Real Madrid gegen FC Barcelona:Barça: Cruyffs Saat soll weiter sprießen

Real Madrid gegen FC Barcelona: So wurde Johan Cruyff im Wemdley-Stadion gehuldigt. Nun ist das Camp Nou an der Reihe.

So wurde Johan Cruyff im Wemdley-Stadion gehuldigt. Nun ist das Camp Nou an der Reihe.

(Foto: AFP)
  • Samstag (20.30 Uhr) treffen Real Madrid und der FC Barcelona im 264. El Clásico aufeinander.
  • Es ist das ersten Spiel für die Katalanen nach dem Tod von Klub-Legende Johan Cruyff.
  • Barça ist favorisiert wie selten zuvor. Dazu steht Lionel Messi vor dem 500. Pflichtspieltreffer in seiner Karriere.

Von Javier Cáceres

Das Hemd, das Johan Cruyff damals trug, ist noch gut erhalten. "Match worn shirt" würde man in der Devotionalien-Fachsprache heute sagen, passender wäre: Reliquie. Das Jersey, um das es geht, zog Cruyff am 17. Februar 1974 aus, in der Kabine des Estadio Santiago Bernabéu von Real Madrid, und übergab es Ángel Mur, der dem FC Barcelona erstmals als Masseur diente.

Ángel Mur trat ein veritables Erbe an: So wie er selbst jahrzehntelang die Muskeln der Barça-Profis kneten sollte, hatte es zuvor sein Vater getan. Auch deshalb wusste Mur jr. um die Bedeutung von Trophäen, nur deshalb ist das burgund-rot-blau gestreifte Hemd mit der Nummer 9 nun im Barça-Museum zu sehen.

Als Erinnerung an jenen 17. Februar, den Tag, an dem Cruyff "mehr für die Empfindungen des katalanischen Volks tat als die Politiker in jahrzehntelangem Kampf" gegen die dahinsiechende Franco-Diktatur, wie die New York Times notierte. Denn der FC Barcelona siegte an jenem 17. Februar in Madrid. Mit 5:0.

Es ist, als habe Cruyff seinen letzten Atemzug mit einem Sinn fürs Detail ausgehaucht

Dass das "Händchen", wie Siege mit fünf Toren in Spanien genannt werden, nun wieder in aller Munde ist, liegt einerseits daran, dass Cruyff am vergangenen Donnerstag verstarb. Und andererseits daran, dass Barça am Samstag um 20.30 Uhr Real Madrid in der spanischen Liga empfängt. Dass ausgerechnet diese Begegnung das erste Spiel seit dem Tod des Hohepriesters des barcelonismo sein wird, ist von hoher Subtilität: Es ist, als habe Cruyff seinen letzten Atemzug mit einem grandiosen Sinn fürs Detail ausgehaucht. Als habe er ein ohnehin von Symbolik überfrachtetes Spiel mit einer zusätzlichen, sentimentalen Note versehen wollen.

Schon seit Tagen debattiert Barcelona, wie eine geeignete Hommage an den großen Cruyff aussehen könnte. Beziehungsweise: Wie sie weitergehen könnte. Zwischen Samstag und Dienstag defilierten mehr als 40 000 Menschen an einer eigens eingerichteten Cruyff-Gedenkstätte im Camp Nou; Politiker waren darunter, Fußballer, Fans. Sogar Florentino Pérez und Rafael Nadal, der eine Präsident, der andere bekennender Fan von Real Madrid, zollten vor Ort Tribut.

"Die beste Hommage ist, den Clásico zu gewinnen"

Am Montag beschloss Barças Präsidium, neben der protokollarischen Schweigeminute im Stadion ein Mosaik aus 90 000 Pappschildern zu arrangieren: "Gràcies Johan", wird auf der Gegentribüne zu lesen sein, ein Schriftzug umrahmt von gelbroten und burgundrot-blauen Elementen, den Farben Kataloniens und Barças. Der gleiche Satz wird auf den Shirts der Barcelona-Spieler zu lesen sein und vor allem: in ihren Herzen.

"Die beste Hommage ist, den Clásico zu gewinnen", sagt Kapitän Andrés Iniesta. Und griff im Grunde selbst damit zu kurz. Am anderen Ende der Welt, in Argentinien, meldete sich César Luis Menotti zu Wort, einer der großen Philosophen des Fußballs, Weltmeistertrainer von 1978, Barça-Coach in den 80er Jahren. Er meinte, dass die einzig würdige Huldigung darin bestehe, Cruyffs Saat weiter sprießen zu lassen.

