Real Madrid im Viertelfinale:Vier Treffer reichen Schalke nicht

  • Wer schießt vier Tore in Madrid und scheidet trotzdem aus? Natürlich Schalke 04. Der Viertelfinalist der Herzen bezwingt Real glorios mit 4:3 - es ist ein Treffer zu wenig.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen der Champions League.

Von Philipp Selldorf, Madrid

Natürlich bedürfe es eines Wunders, um das 0:2 aus dem Hinspiel aufzuholen, hatte Schalkes Manager Horst Heldt direkt vor dem Spiel gesagt. Und tatsächlich hat sich Schalke 04, wie allseits erwartet, am Dienstagabend aus der Champions League verabschieden müssen. Aber ein Wunder hat es trotzdem gegeben, denn die Schalker lieferten Real Madrid nicht nur einen ehrenvollen Kampf - sie spielten die Spanier in deren monumentalem Wohnzimmer an die Wand. Am Ende rettete Iker Casillas seinen Klub mit zwei meisterlichen Paraden vor der größten anzunehmenden Peinlichkeit: Schalke ging nach einem sagenhaften Auftritt zwar als 4:3 (2:2)-Sieger vom Platz, insgesamt trotzdem als Verlierer.

"Wir haben ein riesiges Spiel gemacht", stellte Kapitän Benedikt Höwedes rechtmäßig fest, sein Trainer sagte gar: "Ich glaube, die Zukunft dieser Mannschaft ist gesichert. Wir hatten ja viele junge Spieler auf dem Platz." Roberto Di Matteo hatte vorab wissen lassen, dass er nicht darauf hoffte, ein Anstandsresultat zu erzielen - er wolle gewinnen. Diesen Willen hat er dann auch mit seiner Besetzung dokumentiert: Die zuletzt praktizierte 3-5-2-Ordnung, die sich im Verteidigungsfall zur massiven 5-3-2-Formation zusammenzieht, behielt er bei, aber wie gegen Hoffenheim als offensive Variante. Huntelaar und Choupo-Moting bildeten die Angriffsspitzen, der vielseitige Barnetta erhielt den Vorzug vor dem Rechtsverteidiger Uchida. Weissagungen in deutschen Medien, Schalke werde mit einer B-Elf antreten, um Spieler für den Bundesligabetrieb zu schonen, erwiesen sich als Unfug und üble Nachrede. Bei Real Madrid bekam Khedira Gelegenheit, die Schalker aus der Nähe zu betrachten, denen er sich vielleicht, aber auch nur sehr vielleicht in der kommenden Saison anschließen könnte.

Erstaunlich zaghafte Spanier

Den Schalkern gehörten die ersten Minuten gegen ein erstaunlich zaghaftes Madrid. Von Opfermentalität keine Spur beim Außenseiter. Wenn Real in den Strafraum vordrang, wurde es trotzdem heikel, nach acht Minuten musste Barnetta in höchster Not vor Benzema retten. Die erste Torchance hatte jedoch Choupo-Moting, als ihm Meyer nach einem Konter den Ball schussbereit servierte - doch er verfehlte das Ziel. Die Hausherren staunten, und ihr verwöhntes Publikum reagierte beleidigt. Pfiffe kamen auf, als Pepe zum wiederholten Mal den Ball unköniglich ins Aus beförderte. Erst recht herrschte Empörung, als die inzwischen überlegenen Schalker die folgerichtige Führung herstellten: Eine Flanke von Barnetta ließ Huntelaar passieren, Fuchs traf prompt ins Schwarze (20.).

Schalke brilliant, Real desorientiert

In dieser Phase sah die Führung der von Spaniens Presse hinreichend gering geschätzten Schalker nicht wie ein Wunder aus, sie erschien als Normalität. Schalke zog an, von Meyer brillant gelenkt, Real wirkte desorientiert. Im Spielaufbau gingen serienweise die Bälle verloren, im Angriff häuften sich die Missverständnisse, Ronaldo beschimpfte seine Mitspieler. Aber Ronaldo ist eben Ronaldo, die Tormaschine. Einen Eckball, den Fuchs überflüssigerweise verursachte, beförderte Ronaldo trotz Doppelt- und Dreifachbewachung zum 1:1 ins Tor (25.). Als sich dann auch Choupo-Moting verletzt verabschieden musste (für ihn kam der 19-jährige Sané), sah es nicht mehr so gut aus für Schalke.

Vier Treffer in Madrid

Doch das Spiel behielt die alte Richtung bei. Schalke beherrschte das Bernabéu, Huntelaar rutschte beinahe eine schlechte Rückgabe von Varane ins Tor, dann schoss der niederländische Torjäger aus 20 Metern gegen die Latte, und im dritten Versuch klappte es: Im Nachschuss verwertete er eine zu kurze Abwehr von Casillas nach Schuss von Meyer. Verstörte Mienen auf den Rängen. Es blieb dem ewigen Ronaldo vorbehalten, die heftig irritierten Real-Anhänger kurzzeitig zu beruhigen. Kurz vor der Pause gelang ihm sein zweiter Kopfballtreffer - Torwart Wellenreuther hatte sich nicht entscheiden können, ob er die Flanke fangen oder auf der Linie bleiben sollte. So war der Weg frei. Schalke suchte auch nach der Pause den Angriff. Aber Real entwickelte jetzt mehr Wucht in der Offensive, das 3:2 durch Benzema nach starkem Solo schien den Trend zu bestätigen (52.).

Der Spaß war damit jedoch nicht vorbei. Keineswegs entmutigt, landeten die Blauen durch Sané den Ausgleich - Madrids desolate Deckung hielt es nicht für nötig, ihn am Schlenzer ins entfernte Eck zu hindern. "Es lag an uns. Wir haben sehr, sehr schlecht verteidigt", sagte Kroos, "aber Schalke das gut ausgenutzt". Drei Tore im Bernabéu hatte noch keine Auswärtsteam in der K.o.-Phase der Champions League erzielt, aber Schalke war keineswegs fertig. Real-Trainer Carlo Ancelotti reagierte, er nahm Khedira raus - zum Dank lebhaft ausgepfiffen ("Das ist hier nicht den besten Stand habe, weiß ich selbst", sagte Khedira nach dem Schlusspfiff) - und Modric hinein.

Daran lag es aber kaum, dass sich das Bild allmählich wandelte. Schalke kombinierte immer noch flink, auch wenn die Kräfte schwanden. Zweimal verhinderte Wellenreuther den Rückstand. Huntelaars 3:4 (83.) mobilisierte noch mal neue Reserven, Sané schlenzte ins lange Eck (87.), Höwedes drückte eine Kopfball-Vorlage von Huntelaar aufs Tor (90.), aber Casillas warf sich jedes Mal rechtzeitig in den Weg. "Da war ein bisschen mehr drin", sagte Huntelaar später. Niemand widersprach.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: