RB Leipzig:Ohnmacht in Überzahl

Bei Leipzigs 2:2 in Leverkusen gewinnen nur die Zuschauer - RB-Trainer Ralph Hasenhüttl muss erneut einen Platzverweis kompensieren. Da ihm dies die taktische Arbeit erschwert, will er seine Mannschaft vor der Champions-League-Partie gegen Monaco disziplinieren.

Von Ulrich Hartmann, Leverkusen

Fußball ist kein Eishockey; die relevanten Unterschiede beginnen bei der Spielfeld-Beschaffenheit und enden noch lange nicht beim Schuhwerk, der Behelmung, dem Spielgerät samt seiner Beförderung sowie bei Mannschafts- und Tor-Größe. So gibt es beim Eishockey extra eine Statistik für die sogenannten "Special Teams". Wer diese vehement trainiert, ist erfolgreicher im Über- und im Unterzahlspiel. Beides ist beim Eishockey bedeutsamer als beim Fußball, wo eine Special-Teams-Statistik nicht verwendet wird und wo in den Klubs das Überzahlspiel kaum geübt wird. Beim Bundesligisten RB Leipzig könnte der Trainer Ralph Hasenhüttl unbestätigten Spekulationen zufolge darüber nun aber nachdenken.

Bei Fußballspielen mit Leipziger Beteiligung ist es in den vergangenen Wochen besonders häufig zu Über- und Unterzahlsituationen gekommen, zu Platzverweisen nämlich infolge des Umstands, dass die ambitionierten Leipziger versuchen, ein Spieltempo ähnlich dem des Eishockeys zu etablieren. Dass bei hohem Tempo häufiger schwerwiegende Fehler passieren, weiß man vom Autofahren. Die Leipziger haben in dieser Saison bereits vier Platzverweise erhalten, ihre jeweiligen Kontrahenten drei. In insgesamt 149 Minuten Unterzahl haben die Leipziger zwar ein Tor selbst geschossen, aber gleich drei kassiert, wodurch die beiden Partien in Pokal und Bundesliga gegen den FC Bayern München verloren gegangen sind. In insgesamt 58 Minuten Überzahl in dieser Saison haben die Leipziger hingegen kein einziges Tor geschossen. Und am Samstag, beim 2:2 in Leverkusen, haben sie in einer 38-minütigen Überzahl sogar ein Gegentor zugelassen. Dieses hat sie am Ende den Sieg gekostet.

Ein Treffer in Unterzahl heißt beim Eishockey "shorthanded", man jubelt nämlich "unterbesetzt" und rühmt sich hinterher umso überschwänglicher seiner Moral. Dies taten die Leverkusener nach einem sehenswerten 2:2-Treffer per Seitfallschuss durch Kevin Volland (74.), 22 Minuten nachdem der erst zur Pause eingewechselte Benjamin Henrichs per Ellbogen einen Gegentreffer verhinderte und dafür Rot sah (52.).

Leipzigs Trainer Hasenhüttl hat sich darob und auch angesichts einer zwei Mal hergegebenen Führung kaum gegrämt. Er hat als Gewinner eines spektakulären Remis explizit die Zuschauer ausgemacht und sogar gewitzelt, man selbst habe zuletzt ja eher seltener in Überzahl gespielt und sei diesbezüglich "noch grün". In dieser Farbe gilt man im Deutschen gemeinhin als unausgereift. Schief geriet aber Hasenhüttls These, das zweieinhalb Mal so ausgiebig praktizierte Unterzahlspiel liege seiner Mannschaft mehr. Von drei Spielen mit Unterzahlphasen haben die Leipziger nämlich keins gewonnen, von dreien mit Überzahlphasen zwei gewonnen und in Leverkusen nun remisiert. Unterzahl lohnt sich im Fußball genauso selten wie im Eishockey.

Leipzig ist mit drei Platzverweisen Schlusslicht in der Fairplay-Tabelle, weil es zwei gelbe Karten mehr bekommen hat als die ebenfalls drei Mal dezimierten Freiburger. Mit der Disziplin seiner Spieler hat Hasenhüttl in sportstrafrechtlicher Hinsicht allerdings weniger Probleme als in taktischer. So beklagte er am Samstag die versäumte Ausnutzung der Überzahl durch eine Fehleranhäufung im Mittelfeld und will dieses Detail in der Spielvorbereitung auf die Champions-League-Partie bei AS Monaco thematisieren. "Für Dienstag muss ich da schon noch einmal den Finger in diese Wunden legen, denn wir müssen in Monaco ja gewinnen, um noch eine Chance aufs Achtelfinale zu haben - und wenn wir gewinnen wollen, dürfen wir diese Fehler nicht wiederholen."

Für Spielübungen speziell zur Überzahl dürfte die Trainingszeit indes kaum reichen. Bereits an diesem Montag fliegt man an die Côte d'Azur.

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