Real Madrid:Gareth Bale hat ein Problem: Ronaldo

  • Für die Investition von 100 Millionen Euro Ablöse für Gareth Bale hat Real Madrid von dem Waliser noch nicht sehr viele Tore gesehen.
  • Das Problem: Im Offensivspiel der Madrilenen nimmt Cristiano Ronaldo die alles überstrahlende Stellung ein.
  • Viele Fans wollen sogar, dass Bale künftig häufiger auf der Bank sitzt.

Von Javier Cáceres, Madrid

Carlo Ancelotti ist ein Mann alter Schule, und mit manchen Dingen der neuen Fußballwelt hat er ein Problem. Vor ein paar Jahren begab es sich, dass er der heutige Coach des FC Bayern bei Real Madrid Trainer war und sich der teuerste Spieler des Teams, der Waliser Gareth Bale, über seinen Berater beim Präsidenten Florentino Pérez ausweinte. Der Grund: Er spiele auf der falschen Position.

"Früher gab es so etwas nicht", sagte Ancelotti, nachdem er die Episode in seiner Autobiografie ausgebreitet hatte, in einem Interview. "Ich hatte, als ich Spieler war und ein Problem hatte, keinen Agenten, auf den ich vertrauen konnte. Ich hatte meinen Vater, meine Mutter, meine Frau oder meinen Trainer. Und wenn ich nicht zufrieden war, sagte mir meine Mamma: Dann rede mit deinem Trainer!"

An diesem Mittwochabend sehen sich Bale und Ancelotti wieder, in der Arena in München, aus Anlass des Viertelfinales der Champions League (20.45 Uhr im SZ-Liveticker). Für Bale ist es nicht nur ein besonderes Spiel, weil er seinen alten Trainer wiedertrifft. Der Waliser, der noch vor Cristiano Ronaldo als teuerster Transfer der Real-Madrid-Geschichte gilt, steht in Spaniens Hauptstadt immer wieder und immer stärker unter Zugzwang.

Gegen Atlético wird Bale ausgepfiffen

Anders als beim vorherigen Heimspiel gegen Alavés musste sich Gareth Bale am vergangenen Samstag, im Stadtderby gegen Atlético Madrid (1:1), zwar keine Pfiffe des Publikums im Bernabéu-Stadion anhören. Doch das dürfte in erster Linie dem Umstand geschuldet gewesen sein, dass das Publikum bei Real Madrid kein gesteigertes Interesse daran hatte, einen eigenen Spieler ausgerechnet gegen den Erzfeind bloßzustellen.

Andererseits: Ganz so schlimm wie gegen Alavés, als Bale in 90 Minuten auf 16 Ballverluste kam, war seine Leistung gegen Atlético nicht. Gleichwohl wurde er in der 80. Minute ausgewechselt. Und es gab kein Medium in Madrid, das anderntags nicht betonte, dass Bale viel eher hätte ausgewechselt werden müssen. Vor allem eher als Toni Kroos, der von Trainer Zinédine Zidane schon nach 76 Minuten in den Feierabend geschickt wurde. Das ist vor allem deshalb interessant, weil Bale bislang als sakrosankt galt - und die Einflussnahme des Klubs auf die Berichterstattung über Real Madrid enorm ist. Die einst aus dem Vorstand Real Madrids gesteuerte Mär von Gareth Bale als einem Cristiano Ronaldo der Zukunft findet keine Käufer mehr.

Und diese Geschichte ist ohne Ronaldo nicht zu erzählen; der Vergleich ist allgegenwärtig. Nicht nur, weil der Preis, den Real Madrid im Sommer 2013 für Gareth Bale an Tottenham Hotspur überwies, nahe der 100 Millionen Euro lag und somit jener Zahl glich, die Real Madrid 2009 an Manchester United für Cristiano Ronaldo überwies. Aber: Seit der Saison 2013, dem Jahr seiner Ankunft, ist Bale bei Real Madrid nie auch nur annähernd an die Produktivität Ronaldos herangekommen.

