RB Leipzig und die Uefa:"Es bleiben zwei Kinder einer Familie"

Marcel Sabitzer Naby Keita Diego Demme v li RB Leipzig 1 Fussball Bundesliga Saison 2016 2017

Zwei der zahlreichen Spieler, die innerhalb der RB-Familie bereits von Salzburg nach Leipzig gewechselt sind: Marcel Sabitzer (links) und Naby Keita (Mitte).

(Foto: Christian Schroedter/imago)

Dürfen RB Leipzig und Red Bull Salzburg kommende Saison gemeinsam in der Champions League spielen? Oder verstößt das gegen Bestimmungen der Uefa? Ein Anwalt erklärt den Fall.

Interview von Sebastian Fischer

RB Leipzig, Tabellenzweiter der Bundesliga, wird sich sportlich für die Champions League qualifizieren, so viel steht fest. Doch ob RB wirklich teilnehmen darf, wird die Uefa erst noch entscheiden. Es geht um mögliche Verstöße gegen die sogenannte Financial-Fair-Play-Regel - und vor allem: gegen Artikel 5 der Uefa-Bestimmungen, die "Integrität des Wettbewerbs", wonach nicht zwei Klubs zeitgleich im Europapokal antreten dürfen, die in der Führung oder Verwaltung oder durch Besitzanteile miteinander verwoben sind. Denn auch Red Bull Salzburg, klarer Tabellenerster in Österreich, wird sich sportlich für die Qualifikationsrunde zur Champions League qualifizieren - ein Klub, der nicht nur wegen seines namensgebenden Sponsors eng mit RB Leipzig verwandt ist.

Bis vor zwei Jahren war Ralf Rangnick Sportdirektor beider Klubs und führte dasselbe Spielsystem ein, zahlreiche Spieler wurden zwischen den Vereinen transferiert, und bis vor Kurzem war Oliver Mintzlaff als "Head of Global Soccer" weltweit für alle Red-Bull-Fußballteams zuständig und hatte ein Büro in Salzburg; jetzt ist Mintzlaff nur noch Geschäftsführer in Leipzig. Während die Verantwortlichen Gelassenheit betonten, haben sie akribisch daran gearbeitet, die Bedingungen für eine Teilnahme zu erfüllen. Doch reicht das, um die Uefa zu überzeugen? Der Rechtsanwalt Thomas Dehesselles, Experte für Lizenzierungsfragen im Fußball, spricht über mögliche Sanktionen gegen RB.

SZ: Herr Dehesselles, spielt RB Leipzig in der kommenden Saison in der Champions League?

Thomas Dehesselles: Die Leipziger werden klug genug sein, die Voraussetzungen dafür zu schaffen.

RB Leipzig hat in den vergangenen Jahren mehr für Transfers ausgegeben als eingenommen und laut Jahresabschluss 2015 Verbindlichkeiten gegenüber Red Bull von 52,38 Millionen Euro. Verstoßen sie gegen das Financial Fair Play?

Ja, durchaus. Nicht mehr auszugeben als man einnimmt, das ist der Grundsatz. Die Regel sagt: Maximal fünf Millionen Euro Differenz sind im Bewertungszeitraum von drei Jahren erlaubt. Die Obergrenze liegt bei 30 Millionen Euro, wenn ein Anteilseigner für das Geld eintritt. Das ist in Leipzig der Fall, da stehen große Darlehen des Anteilseigners Red Bull zu Buche. Wären sie jetzt zum wiederholten Mal im Europapokal dabei, würden sie sanktioniert: Transfersperren, Kaderbegrenzung. Beim ersten Mal passiert im Regelfall nichts. Sie könnten die Auflage kriegen, einen Businessplan für ein paar Jahre zu erstellen, mit dem sie vorgeben, das Defizit mittelfristig abzutragen. Aber den werden sie in Leipzig in der Schublade haben.

Gravierender wäre ein Verstoß wegen der Zusammenarbeit mit Salzburg.

Die Uefa will ausschließen, dass zwei Klubs, die unter Kontrolle einer Person oder eines Unternehmens stehen, im selben Wettbewerb aufeinandertreffen. Die Kontrolle hat beispielsweise, wer mindestens 30 Prozent vom Etat trägt oder Anteilseigner ist. Leipzig ist eine Red-Bull-Tochter (Red Bull gehören 99 Prozent der Profifußball-GmbH und 49 Prozent der Stimmanteile, d. Red.). Aber in Salzburg ist Red Bull kein Anteilseigner mehr, hat dort nur noch einen gewöhnlichen Sponsorenvertrag (Alleingesellschafter ist der Verein, d. Red.). Die 30-Prozent-Grenze wird in Leipzig überschritten, aber in Salzburg vermutlich nicht mehr. Man verbietet Adidas ja auch nicht, Anteilseigner beim FC Bayern zu sein und gleichzeitig Real Madrid auszustatten.

Bleibt das mögliche Problem personeller Verflechtungen zwischen beiden Klubs.

