Reaktion auf McLaren-Report:Auf Entzug

Der Bob- und Skeleton-Weltverband erntet viel Lob dafür, dass er seine WM nach den Enthüllungen über den systematischen Betrug im russischen Sport nicht in Sotschi ausrichtet. Die Entscheidung könnte beispielhaft wirken.

Von Volker Kreisl

Dass die Bob- und Skeleton-WM 2017 in Sotschi dem russischen Verband entzogen wird, war am Mittwochabend bekannt gegeben worden. Doch schon viel früher war klar, dass es nichts wird mit Sotschi. Denn beim Meeting während des Weltcups Anfang Dezember in Whistler hatten die Trainer ihren Ärger über die Zustände im russischen Sport offenbart, außerdem war die Buchungsfrist für die Hotels längst überschritten - und, so berichtet Thomas Schwab, der Sportdirektor des deutschen Verbandes: "Fast niemand hatte gebucht."

Am darauffolgenden Freitag wurde zudem der zweite McLaren-Report über das russische Dopingsystem veröffentlicht, in dem mehr als tausend Verdachtsfälle aufgezeigt werden, die Nachweise der Kommission der Welt-Anti-Doping-Agentur stehen auf mehr als 4000 Seiten im Internet. Der Druck wurde also immens, und der Internationale Bob- und Skeletonverband (IBSF) konnte gar nicht mehr anders: Die WM in Sotschi, dem Olympiaort von 2014, wo laut Wada-Erkenntnissen im berüchtigten Anti-Doping-Labor russische Doping-Proben durch ein Loch in der Wand ausgetauscht und durch saubere ersetzt wurden, diese WM wird also abgesagt und an einen anderen Ort verlegt. Wahrscheinlich wird dies der deutsche Bob- und Rodelstandort Königssee sein.

Reaktion auf McLaren-Report: Keine WM-Rennen: Die Bob- und Rodelbahn "Sanki" in Sotschi bleibt nach dem Skandal um den Doping-Betrug im russischen Sport verwaist

Keine WM-Rennen: Die Bob- und Rodelbahn "Sanki" in Sotschi bleibt nach dem Skandal um den Doping-Betrug im russischen Sport verwaist

(Foto: Jens Büttner/dpa)

Kurios: Auch die desavouierten Gastgeber sind angeblich froh, die Veranstaltung los zu sein

Die Entscheidung wurde von Sportlern, Verbandsfunktionären und Sportpolitikern als konsequent und mutig gelobt, obwohl die IBSF in ihrer Begründung dezidiert nicht sonderlich mutig war. Man vermied es, Stellung zu beziehen zum Kernthema Betrug, sondern rechtfertigte die Maßnahme damit, dass sie allen nutze, selbst den Russen: "Das IBSF-Exekutiv-Komitee war der Auffassung, dass es in dieser schwierigen Zeit nicht ratsam ist, eine solche Veranstaltung in Russland zu organisieren", heißt es. Der dortige Verband habe viel Arbeit in die WM investiert, aber das aktuelle Klima mache es unmöglich, diese "Leistungen wertzuschätzen".

Dies bot eine Vorlage, die der russische Verband gerne aufnahm: "Wir sind bereit, dieses Opfer zu bringen", heißt es in einer Mitteilung. Man habe die Umstände "in keinster Weise zu verantworten", aber es sei "unmöglich, ein echtes Sportfest zu organisieren". Chef des russischen Verbandes ist Alexander Subkow, Doppel-Olympiasieger von 2014. Nach Informationen der New York Times zählt er zu den Doping-Verdachtsfällen.

Jenseits von Russland wird die Entscheidung dagegen überwiegend begrüßt, und zwar als Statement gegen Systemdoping. "Ich bin so froh, dass unsere Stimmen gehört wurden und unser Sport beim Kampf gegen Doping mitmacht", sagte die Skeleton-Olympiasiegerin Lizzy Yarnold aus Großbritannien. Dagmar Freitag (SPD), die Vorsitzende des Bundestags-Sportausschusses, bezeichnet den WM-Entzug als "starkes Signal" an die Sportwelt. Die Entscheidung mache deutlich: "Konsequente Sanktionierung von Dopingvergehen funktioniert nicht durch sportpolitische Verbalnoten, hinter denen sich das IOC und sein Präsident Thomas Bach gerne verstecken."

Tatsächlich kommt vom Internationalen Olympischen Komitee für Einzelverbände kaum konkrete Hilfe bei der Entscheidungsfindung. Zwar erklärte ein IOC-Sprecher am Mittwoch, die Organisation begrüße die IBSF-Maßnahme, eine klare Haltung zu Staatsdoping wird aber vermieden. Der deutsche Bob- und Rodel-Sportchef Thomas Schwab beklagt offen: "Was uns fehlt, ist die Unterstützung vom IOC."

Die Bobfahrer sind ein vergleichsweise überschaubarer Verband, ihre Piloten sind wegen der hohen Kosten und der Verantwortung für ein Team aber kleine Unternehmer und gelten als - gelinde gesagt - meinungsstark. Das Stimmungsbild der Cheftrainer von Whistler war ja nichts anderes als die Wiedergabe der Klagen der Athleten und Anschieber. Als Erste hatte die Britin Lizzy Yarnold erwogen, die Sotschi-WM zu boykottieren. Die nächsten, die sich sorgten, waren die US-Bob-Fahrer. Sie formulierten Bedenken an der Professionalität bei Doping-Proben, der Integrität des Sicherheitspersonals und der Geheimhaltung persönlicher Daten. "Die Tatsache, dass nach dem Sotschi-Skandal nichts passiert ist und dass wir jetzt trotzdem da hinfahren sollen, gibt uns nicht das Gefühl, dass die Situation ernst genommen wird", sagte Skeleton-Fahrerin Katie Uhlander. Die Letten machten schließlich ernst. Ihre Skeletonfahrer mit Einzel-Weltmeister Martins Dukurs verkündeten nach dem McLaren-Bericht ihren WM-Boykott. "Genug ist genug", hieß es.

Die Absage war somit primär eine Idee der Basis, die Führungsebene der IBSF hat sie nur umgesetzt. Ob noch andere Sportfeste russischen Veranstaltern entzogen werden, könnte also von Mündigkeit und Streitbarkeit der Athleten abhängen. Der Biathlon-Weltverband IBU erlebte in Pyeongchang 2009 schon einmal eine WM, bei der außer über den Schneemangel fast ausschließlich über das soeben aufgeflogene systematische Doping im russischen Verband gesprochen wurde, der Sport trat in den Hintergrund. Entgegen der Empfehlung des IOC hat der Biathlon-Weltverband aber erst kürzlich die WM 2021 nach Tjumen/Russland vergeben.

Die IBSF erwartet nun Schadenersatzforderungen, russische Politiker haben diese bereits ins Gespräch gebracht. Dabei geht es wohl um einen höheren sechsstelligen Betrag, weil die WM schon sehr weit organisiert worden war. Weniger problematisch ist dagegen die Frage des Ersatzortes. Die Organisatoren in Königssee sind bereits kontaktiert worden, spätestens Ende der Woche soll eine Entscheidung fallen.

Russland will im Übrigen an den Titelkämpfen teilnehmen. "Ich kann ihnen die einhundertprozentige Garantie geben, dass wir die WM nicht boykottieren werden", versprach Verbandschef Subkow.

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