Champions League:Real sucht den Stimmungsaufheller

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Von Real-Fans nach wie vor vergöttert: Zinedine Zidane

(Foto: dpa)
  • Vor dem Champions-League-Spiel gegen Schachtjor Donezk herrscht Unruhe bei Real Madrid.
  • Trainer Benítez und Präsident Pérez werden für den derzeitigen Misserfolg verantwortlich gemacht.
  • Zinedine Zidane gilt als ernsthafte Alternative.

Von Javier Cáceres, Madrid

So weit ist es nun also gekommen: Madrids Sportzeitungen fühlen sich in der Zeitschleife gefangen wie weiland Bill Murray in seiner legendären Rolle als TV-Wettermoderator Phil Connors. "Und täglich grüßt das Murmeltier . . .", titelte die Zeitung As am Dienstag, als sie versuchte, die rund 20-minütige Pressekonferenz zusammenzufassen, die Real Madrids Präsident Florentino Pérez am Vorabend gegeben hatte.

Nach einer (planmäßigen) Präsidiumssitzung hatte Pérez die Medien (außerplanmäßig) in den VIP-Bereich des Bernabéu-Stadions gebeten, um die vorab diskret gestreute Nachricht zu verkünden. Sie lautete: Trainer Rafael Benítez habe auch nach dem 0:4-Debakel gegen den FC Barcelona vom Samstag "das Vertrauen und die Unterstützung des Vorstands", er müsse und dürfe in Ruhe weiterarbeiten, dann würden die Siege schon kommen.

Hatten wir das nicht schon mal, durchzuckte es den einen oder anderen Berichterstatter, und als es dann eine Reporterin wagte, Pérez mit dem Umstand zu konfrontieren, dass er doch im März fast wortgleich den Italiener Carlo Ancelotti gestützt habe, nur um ihn dann drei Monate später rauszuwerfen, wurde El Presidente nervös und garstig: "Wissen Sie denn, wo Sie in drei Monaten arbeiten werden?", fragte er zurück - was insofern einen aparten Beigeschmack hatte, als in der Branche als Allgemeingut gilt, dass Pérez gern bei Chefredakteuren anruft, um die Versetzung von unliebsamen Journalisten zu fordern, wenn ihn Medienartikel an der Galle kitzeln. Und zurzeit ist Pérez gereizt. Denn in seinen Ohren klingen die Rücktrittsforderungen, die bei der Pleite vom Samstag im Bernabéu-Stadion die Runde machten ("¡¡¡Florentino, dimisión!!!"), noch besonders laut nach.

Pérez fühlt sich als wehrloses Oper

Pérez meint, dies sei nicht auf seine rätselhafte Vereinsführung zurückzuführen, sondern einzig auf die Presse, die ihm Übles wolle. Der Mann, der einer der mächtigsten Unternehmer Spaniens ist, eine Firma leitet, die als too big to fail gilt und im Bernabéu-Stadion die Nutznießer der herrschenden Verhältnisse per Handschlag begrüßt, seien sie nun König, Regierungschef, Kardinal, Unternehmer oder eben Chefredakteur - dieser Mann also fühlt sich ernsthaft als wehrloses Opfer einer Kampagne: "Sie glauben, ich glaube, alle hier im Raum glauben, dass es so ist", sagte er, als ihn - wie bestellt - eine entsprechende Frage ereilte.

Dann zog er eine Kausalitätskette von der neofaschistischen Fan-Gruppierung Ultrasur, die theoretisch keinen Zutritt mehr ins Stadion hat, zur Sportzeitung As, sie würde diese angeblich stützen. Dessen Chefredakteur Alfredo Relaño erinnerte am Dienstag in seinem Kommentar daran, dass es die gleichen Ultrasur waren, die sich in den ersten Jahren der Pérez'schen Regentschaft lange breitmachen und ungestraft Chöre von sich geben durften, die so gingen: "Marca y As, cámara de gas": Die Redakteure der Sportzeitungen Marca und As gehörten in die Gaskammer. "Und siehe: Nun stellt sich Florentino als Opfer dieser Ultras dar."

Benítez fällt als Schutzschild aus

Ob sich die Stimmung rund um Real Madrid in einem derart vergifteten Klima erholen kann, ist fraglich. Ein Sieg gegen Schachtjor Donezk am Mittwoch in der Champions League wird dafür kaum reichen. Mag Pérez - wie am Montag - auch noch so oft beschwören, dass "die Lösung Benítez heißt", so ist die Wahrheit doch, dass Benítez derart geschwächt ist, dass er als Schutzschild für den Präsidenten ausfällt.

Die Mannschaft verspottet Benítez laut Marca als "den Zehner", weil Benítez nie Fußballprofi war. Auch wegen solcher Episoden wird in Madrid längst über Alternativen diskutiert, allen voran über einen Mann, der von Fans vergöttert wird: Zinédine Zidane, bisher Trainer der zweiten Mannschaft Real Madrid Castilla, die derzeit Tabellenzweiter der (drittklassigen) Segunda División B ist.

Zidane bleibt zurückhaltend

Nachdem sein Team am Sonntag im Estadio Alfredo Di Stéfano gegen den Spitzenreiter Barakaldo FC ein 0:0 erreichte, versuchte Zidane die Debatte zu ersticken. "Die Dinge rund um die erste Mannschaft sind gut gerichtet", sagte er, als wüsste er es nicht besser; immerhin liegt Real Madrid sechs Punkte hinter Barcelona.

Andererseits ließ Zidane erstmals erkennen, dass er sich mit der Frage, ob er die erste Mannschaft alleinverantwortlich trainieren soll (in der vorletzten Spielzeit war er Assistent von Ancelotti), schon beschäftigt habe. Er habe "am Ende der vergangenen Saison das Gefühl gehabt, dass noch etwas fehlt", um sich als vollwertiger Trainer zu fühlen, nur deshalb sei er bei der zweiten Mannschaft geblieben. Auch jetzt sei das so. "Ich habe noch sehr viel zu lernen", sagte er noch, ehe er einen Satz einstreute, der beiläufig klang: "Anderseits: Ein Trainer ist nie (auf eine Aufgabe wie Real Madrid) vorbereitet." Und das klang schon so, als wolle ein Ei Salz.

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