Reaktionen auf Kießlings Phantomtor:"Chance für Fairplay vertan"

Reaktionen auf Kießlings Phantomtor: Ralf Rangnick kritisiert Stefan Kießling nach dessen Phantomtor gegen Hoffenheim.

Ralf Rangnick kritisiert Stefan Kießling nach dessen Phantomtor gegen Hoffenheim.

(Foto: AFP)

Die Bundesliga streitet weiter: Hätte Stefan Kießling sein Nicht-Tor beim Schiedsrichter selbst anzeigen sollen? Der frühere Bundesliga-Trainer Ralf Rangnick kritisiert Leverkusens Stürmer für sein Verhalten. Doch es gibt auch eine Menge Unterstützung für den Phantom-Torschützen.

Hätte Stefan Kießling die Anerkennung seines Phantomtors verhindern können, sollen - oder gar müssen? Das diskutieren Fans und Experten der Fußball-Bundesliga. Was der Leverkusener Torjäger nach der Szene zu Schiedsrichter Felix Brych gesagt hat, wird wohl erst vor dem DFB-Sportgericht herauskommen. Unmittelbar nach dem Spiel vom Freitagabend hatten nicht einmal die Hoffenheimer Kießling zum Sündenbock gemacht. Aber jetzt werden auch kritische Stimmen laut.

Der langjährige Bundesliga-Trainer Ralf Rangnick bemängelte als einer der wenigen offen das Verhalten Kießlings. "Alles, was direkt nach dem Kopfball passiert ist - die ganze Körpersprache, die ganze Gestik, die Mimik - deuten darauf hin, dass er klar gesehen hat, dass der Ball vorbei gegangen ist. Und ich denke, er hat eine große Chance vertan, wirklich auch was für Fairplay zu tun", sagte der Sportdirektor von RB Leipzig und RB Salzburg am Sonntagabend in der SWR-Sendung Sport im Dritten. Im Internet konnte Kießling wüste Beleidigungen lesen und wehrte sich auf seiner Facebook-Seite: "Ich würde mir wünschen, dass einige mit ein wenig Abstand noch mal auf ihren Kommentar schauen, ob diese Art der Beschimpfung und Pöbelei hier angebracht ist."

Rudi Völler verteidigte seinen Profi vehement. "All die Schlaumeier, die auf Kießling rumhacken, sollen in den Spiegel schauen und mal auf dem eigenen Hof kehren. Stefan hat noch nie ein Schwalbe gemacht. Ich kenne keinen anständigeren Spieler als ihn", sagte Leverkusens Sportdirektor in der Bild-Zeitung. Auch Thomas Helmer, der 1994 mit einem Phantomtor für den FC Bayern München für Aufsehen gesorgt hatte, sprang Kießling bei: "Er ist ja ein richtiger Sportsmann ohne Nickeligkeit, so wie ich es auch war."

Kießling hatte bei Bayers 2:1-Sieg einen Treffer zum 2:0 zugesprochen bekommen. Dabei war sein Kopfball am Pfosten vorbei gegangen und durch ein Loch im Netz im Tor gelandet. Dies zeigten die Fernsehbilder. Schiedsrichter Felix Brych hatte Kießling nach der Szene kurz befragt, das Tor aber gegeben. Der Spieler selbst sagte, er habe "nicht genau gesehen", was mit dem Ball passiert ist. An das Gespräch mit Brych konnte oder wollte er sich nicht genau erinnern. Genau darauf und auf die Tatsache, dass fast zwei Minuten bis zum Anstoß vergangen waren, verwies jetzt der frühere Hoffenheimer Chefcoach Rangnick.

"Und spätestens da wird es dann ein bischen komisch. Ich denke, Stefan wusste ganz genau, dass der Ball vorbeigegangen ist. Aber nicht jeder entscheidet dann wie Miro Klose in Italien, der dann zugegeben hat, dass der Ball nicht drin war. Aber das muss man auch verstehen."

Hoffenheims Trainer Markus Gisdol hatte nach dem Abpfiff erklärt: "Wir machen ihm überhaupt kein Vorwurf." Kießling hatte sich nach seinem Kopfball abgewendet und verärgert an den Kopf gefasst. Es gab allerdings noch andere Bayer-Akteure, die gesehen haben könnten, dass der Ball zunächst am Außenpfosten vorbeigegangen war - zum Beispiel Stefan Reinartz und Sidney Sam.