Besonders eklatant war der Unterschied in der Saison 2014/15. Während Ronaldo auf irrwitzige 48 Ligatreffer in 35 Spielen kam, erzielte Bale 13 Tore in 31 Partien. Auch in der laufenden Spielzeit sticht Ronaldo den Waliser locker aus. Obwohl er seit vier Spielen in der Liga ohne Torerfolg dasteht und auf die schlechteste Ausbeute seiner Karriere blickt, kommt Ronaldo auf 19 Tore in 24 Spielen. Bale steht bei sieben Treffern in 18 Partien - eine Allerweltsquote für einen derart teuren Kicker. Und es ist den madridistas nur ein schwacher Trost, dass der berühmte BBC-Sturm - Karim Benzema, Bale und Ronaldo - insgesamt zu wünschen übrig lässt. Das liegt auch daran, dass Bale nach einer zweieinhalbmonatigen Knöchelverletzung nach seiner Form sucht; seit seiner Rückkehr vor 50 Tagen hat er in 512 Minuten nur zwei Tore erzielt.

Real-Fans halten nur ein Tor von Bale für erinnerungswürdig

Am Samstag blieb BBC zum zweiten Mal in dieser Saison ohne Torerfolg (gegen Atlético traf der nunmehr verletzte Innenverteidiger Pepe). Seit 2013 kamen die drei noch in jedem Jahr auf mehr als 60 Prozent aller Pflichtspieltreffer Reals. In dieser Saison liegt die Quote bei 39 Prozent. Auch Präsident Pérez hat sich schon bei Trainer Zidane erkundigt, woran das wohl liege. Zidanes Antwort: Bei Ronaldo habe der körperliche Verschleiß eingesetzt. Doch er gilt bei den Fans weiterhin als unantastbar.

Bale hingegen hat nur ein Tor erzielt, das die erfolgsverwöhnten Madrid-Anhänger für erinnerungswürdig halten: Es war der Treffer aus dem spanischen Pokalfinale 2014 gegen Barcelona.

Bei jenem Tor zeigte sich auch, was Bale am meisten braucht, um alle seine Tugenden auszuschlachten: Raum. Es war ein 60-Meter-Sprint, bei dem er dem heutigen Dortmunder Verteidiger Marc Bartra spektakulär niederspurtete, obwohl er sogar das Rasenrechteck verlassen musste, um Bartra zu überholen. Raum aber bekommt er bei Spielen mit Real nur selten geboten. Viele Teams stehen gegen Real Madrid besonders tief. Und in Reals Angriffsspiel beansprucht Ronaldo sozusagen 50 Prozent des verfügbaren Platzes - auf der Seite, die der Linksfuß Bale als sein angestammtes Revier betrachtet: links vorne. Ronaldo hält das für nicht verhandelbar. Er kommt lieber über links, um mit seinem stärkeren rechten Fuß zum Abschluss zu kommen - ähnlich wie Linksfuß Arjen Robben beim FC Bayern auf der rechten Seite.

Das erklärt auch, warum Bale bei Real Madrid nicht der gleiche dominierende Spieler ist, der Wales bei der Europameisterschaft in Frankreich 2016 bis ins Halbfinale gegen den späteren Europameister Portugal ins Halbfinale führte (0:2). In der walisischen Nationalelf war Bale der unumstrittene Anführer, der Spieler, nach dem das ganze System ausgerichtet wurde, der Planet, um den alles kreiste. Bei Real Madrid wollte er das seinerzeit auch erreichen - zumal er das Gefühl hatte, dass er weniger Bälle bekam als Ronaldo und mehr als dieser nach hinten arbeitete. Bale glaubte offenbar, siehe oben, Ancelotti über die Schiene "Vereinspräsident" beeindrucken zu können, doch Ancelotti zeigte sich ungerührt. Er stellte Bale zur Rede und erhielt eine überraschende Antwort: Er habe mit seiner Position überhaupt kein Problem.

Wenn das stimmen sollte, darf man sich für ihn freuen. Denn unter Zidane füllt er immer noch die gleiche Rolle aus, jene auf der rechten Angriffsseite. Unter den Anhängern Madrids allerdings gewinnt der Gedanke Freunde, dass Real Madrid ohne die BBC, mit nur zwei Angreifern, besser spiele als mit den drei Superstars. Und sogar mehr Spiele gewinnt (76 Prozent) als mit der BBC (70 Prozent). Längst werden Umfragen in Auftrag gegeben, auf welchen Stürmer Trainer Zidane verzichten sollte. Und da ist Bale unangefochtener Spitzenreiter.

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