"Mit seinem Tod geht uns nichts verloren, denn Cruyff ist durch sein Wort präsent. Durch eine revolutionäre Botschaft, die viele Schüler hat, unter ihnen Pep Guardiola", sagte Menotti. "Die beste Hommage, die man Cruyff machen kann, ist es, ihn über seine Ideen, seine Überzeugungen, über all das, was er der Geschichte des FC Barcelona eingeimpft hat, gegenwärtig zu halten." Deshalb sollte man "seine Sätze über das ganze Stadion verteilen, damit die Fußballer sie nicht vergessen".

Barça ist favorisiert wie selten zuvor

Andererseits: Auch ohne Symbolik klappt's ja gerade ganz gut. Titelverteidiger Barcelona führt Spaniens Liga unangefochten an, Real Madrid ist Tabellendritter. Und auch wenn Clásicos stets den Keim der Überraschung in sich tragen, ist Barça vor diesem 172. Liga-Klassiker favorisiert wie selten zuvor.

Seit der Saison 2012/13 hat Real kein Spiel mehr im Camp Nou gewonnen, damals war José Mourinho noch Trainer in Madrid. Die laufende Spielzeit hingegen spricht nach 30 Runden deutlich für die Katalanen. Auch wenn Barcelona und Real Madrid ähnlich viele Tore (86:87) aufweisen, ist Barcelona in der Liga derart enteilt, dass sie sich bei Real längst auf die Champions League konzentrieren, dort steht in der kommenden Woche das Hinspiel im Viertelfinale beim VfL Wolfsburg an.

In Zahlen: Barcelona hat in dieser Ligasaison 24 Siege und damit vier mehr errungen als Real, unter ihnen das 4:0 vom November in Madrid. Jene Pleite wurde in Madrid als solche Peinlichkeit empfunden, dass sie letztlich das Aus für Trainer Rafa Benítez bedeutete, der von der Real-Legende Zinedine Zidane abgelöst wurde. Allein: Genützt hat der Wechsel nicht so viel. Barças Vorsprung auf den Tabellendritten Real Madrid beträgt nun 10 Punkte.

Die Barça-Spieler sind heiß auf Madrid wie selten zuvor

Zidane wird wieder seinen Paradesturm aufbieten, die berühmte "BBC"-Sturmreihe, die aus Benzema, Bale und Cristiano Ronaldo besteht. Nur, ein gutes Omen ist das nicht unbedingt - alle drei Spiele gegen Barça, in denen die "BBC" auf dem Platz stand, gingen verloren. Seit die drei Offensivkräfte in Madrid unter Vertrag stehen, hat Real überhaupt nur zwei Siege gegen den Erzfeind holen können: im Pokalfinale von 2014 (ohne Ronaldo) und vergangene Saison im Bernabéu-Stadion (ohne Bale). Und bei Barça stehen nicht nur alle relevanten Spieler zur Verfügung. Sie sind auch noch heiß auf Madrid wie selten zuvor.

Es kommt nicht von ungefähr, dass sich die meisten Barça-Profis in dieser Woche bei ihren Nationalmannschaften eher schonten. Iniesta, Busquets und der frühere Schalker Ivan Rakitic spielten gar nicht, Piqué, Mascherano, Neymar nur ein bisschen. Nur Lionel Messi spielte in Chile und gegen Bolivien für Argentinien und schraubte dabei sein persönliches Torkonto auf 499 Pflichtspieltreffer.

"Es wäre schön, gegen Real Madrid das Fünfhundertste zu schießen", sagte er. Als wäre das nicht genug, um die Stimmung anzuheizen, kramte das Sportblatt El Mundo Deportivo ein Foto hervor, auf dem Messi mit einem Barça-Trikot posiert, das mit der "500" beflockt war. Es entstand aber aus Anlass von Messis 500. Spiel.

Sollte Messi die 500 wirklich voll machen, könnte der Samstag als ähnlich epochales Datum in Erinnerung bleiben wie jener 17. Februar, der den Kalender umwälzte. In dem Buch "366 Geschichten des Weltfußballs" von Alfredo Relaño heißt es, das Jahr 1974 sei in Barcelona umgetauft worden. In "Neunzehnhundertfünfzunull".

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