Champions League:Spaniens Fußball-Dominanz ist eine Frage der Kultur

Champions League: Zinedine Zidane (re.) und Sergio Ramos haben im europäischen Klubfußball (und auch sonst) alles gewonnen.

Zinedine Zidane (re.) und Sergio Ramos haben im europäischen Klubfußball (und auch sonst) alles gewonnen.

(Foto: AP)

Warum gewinnen Real Madrid, Atlético oder Barça so viele Titel im europäischen Fußball? Ihre Hegemonie hat viele Gründe. Einer der wichtigsten hat mit der Ausbildung zu tun.

Kommentar von Javier Cáceres

Vor wenigen Tagen sagten zwei Fußballer ihren Stammklubs "Adiós", die zu Ikonen ihres Landes wurden. In Fernando Torres verabschiedete sich der Schütze des Finalsiegtors der Europameisterschaft 2008 von Atlético Madrid; Torres hatte in Wien für den ersten internationalen Titel Spaniens der Moderne gesorgt. Und in Andrés Iniesta kehrte ein Mann dem FC Barcelona den Rücken, der Spanien 2010 zum ersten Weltmeistertitel verhalf (und auch am EM-Titel 2012 maßgeblich beteiligt war). Auf Ebene der Nationalteams fand das spanische Imperium bei der WM 2014 ein jähes Ende, es zerfiel bereits in der Vorrunde.

In Europas Klubwettbewerben allerdings hält die Tyrannei an. Und wie: Nachdem Atlético Madrid jüngst im Europa-League-Finale siegte, bietet sich Spanien an diesem Samstag die Chance, zum vierten Mal seit 2014 die beiden wichtigsten europäischen Vereinstrophäen zu holen, denn ins Finale der Champions League in Kiew zieht Titelverteidiger Real Madrid gegen den FC Liverpool als Favorit. Tyrannei? Tja: Liverpool wäre der erste nicht-spanische Königsklassen-Sieger seit dem FC Bayern München 2013.

Die spanische Hegemonie ist in der Geschichte des europäischen Fußballs ohne Beispiel. Sie lässt das erste rein spanische Champions-League-Finale - Real Madrid gegen FC Valencia (3:0) im Mai 2000 - im Nachhinein wie den Vorboten einer epochalen Dominanz wirken. Den europäischen Supercup eingerechnet, haben die Spanier seit Jahrtausendbeginn 29 von 55 kontinentalen Trophäen geholt, England steht an zweiter Stelle mit acht Erfolgen. Die Spanier stellten im selben Zeitraum neun Champions-League- und neun Europa-League-Sieger. Zum Vergleich: Die Bundesliga kommt zeitgleich auf zwei Königsklassentriumphe (FC Bayern 2001, 2013), entführte aber nicht einmal die Europa-League-Trophäe.

Woher Spaniens Monopolstellung rührt, die konterkariert, dass etwa die englische Premier League weitaus mehr Geld bewegt? Nun, arm sind Real Madrid und der FC Barcelona nicht, im Gegenteil.

Aber: Viele Teams aus der zweiten Reihe Spaniens, allen voran der FC Sevilla, nehmen die Europa League ernster als die Klubs aus England oder Deutschland.

Es gibt zudem Faktoren, die mitunter erstaunen. Das Losglück zum Beispiel; oder auch bemerkenswerte Pfiffe von Schiedsrichtern. Zahlreiche belegte spanische Dopingskandale, aus dem Radsport oder der Leichtathletik, werfen einen Schatten des Verdachts auch über den spanischen Fußball - wobei ein solcher auch auf anderen Ligen lastet.

Jenseits davon aber ist die spanische Dominanz im Fußball eine Frage der Kultur. In einem Land mit einer Bildungskrise, die an einer horrend hohen Jugendarbeitslosigkeit abzulesen ist, hat sich der Fußball zur einzigen Industrie entwickelt, in der die Ausbildung maximal gepflegt wird. Natürlich finanzieren die Großklubs Real, Barcelona und Atlético Heroen wie Ronaldo, Messi oder Griezmann. Aber die Überlegenheit spanischer Profis in Technik und Taktik sticht ins Auge. Parallel dazu hat sich die dortige Trainerakademie zu einer Art Harvard des Fußballs entwickelt, zumindest für die spanischsprachige Welt.

Der Effekt lässt sich in der Liga beobachten. Vordergründig herrscht dort ein unangreifbares Duopol; der FC Barcelona und Real Madrid haben seit 2000 gleich 16 von 20 Titeln gewonnen. Im Grunde aber gibt es kein Team mehr, das nicht versuchen würde, den Granden fußballerisch beizukommen. Das hält diese unter größerer Spannung, als es die Tabelle vermuten lässt. Und die neuen Iniestas stehen bereits Schlange: Seit Einführung der Uefa-Youth-League 2013, dieser Champions League für den Nachwuchs, haben die Talente des FC Barcelona bereits zwei von fünf Titeln geholt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: