Real Madrid im Champions-League-Finale:Orchideen für den Trainer

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Freundentaumel: Carlo Ancelotti (rechts) umarmt Cristiano Ronaldo.

(Foto: AFP)

Sogar Cristiano Ronaldo lobt seinen Trainer in den Himmel. Seit Carlo Ancelotti Real Madrid verantwortet, haucht er der Mannschaft neue Leichtigkeit ein. Der Italiener nutzt die Bühne für einen Seitenhieb in Richtung seines Vorgängers José Mourinho.

Aus dem Stadion von Jonas Beckenkamp

In der Menschentraube, die sich vor Cristiano Ronaldo formiert hatte, schwitzten einige so sehr, dass nicht mehr ganz klar war: Hatte der Alleskönner von Real Madrid soeben 90 Minuten Sport betrieben - oder die Reporter, die ihm zuhörten? Der beste Fußballer der Welt parlierte in perfektem Spanisch mit den dutzenden Fragestellern, für einen Portugiesen ist das auch keine große Kunst.

Nur manchmal war doch zu hören, wo er wirklich herkommt. "Eschtaamus muy contentuuuus", so viel "sch" und "u" bringt nur einer hervor, der ursprünglich nicht aus Madrid stammt, sondern von der Atlantikinsel Madeira.

Am liebsten hätte der aufwändig frisierte Mann von der Blumeninsel wohl Orchideensträuße an Mitspieler, Trainer und vielleicht auch die japsenden Zuhörer verteilt. Ronaldo über den zweifachen Torschützen Sergio Ramos: "Er ist ein toller Profi. Seine beiden Kopfballtore in der Anfangsphase waren wichtig. Er hat die Seele eines Stürmers." Ronaldo über Coach Carlo Ancelotti: "Er hat alles verändert. Er hat unsere Mentalität verändert. Der Verdienst an all dem gebührt ihm!"

Und schließlich über seinen eigenen Traum: "Ich war besessen davon, dieses Finale zuhause in Lissabon zu erreichen. Jetzt bin ich sehr zufrieden." Contentuuu eben.

Hängen blieb vor allem die Lobeshymne auf den Trainer. Nach Jahren des Zynismus mit José Mourinho hat Ancelotti dem königlichen Ensemble eine neue Leichtigkeit eingehaucht. Das 4:0 in München war endlich wieder eine Machtdemonstration des "Madridismo" - und zwar in einem Moment, als die ganze Welt zuschaute. "Wir haben heute auf einem sehr hohen Niveau gespielt," erklärte Verteidiger Ramos, der selbst gleich noch eine Rechnung mit den Bayern beglich. Vor zwei Jahren hatte er im Halbfinale noch einen entscheidenden Elfer in den Himmel gejagt.

Diesmal waren die Galaktischen in beiden Spielen vortrefflich eingestellt. Was in manchen Momenten aussah, wie eine Mauertaktik, war in Wahrheit ein ausgeklügeltes System. Ancelottis Devise: Wenn Real den Ball gewinnt, geht es per Überfallkommando nach vorne. Dort verfügt seine Mannschaft mit den Höllenhunden Ronaldo, Gareth Bale, Karim Benzema und Angel di Maria eine solche Wucht und Präzision, dass die Bayern phasenweise wie tapsige Statisten durcheinander purzelten. "Es war ein perfektes Spiel", freute sich Ancelotti, "wir haben fantastisch zusammengearbeitet: Auch Bale und Cristiano haben sich aufgeopfert fürs Team."

Schnurstracks Richtung "La Decima"

Der 54-Jährige genoss den Moment und nutzte die Bühne für ein paar Erklärungen in eigener Sache. "Wir haben früher mehr Tore bekommen und hatten Probleme mit dem Umschaltspiel. Daran haben wir gearbeitet, jetzt zeichnet uns eine enorme Balance aus." Ein kleiner Seitenhieb Richtung Mourinho, der zwar einen "überaus professionellen Kader hinterließ" (Ronaldo), aber eben keine erfolgreiche Spielidee. Mit der neuen Philosophie spurten die Madrilenen nun also schnurstracks Richtung "La Decima", jenem ersehnten zehnten Königsklassen-Titel der Vereinsgeschichte.

"... Und ab nach Lissabon!!" titelte entsprechend euphorisch Marca, das Hausblatt Reals, um sich dann genüsslich an Karl-Heinz Rummenigges Wunsch nach den "brennenden Bäumen" abzuarbeiten. Der Bayern-Vorstandsboss hatte sich im Stadion eine besondere Stimmung gewünscht - die Zeitung stellte nun fest, dass "Real einen Brand entfacht hat" und "die Bäume einfach abholzte".

Auch das Magazin As griff die Brand-Metaphorik auf und wusste zu berichten: "München hat gebrannt. Jetzt wartet la Decima!" Echtes Mitleid erfuhr dagegen Bayern-Trainer Pep Guardiola von Mundo Deportivo aus Barcelona, wo auf der ersten Seite groß das Wort "Schiffbruch" prangte.

Dass die Bayern diesmal mehr Schoßhündchen als Bestie waren, macht die Spanier stolz - das dokumentierten auch die Fragen der Reporter an Ronaldo und Ancelotti. Wie hast du das gemacht, Carletto, wollte einer wissen - und was bedeutet das für den königlichen Klub?

"Die Motivation liegt ja im Verein. Real wartet schon so lange auf la Decima, da musste ich die Spieler nicht mehr groß motivieren", antwortete der Trainer, "als ich hier her kam, spürte ich diese besondere Atmosphäre. Man merkt, wie wichtig die Champions League für Madrid ist." Molto importante eben. Italienisch, Portugiesisch, Spanisch - der Erfolg der Madrilenen wirkte in dieser magischen Nacht sprachübergreifend.

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