Real Madrid:"Ancelotti, stell Bale auf!"

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Sollte seine Aufstellung ändern: Carlo Ancelotti, früher Trainer bei Real Madrid, heute Coach des FC Bayern.

(Foto: AFP)
  • Die Ermittlungen zu einem großen Korruptionsfall in Spanien legen offen, wie Real Madrid mit den Medien kungelte.
  • Im Detail geht es um die Zeitung diariobernabeu.com, die 2013 gegründet wurde.
  • Auch der heutige Bayern-Trainer Ancelotti wurde ein Opfer dieser Politik: Ihm sollte die Aufstellung der Mannschaft diktiert werden.

Von Javier Cáceres

Ermittlungen zu einem großen Korruptionsfall in Spanien ("Operación Púnica") haben kuriose Details zur Öffentlichkeitsarbeit von Real Madrid offengelegt. Wie eldiario.es berichtet, belegen zahlreiche SMS-Nachrichten, dass Real Mittel bereitgestellt hat für eine nach außen unabhängig erscheinende, mittlerweile eingestellte digitale Zeitung, die unter anderem Kampagnen gegen Schiedsrichter lostrat, bei Transfergeschäften im Sinne des Klubs berichtete - und auch aktiv den früheren Trainer Carlo Ancelotti unter Druck setzte.

Dies geschah nach Aktenlage teils mit Billigung, teilweise sogar auf Weisung von Real-Präsident Florentino Pérez, einem der größten Bauunternehmer Spaniens. Pikant daran auch: Ancelotti ist jetzt Trainer beim FC Bayern, dem Champions-League-Viertelfinalgegner von Real im April.

Die Zeitung diariobernabeu.com wurde 2013 von Alejandro de Pedro aus dem Boden gestampft, der als einer der wichtigsten Drahtzieher in der Púnica-Affäre gilt. Sie erschütterte die regierende konservative Volkspartei PP bis ins Mark. Nach bisherigen Erkenntnisse flossen für Bau- und Dienstleistungsverträge im Umfang von mehr als 250 Millionen Euro Schmiergeldbeträge an Politiker; im Herbst 2014 wurden bei einer spektakulären Razzia 51 Personen vorläufig festgenommen.

Die Behörden tragen die Beweisstücke zusammen

Pérez selbst relativierte die Bedeutung von diariobernabeu.com vor Monaten - bei einer Zeugenbefragung vor dem Obersten Gerichtshof Spaniens, der ihn wegen des Vertrags mit de Pedro befragte. Die Zeitung sei "ein bedeutungsloses Thema", nur "eine von Tausenden", die es zu Real Madrid gebe, zitierte El Confidencial aus der Vernehmung. Pérez versicherte auch, dass die Zeitung nicht vom Verein, sondern von de Pedro verantwortet worden sei.

Die von den Behörden zusammengetragenen Beweisstücke lassen aber auch eine andere Interpretation zu. "Supernachricht, ich habe gerade einen Supervertrag mit Florentino (Pérez) geschlossen. Oeoeoeoeoeoeoe oeoeoe", schrieb de Pedro an einen Manager der französischen Geschäftsbank Societé Génerale. Ziel des Vertrags war: Das Image von Real in sozialen Netzwerken in Spanien und anderen Ländern zu verbessern. Laut eldiario.es zahlte der Klub dafür 300 000 Euro. Die Dienste gingen aber offensichtlich über die Pflege von Zwitscher-Acccounts hinaus.

So wurde diariobernabeu.com auch aktiv, um den früheren Trainer Ancelotti - offensichtlich im Sinne von Pérez - in der Saison 2013/14 dazu zu bewegen, den 99-Millionen-Euro-Einkauf Gareth Bale häufiger einzusetzen. In einer SMS an Pérez kündigte de Pedro am 16. Januar 2014 das Erscheinen eines Meinungstextes an, Überschrift: "Ancelotti, stell Bale auf!" - "Präsi, gleich hauen wir es raus, ich schick's Dir", schrieb De Pedro an Pérez. "Morgen wird der Trainer in der Presse dazu gefragt."

Differenzen über die Rolle von Gareth Bale

Anderntags teilte de Pedro Pérez mit, dass man den Artikel "so geändert" habe, "wie Du es erbeten hast". In der Pressekonferenz wurde Ancelotti tatsächlich zu Bale befragt - vom Chefredakteur von diariobernabeu.com, Javier Iglesias: "Ist es nicht ein übertriebener Luxus, dass Gareth Bale, anders als Cristiano Ronaldo, nicht immer in der Startelf steht?" De Pedro berichtete davon umgehend Pérez. "Gut", antwortete Reals Präsident. Ancelotti hat im Zuge der Veröffentlichung seiner Autobiografie bestätigt, dass Pérez ihm antrug, Bale eine zentrale Rolle zu geben - nach Intervention von Bales Berater. Er sei zwar vor allem von Bale enttäuscht gewesen, "aber der Präsident hätte dem Agenten sagen müssen: Warum spricht Bale nicht direkt mit dem Trainer?", sagte Ancelotti. Die Differenzen über die Rolle von Bale gelten als einer der Gründe, die 2015 zur Absetzung von Ancelotti als Trainer führten.

Manchmal warf Pérez aber auch das Lasso aus, um die Zeitung wieder einzufangen. So etwa im Zuge der Verpflichtung des spanischen Mittelfeldkünstlers Isco, der seinerzeit beim FC Málaga spielte. "Alex, schreibt nicht im Diario Bernabéu, dass halb Europa hinter Isco her ist, denn abgesehen davon, dass es nicht stimmt, wird uns das Probleme bereiten." - "In Ordnung, wird sofort rausgenommen", antwortete de Pedro - und bat den "Präsi" um genauere Instruktionen, "was erscheinen soll und was nicht". Man habe die Zahl von "zwei Millionen Besuchern übertroffen, so dass alles, was erscheint, seine Auswirkung auf die madridistas hat".

Zu spüren bekamen das auch Schiedsrichter. So wurde de Pedro von einem hochrangigen Mitglied der Presseabteilung von Real für einen Artikel belobigt, der unter der Dachzeile erschien: "Real ist gewohnt, gegen den FC Barcelona zu zehnt zu spielen." - "Großartige Arbeit", schrieb Reals Presseoffizier, und fügte hinzu: "Ich umarme Dich."

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