Die Kontrolle hat auch, wer durch eine oder mehrere Personen in beiden Klubs das Sagen hat. Irgendjemand hat den Leipzigern auch das inzwischen erklärt. Es geht konkret um die Person Oliver Mintzlaff. Aber wenn er in Salzburg keine Entscheidungsgewalt mehr hat, ist das Konstrukt personell formell entflochten.

Formell, sagen Sie. Aber Leipzig und Salzburg bleiben ja zwei Red-Bull-Klubs.

Salzburg ist ein Geschöpf von Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz, und RB Leipzig genauso. Das bleiben zwei Kinder einer Familie, auch wenn sie volljährig sind. Und das macht keinen Spaß, auch der Uefa nicht. Aber die Uefa muss sich an ihren Regeln messen lassen. Einen so großen Markt wie diese Fußballwettbewerbe darf man als Monopolist nicht nach Bauchgefühl gestalten.

In der Vergangenheit haben zahlreiche Transfers die Kooperation beider Vereine veranschaulicht. Gerade hat der Nachwuchs von Red Bull Salzburg die Youth League gewonnen, die Champions League für Jugendmannschaften. Und Ernst Tanner, Chef der Salzburger Nachwuchs-Akademie, sagte dem Kicker, dass Leipzig "natürlich" die begehrten Talente anlocke. Deutet das nicht darauf hin, dass noch immer eng zusammengearbeitet wird?

Es ist eine ungeschickte Äußerung. Aber es dürfte nicht reichen, um eine Verflechtung zu unterstellen. Solange die Kooperation nicht formell manifestiert wird, solange sich die Klubs also nicht extrem ungeschickt verhalten und eine Vereinbarung treffen, ist die Uefa machtlos. Es ist ja nicht verboten, das Leipziger Spielsystem zu kopieren. Und Talente sind für jeden Klub interessant.

"Salzburg hat Leipzig intensiv zugearbeitet"

Doch eigentlich sieht jeder, dass in Leipzig und Salzburg zwei Klubs weiterhin auf eine Weise zusammenarbeiten, die im europäischen Fußball wohl einzigartig ist.

Salzburg hat Leipzig bisher sehr intensiv zugearbeitet. Es ist spekulativ, ob das in Zukunft so weitergehen wird. Aber Ralf Rangnick wird wahrscheinlich noch immer den ganzen Kader in Salzburg, bis hinunter zum Farmteam in Liefering, sehr genau beobachten. Und die Uefa wird durchaus nachprüfen, ob zu enge Verbindungen weiterhin bestehen.

Was wird die Uefa konkret tun?

Sie wird einen Fragenkatalog nach Leipzig schicken, und den wird RB beantworten und sich verpflichten müssen, nicht nur formell, sondern auch inhaltlich getrennt von Red Bull Salzburg zu agieren - und es dann hoffentlich auch tun. Die Uefa wird genaue Zuordnungen verlangen, wer in Salzburg Entscheidungen trifft und wer in Leipzig. So etwas wie beim Transfer von Bernardo aus Salzburg nach Leipzig im vergangenen Jahr - als Rangnick nach Verkünden des Wechsels sagte, die Modalitäten würden später geklärt -, das wird es nicht mehr geben, da bin ich mir ziemlich sicher.

Was ist denn der Stichtag, an dem die Verflechtungen nicht mehr bestehen dürfen?

Das ist so genau nicht festgelegt. Letztlich kommt es drauf an, dass die Integrität gewährleistet ist, wenn die Klubs aufeinandertreffen können. Der 30. Juni reicht.

Macht sich die Uefa nicht unglaubwürdig, wenn sie beide Klubs antreten lässt? Die Uefa wird ihr Regelwerk schärfen und nachbessern, das steht 2018 wieder an. Es wäre durchaus plausibel, dass ein Namenssponsor eines Klubs dann an einem anderen Klub nicht mehr mit mehr als zehn Prozent beteiligt sein darf, oder diesen nicht mehr maßgeblich finanzieren darf.

Könnte die Uefa nicht längst offen sagen, wie sie mit dem Fall umgeht?

Es liegt ja noch kein offizieller Antrag auf Teilnahme vor. Es ist zum Beispiel nicht ausgeschlossen, dass Red Bull Salzburg die Teilnahme gar nicht beantragt.

Die Aussagen aus Salzburg klingen allerdings nicht nach Verzicht. Glauben Sie, das wäre der letzte Ausweg?

Ein Verzicht wäre tragisch, aber das halte ich für eine realistische Option. Red Bull ist ja dabei, die Unterstützung in Salzburg zurückzufahren und Leipzig zu stärken. Unter Marketinggesichtspunkten ist in Österreich für Red Bull alles erreicht. So straff, wie bei Red Bull gearbeitet wird, halte ich es also für möglich, dass sie sich für den Besseren im Sinne des möglichen Erfolgs in der Champions League entscheiden, wenn abzusehen ist, dass es für beide nicht klappt. Aber in diesem Sommer dürfte es noch ohne einen solchen Schritt reichen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: