen wenigstens. In Madrid etwas mehr als in Barcelona. Und auch das hat natürlich mit Arithmetik zu tun, mit diesem einen Auswärtstor von Real. Jedenfalls spielten sich die beiden Vereine ihren Mut sehr unterschiedlich an.

Real reiste quasi mit der zweiten Mannschaft in den Süden Madrids zum Stadtderby gegen Atlético, den Tabellendritten. José Mourinho ließ bei der Gelegenheit Cristiano Ronaldo ausruhen, auch Mesut Özil und Sergio Ramos. In der Startelf standen nur vier Spieler, die am Dienstag auch gegen den BVB aufgeboten werden dürften.

"Mou" wollte wohl beweisen, dass es auch ohne Stars geht, was man bei Atlético zu Unrecht als provokative Geringschätzung empfand: Real konzentriert sich nun, da die Meisterschaft ohnehin bald verloren ist, ganz auf Europa. Junge Kräfte durften mittun: Nacho Fernández und Morata etwa. Von Alvaro Morata, 20, gibt es Fotos, die ihn als Balljungen im Vicente Calderon zeigen - keine vergilbten, noch recht frische.

Pepe und Sami Khedira, beides keine Filigrantechniker, standen in der kreativen Schaltzentrale. Und so sah Reals Spiel auch aus: alles andere als gepflegt, ohne künstlerischen Anspruch. Die Madrider Zeitung El País fühlte sich ob des raubeinigen Duells voller elementarer Fehler und kleiner Bösartigkeiten mehr an ein Rugby- denn an ein Fußballspiel erinnert. Atlético war besser, viel besser, ging dank eines Kopfballtores von Falcao (4.) auch früh in Führung und hatte dann Chancen für eine schnelle Entscheidung.

Doch der Fluch ist hartnäckig: Seit 1999 gewinnt Atlético kein Derby mehr. Und so sollte es auch gegen Reals B-Mannschaft nicht reichen. Ein Eigentor von Juanfran (12.) und ein Kontertor von Angel Di María (62.) bescherten Real den Sieg. Für Marca war das schon der Auftakt der "Remontada", die Initialzündung für die Aufholjagd gegen Dortmund, zumindest die psychologische.

Barcelona meldet fast ausverkauft

Auch Barça begann sein Auswärtsspiel gegen die Basken von Athletic Bilbao ohne seinen Chefinspirator Lionel Messi, der in München so denkwürdig abwesend gewirkt hatte, so verloren und scheinbar lustlos. Trainer Tito Vilanova wechselte ihn erst in der 59. Minute ein, als deutlich wurde, dass die Seinen unfähig sein würden, das Spiel noch zu drehen: Bilbao führte nach einem Tor von Susaeta (27.) noch immer 1:0. Barça hatte wieder keine Tiefe in seinem Spiel, schoss wieder kaum einmal aufs Tor. Doch dann gelang wieder einer dieser Messi-Momente, eine schnelle Umkehrung der Machtverhältnisse. Der Argentinier war viel spritziger als zuletzt in München, was natürlich auch dem vergleichsweise bescheidenen Widerstand seiner baskischen Gegenspieler zu danken war.

Acht Minuten nach der Einwechslung nahm sich Messi ein Herz, spielte mit einigen schnellen Finten, einer Serie von Fußverrenkungen, vier eng stehende Verteidiger Bilbaos aus und schob zum Ausgleich ein. Es war mal wieder ein Tor für den Sammelband, sein 44. in der laufenden Saison. Nur zwei Minuten später traf auch noch der sonst eher torgeizende Flügelstürmer Alexis Sánchez, auf Zuspiel Messis.

Die Hierarchie schien wieder etabliert zu sein. Und da Barça mit einem Sieg auf den frühen Titelgewinn hoffen konnte, wohnte den letzten Minuten des Spiels eine zusätzliche Aufregung inne. Doch wie so oft in jüngerer Vergangenheit verspielten die Katalanen einen sicher gewähnten Sieg in letzter Minute - diesmal sogar buchstäblich, in Minute 90 nämlich. Unwiderstehlich geht anders.

Fraß dieser Frust des späten Unentschiedens alle Courage für den Mittwoch weg? Nicht unbedingt. Bei Barça fand man durchaus Gründe für Optimismus. So schien Lionel Messi wieder hergestellt zu sein: ohne Probleme am rechten Oberschenkel, mit der üblichen Fitness.

Für neuen Mut im Volk der culés, wie sich Barças Fans nennen, sorgte auch Tito Vilanovas erster Auftritt vor der Presse seit seiner Rückkehr aus New York, wo sich der krebskranke Trainer einer Chemotherapie hatte unterziehen müssen: Er wirkte entschlossen, souverän, sehr unaufgeregt. Für gute Stimmung sorgte sodann die Meldung, das Camp Nou sei fürs Rückspiel gegen die Bayern fast ausverkauft.

93.700 Tickets waren am Wochenende schon verkauft, und das trotz hoher Preise, den höchsten aller Vereine im verbliebenen Quartett der Champions League: Die billigsten Plätze im Camp Nou, jene ganz oben im äußersten Ring, wo der Himmel näher scheint als der Rasen, kosten 91 Euro. Die Fans wollen dieses Spiel gegen den FC Bayern auch trotz der dünnen, fast unvernünftigen Hoffnung auf ein Wunder sehen.

Remontada? Barças Spieler befeuern den Glauben, so gut es nur geht. Alexis Sánchez hörte man sagen: "Wir werden alles nur erdenklich Mögliche unternehmen." Ersatztorhüter Pinto lässt ausrichten: "Ich glaube daran." Doch er hat gut reden, er steht ja am Mittwoch nicht im Tor, wenn die Bälle hoch in den Strafraum kommen, diese Münchner Peitschen aus der Luft, diese Tortur für die schwache Abwehr Barças. Er leidet dann mit auf der Bank - bei jeder Ecke, bei jedem schnellen Gegenstoß, bei jedem hohen Ball.

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