Real-Sieg gegen Atlético:Und Ronaldo gibt ab

  • Real Madrid besiegt den Stadtrivalen Atlético mit 1:0 (0:0) und zieht ins Halbfinale der Champions League ein.
  • Zum Helden des Abends wird der Mexikaner Javier Hernández, besser bekannt als Chicharito - weil Cristiano Ronaldo im entscheidenden Moment auf ihn abspielt.
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Von Oliver Meiler, Madrid

Fußball geht auch ohne Fußball. Und fast ohne Tore. Eines reichte in diesem Madrider Derby, ein einziges Tor eines Hinterbänklers, nach insgesamt 177 Minuten einer Viertelfinalbegegnung, die so viel mehr versprochen hatte. 1:0. Real gewinnt also sein erstes Städteduell nach vier Niederlagen und drei Unentschieden, sein erstes auch seit Lissabon, seit dem Gewinn der Décima, das wichtigste. Gegen denselben Gegner, gegen Atlético.

Carlo Ancelotti überraschte mit einem denkwürdigen Wagnis, einem, das schon einmal fürchterlich schief gegangen war: Er schickte seinen Abwehrchef, den Innenverteidiger Sergio Ramos, als defensiven Mittelspieler ins Derby, wo er im Duo mit Toni Kroos walten sollte. Den Präzedenzfall schuf Ancelotti einst gegen Barça, und er trug dem italienischen Trainer später viel Hohn ein.

Mehr als von Ronaldo sah man von Chicharito

Doch offenbar war ihm Ramos lieber als Sami Khedira, der als amortisiert gilt und den Verein im Sommer verlassen wird. Vor allem aber war ihm der Andalusier auch lieber als der Baske Asier Illarramendi, ein junger Mann, der vor eineinhalb Jahren für sagenhaft unverständliche 40 Millionen Euro zu Real gestoßen war und seither nie überzeugte. Also Ramos, und der war wieder verloren im fremden Habitat, steif und unsicher, eine klassische Verlegenheitslösung.

Das Spiel glich ihm lange. Kein Luftduell kam ohne Nettigkeit mit Ellbogen oder Schulter aus, manchmal noch gefolgt von bedrohlich angedeuteter Prügelbereitschaft. In der ersten halben Stunde war die Darbietung so nervös und konfus, zersetzt von so vielen Fehlpässen und technischen Unzulänglichkeiten, dass man sich am Bolzplatz wähnte. Kein gescheiter Pass ließ sich da ausmachen, keine durchdachte Kombination. Das "beste Derby der Welt", wie man es in Spanien, zumal in Madrid, seit einiger Zeit zu nennen pflegt, war höchstens eine blasse Erinnerung.

Dann erst offenbarte Real ein bisschen von seiner Klasse. Die Sportzeitung Marca hatte vor dem Spiel ausgerechnet: Bei Real stand Personal mit einem geschätzten totalen Marktwert von 420 Millionen Euro auf dem Rasen, während die ärmeren Nachbarn von Atleti es auf geradezu bescheidene 250 Millionen brachten.

Alles erwartete Cristiano Ronaldo, den Weltfußballer. Reals Superstar sollte die Mannschaft auf den Schultern tragen, wie man so schön sagt, Atlas gleich, um die Absenzen zu kompensieren. 36,3 Prozent der Stammelf fehlten: Marcelo, weil er gesperrt war, sowie Luka Modric, Karim Benzema und Gareth Bale - alle verletzt. Keine Linie war komplett, von der gefeierten BBC im Sturm blieb nur das C von Cristiano übrig. Und der bemühte sich nach Kräften, überall zu sein, mal rechts, mal links, mal in der Mitte, trat einen Freistoß mit beträchtlicher Potenz, der kurz vor Torwart Jan Oblak neckisch aufsprang und doch nichts brachte.

Mehr noch als Ronaldo sah man aber von Beginn an den Mexikaner Javier Hernández, besser bekannt als Chicharito, eine Leihgabe von Manchester United. Es sollte sein Tag werden, seine trotzige Bewährungsprobe, frustriert wie er ist bei Real: Nur sechs Mal durfte er vor dieser Partie in dieser Saison in der Startelf - und jeweils nur, wenn die Galakomponenten unpässlich waren. Nun sollte man mal sehen, was man an ihm hätte, wenn man ihn denn ließe. Der Stürmer hatte bald hübsche Momente und war darüber so froh, dass er das anspruchsvolle Publikum mit ausladenden Gesten immer wieder zu mehr Lärm animierte. Aber CC ist nun mal nicht BBC, bei weitem nicht so zwingend.

Atlético machte sich das Leben selber schwer. Der türkische Spielgestalter Arda Turan bediente sich in der 76. Minute seines Kung-Fu-Repertoires, flog weit in Reals Hälfte mit gestrecktem Bein Ramos entgegen, traf diesen am Fuß und sah dafür vom deutschen Referee Felix Brych die gelb-rote Karte. Danach war das Spiel noch zufälliger als zuvor. Aus dem "besten Derby der Welt" war ein trostloser Kick geworden. Bis in die 87. Minute, als Ronaldo in den Strafraum eindrang und tatsächlich den besser postierten Chicharito anspielte. Der tatsächlich traf. Ein Stoff für unwirkliche Heldengeschichten. Sie trösten dann über Fußball ohne Fußball hinweg.

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