Reinartz sagte im Kölner Stadtanzeiger, auf die Frage, ob man von einem Profi verlangen kann, ein Tor zurückzunehmen, wenn er weiß, dass es regelwidrig war: "Nein, das kann man nicht verlangen. Auch da ist wieder das Problem, wo man anfängt. Dann müsste ich bei jedem Einwurf, der vielleicht nicht richtig war, zum Schiedsrichter gehen und sagen, dass das eine Fehlentscheidung war." Auch der frühere Nationalmannschaft-Kapitän Michael Ballack geht davon aus, dass einige Leverkusener die Szene mitbekommen haben. "Als Spieler nimmt man so was mit, wenn man nicht deutlich darauf angesprochen wird. Das ist wie bei einem Elfmeter, der keiner war", sagte er dem TV-Sender Sky.

Leverkusen würde Wiederholungsspiel akzeptieren

Unterdessen hat Bayer Leverkusen bekannt gegeben, sich im Streit um das Phantom-Tor der sportlichen Rechtsprechung zu beugen und auch ein Wiederholungsspiel zu akzeptieren. "Wir werden keinen Einspruch einlegen", betonte Bayers Kommunikationschef Meinolf Sprink auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa am Montag.

Sprink wies allerdings auf einen Punkt hin. "Zum Zeitpunkt des Tores haben wir 1:0 durch Sidney Sam geführt. Und das Tor haben wir uns nicht geklaut. Wir waren im Vorteil", sagte Sprink. So sei der Vorschlag von Rudi Völler, die letzten 20 Minuten wiederholen zu lassen, durchaus ernst und gerecht. Dass Stefan Kießling nun in den Mittelpunkt der Diskussionen rückt, findet man bei Bayer nicht okay. "Keine der beteiligten Parteien hat zur Erhellung beigetragen", sagte Sprink. Kießling werde sich jetzt bedeckt halten.

Der renommierte Sportrechtler Christoph Schickhardt räumt der Argumentation der Hoffenheimer in der juristischen Auseinandersetzung derweil keine Chance ein. "Zweifel des Schiedsrichters auf dem Weg zur Entscheidung sind unerheblich", sagte der Jurist bei Sky. TSG-Profifußball-Leiter Alexander Rosen hatte den Einspruch gegen die Wertung des Spiels mit den von Schiedsrichter Brych geäußerten Zweifeln an der Entscheidung begründet. Aus diesem Grund fordern die Hoffenheimer ein Wiederholungsspiel.

"Wir berufen uns auf einen Regelverstoß des Schiedsrichters. In den Statuten steht: Ein Tor darf nicht gegeben werden, wenn Zweifel bestehen. Und Felix Brych hat im Interview nach dem Spiel Zweifel an seiner Entscheidung geäußert - und das fechten wir an", sagte Rosen. Für Schickhardt ist klar, dass das DFB-Sportgericht nur drei mögliche Urteile fällen kann. "Entweder das Ergebnis bleibt oder das Spiel wird wiederholt oder es wird anders gewertet", sagte der Sportrechtler. Den Vorschlag des Leverkusener Sportdirektors Rudi Völler, das Spiel ab der fraglichen Szene in der 70. Minute wiederholen zu lassen, bezeichnete Schickhardt als "völlig ausgeschlossen".

Beruhigende Nachrichten gibt es indessen für Schiedsrichter Felix Brych, der nach seiner unglücklichen Entscheidung am Freitag arg geknickt gewirkt hatte. Bei seinem nächsten Auftritt in der Champions League am Dienstag bestehen von Seiten der Beteiligten des FC Barcelona keine Bedenken, dass es erneut zu Problemen kommt. Barça hält es für ausgeschlossen, dass dem Deutschen in der Partie beim AC Mailand erneut ein Missgeschick unterläuft. "So etwas ist eine Ausnahme unter den Ausnahmen", sagte der Manager des spanischen Fußballmeisters, Andoni Zubizarreta am Montag vor der Abreise nach Mailand.

"In der Champions League steht zudem ein Assistent des Schiedsrichters neben dem Tor. Ich habe eine solche Szene einmal in einem Jugendspiel gesehen, danach nie wieder." Die Katalanen haben jedoch keine guten Erinnerungen an den Bundesliga-Referee. Brych hatte in der Saison 2011/2012 das Halbfinal-Hinspiel FC Chelsea gegen Barça (1:0) gepfiffen. Die Katalanen warfen dem Schiedsrichter damals vor, die harte Gangart der Engländer geduldet zu haben. Barça erreichte im Rückspiel nur ein 2:2, Chelsea zog ins Finale ein und gewann nach einem Elfmeterschießen im Finale gegen die Bayern den Titel.

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