Real Madrids Pepe:Lockenkopf mit Scherenbeinen

Real Madrid's Pepe checks Borussia Dortmund's Lewandowski during their Champions League quarter-final second leg soccer match in Dortmund

Pepe (re.): Foul- und redefreudig

(Foto: REUTERS)

Seit der letzten Begegnung mit dem FC Bayern hat Real Madrids Verteidiger Pepe die Frisur gewechselt - seinen von furchtlosen Grätschen geprägten Spielstil jedoch nicht. Der Portugiese polarisiert, auch mit seinen Provokationen auf dem Platz.

Von Oliver Meiler, Madrid

Noch gibt es keine ernsthaften Studien zur Korrelation zwischen Haarpracht und Kopfballstärke. Und vielleicht ist die auch gar nicht so relevant. Einer der wohl besten Kopfballspieler der Welt aber, der gebürtige Brasilianer Képler Laverán Lima Ferreira, besser bekannt als Pepe, trägt sein Haar neuerdings so radikal anders als bisher während seiner auffälligen Karriere, dass die Frage einfach mal so im Raum stehen darf.

Der harte Innenverteidiger von Real Madrid, dem der kahle Schädel stets als Markenzeichen gereichte, gleicht seinen Look zusehends dem eines Mannes an, der an diesem Mittwochabend im Santiago Bernabéu auf derselben Position im gegnerischen Team spielen wird: Dante vom FC Bayern.

Bisweilen führt sich der Portugiese madrilenischer auf als die Madrilenen

Von Pepe, der im Duo mit Sergio Ramos Reals zentrale Abwehr bestellt, erwarten sie in Madrid, dass er Münchens Stürmern die Bälle reihenweise von den Füßen wegsäbelt. Das Verb ist bewusst gewählt. Nachdem Real den eingebürgerten portugiesischen Internationalen vor sieben Jahren für stattliche 30 Millionen Euro vom FC Porto übernommen hatte, stellte es ihn so vor: "Er hat Scheren in den Beinen, er zerschneidet absolut alles." Gemeint waren die Wege, die Absichten der Stürmer. Wahrscheinlich war sich der Verein damals der prophetischen Qualität dieser Lobpreisung noch nicht bewusst.

Jedenfalls ist Pepe nicht nur einer der besten Innenverteidiger Europas, er hat sich auch einen einzigartig markanten Ruf erspielt mit seinen furchtlosen Grätschen im Strafraum, diesen Abwehraktionen am Rande der fußballerischen Legalität. Wenn sie gelingen, sind sie ein Spektakel. Wenn nicht, dann Gott bewahre.

Er polarisiert auch mit seinen verbalen Provokationen auf dem Platz, mit Kontrollverlusten und mit viel Theatralik. Besonders intensiv lebt er die ganz großen Partien, die Clásicos vorab. Wenn Real gegen den FC Barcelona spielt, dann führt sich Pepe madrilenischer auf als die Madrilenen, dann ist es, als müsste er den Madridistas seinen Madridismo beweisen.

Auf der Gegenseite spielt der Katalane Sergio Busquets, Barças Sechser, dieselbe überdrehte Rolle. Beim jüngsten Clásico in der Liga lag Pepe mal am Boden und Busquets zog im Gewühl mies die Schuhsohle über sein Gesicht. Der Schiedsrichter sah es nicht, "Busi" blieb unbestraft. Man fand dann in Madrid: "Wenn Pepe so etwas getan hätte, dann wäre jetzt die Hölle los." Da hatten sie wohl Recht.

Zerwürfnis mit Mourinho

Bös ist sein Ruf seit einem Vorfall 2009, den man ihm bis heute immer wieder in Erinnerung ruft. Im Spiel gegen den Madrider Vorstadtklub Getafe brachte Pepe in der 87. Minute einen gegnerischen Stürmer im eigenen Strafraum zu Fall, bezichtigte den aber der Simulation und trat noch zwei Mal brutal nach. Einem herbeigeeilten Kameraden des Malträtierten verpasste er einen Schlag ins Gesicht. Denkwürdige Szenen waren das, sie sollten um die Welt gehen. Es gab die rote Karte und zehn Spiele Sperre.

Pepe entschuldigte sich später so: "Nie zuvor in meinem Leben habe ich so etwas getan. Abseits des Fußballplatzes bin ich ein fröhlicher Mensch, ich führe ein geordnetes Leben. Ich weiß nicht, was da mit mir passiert ist, so bin ich nicht." Doch irgendwie passte der Aussetzer eben doch ganz gut ins Bild, das man sich in Spanien von Pepe machte. Er lässt niemanden kalt. Und so bleibt die dunkle Episode wohl für immer an ihm haften. Bei Auswärtsspielen skandieren die Fans "Asesino, asesino", wenn Pepe foult, "Mörder, Mörder" - selbst wenn es relativ harmlose Rempler sind.

Er fühlt sich denn auch oft unverstanden und ungeliebt. Vor einiger Zeit beklagte er sich einmal darüber, dass er und seine portugiesischen Freunde bei Real, Cristiano Ronaldo und Fabio Coentrão, verfolgt würden, weil sie Portugiesen seien, man fordere ihnen mehr ab als den Spaniern. Das Lamento kam nur mäßig an, zumal Pepe jahrelang von einer speziellen Protektion eines anderen Portugiesen profitierte: Er war José Mourinhos Leutnant auf dem Platz, man nannte ihn auch den "Vikar" des Trainers. Erst ganz zum Schluss, als "Mou" in seiner Erfolglosigkeit den Nero gab und sich mit allen überwarf, bevor er zum FC Chelsea zurückkehrte, brach er auch mit Pepe. Der hatte es gewagt, ihn öffentlich zu kritisieren.

Profiteur von Varanes Pech

Mourinho setzte ihm den blutjungen und eleganten Franzosen Raphaël Varane vor die Nase und sagte mit seiner ganz eigenen Süffisanz: "Ich verstehe Pepes Frust: Es ist nicht leicht, wenn du 31 bist, einen Status und eine Vergangenheit hast, dass dich ein Kind überholt." Nun, Varane war damals immerhin schon 19 und Pepe erst 30. Aber Mourinho hat es bekanntlich nicht so sehr mit dem Alter seiner Spieler.

Seinen Stammplatz verdankt Pepe nun aber nicht in erster Linie Mourinhos Nachfolger Carlo Ancelotti, sondern dem Pech Varanes, der sich zu Beginn der laufenden Saison verletzte und erst kürzlich wieder fit wurde. Und so spielt Pepe die Spielzeit durch, in allen Wettbewerben, und holt sich oft Lob. Noch ist er zwar immer anfällig, wenn er mit dem Ball am Fuß aus der Abwehr steigt: Mit Pressing lässt er sich leicht aus der Fassung bringen, er befördert den Ball dann panikartig ins Seitenaus oder hoch und ziellos in die Spitze.

In der Rückwärtsbewegung dagegen ist er frei von Angst, liefert sich mit schnellen Stürmern Laufduelle Schulter an Schulter, rutscht ihnen zumeist mit beträchtlichem Timing in die Beine, klärt mit dem Kopf, kämpft hart und brüllt laut. Neuerdings nicht mehr mit der Glatze, sondern mit Haarschopf. Das mutet nun gleich etwas sanfter an.

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