RB Leipzig:Dampfwalzen ärgern Feinfüßler

Nach dem 1:1 in Leipzig eröffnet Gladbachs Trainer Schubert eine Debatte über den Stil des Gegners.

Von Christoph Ruf, Leipzig

In der Vorsaison hat Christoph Kramer bei Bayer 04 Leverkusen noch mit Kyriakos Papadopoulos zusammengespielt. Insofern war es logisch, dass der jetzige Mönchengladbacher mit dem RB-Verteidiger die Arbeitsklamotten tauschte, der nach Ansicht der Leipziger Volkszeitung "weiter köpft, als andere schießen". Dass so ein Mann von RB Leipzig mal eben ausgeliehen wird und dennoch nur auf der Bank sitzt, sagt einiges über Möglichkeiten und Anspruch beim Aufsteiger aus. Doch noch aussagekräftiger war, wie bescheiden Nationalspieler Kramer das 1:1 seiner Gladbacher analysierte: "Wenn Leipzig weiter so punktet, können wir das Remis als Gewinn werten. Denn dann werden nicht viele Teams hier punkten." Eine absolut realistische Einschätzung.

Auch Kramers Borussia, die kurz vor Schluss eine ihrer wenigen Chancen zum Ausgleich durch Fabian Johnson nutzte (85.), hatte alle Mühe, den Leipziger Dampfwalzen-Fußball halbwegs unbeschadet zu überstehen. Das gelang, weil Gladbach nach dem Seitenwechsel dagegenhielt, über Zweikämpfe ins Spiel kam und auch offensiv aktiv wurde. So konnte durch Anpassung an den physischen RB-Fußball die zweite Auswärtsniederlage der Saison bei einem Neuling (nach dem 1:3 in Freiburg) verhindert werden: "In der zweiten Halbzeit sind wir besser klargekommen", sagte Torschütze Johnson, "so wollen wir eigentlich nicht spielen, aber wenn es nicht anders geht, müssen wir es können."

RB Leipzig: Auch beim Unentschieden gegen Gladbach Torschütze für RB Leipzig: Timo Werner, Zugang vom VfB Stuttgart.

Auch beim Unentschieden gegen Gladbach Torschütze für RB Leipzig: Timo Werner, Zugang vom VfB Stuttgart.

(Foto: Jens Meyer/AP)

Dass Leipzig nur das frühe 1:0 durch Timo Werner (6.) gelang, war aber auch Glückssache, denn im ersten Durchgang erinnerte die Borussia zuweilen an die Besatzung eines Segelbootes, die im Orkan versucht, nicht über Bord zu gehen. 120 Kilometer lief der Aufsteiger über 90 Minuten, das waren sechs mehr, als die ebenfalls fleißigen Gäste zurücklegten (114). Wer glaubt, dass solche statistischen Parameter nicht viel aussagen, hat dieses Spiel nicht gesehen: Jeder Borusse, der den Ball hatte, wurde sofort von drei, vier Rot-Weißen attackiert. Und wenn der Ball erbeutet war, schwärmte die komplette RB-Offensivabteilung in alle Richtungen aus, um einen der vielen langen Bälle zu ergattern, die in Richtung des Gladbacher Tores geschlagen wurden.

Der Leipziger Fußball, von den ehemaligen Trainern Zorniger und Rangnick entwickelt und von Ralph Hasenhüttl auf die Spitze getrieben, ist schnell, dynamisch und kurzweilig. Doch sonderlich feinsinnig, stellte Borussia-Trainer André Schubert ziemlich frech fest, ist dieser Fußball nicht. Zumindest nicht für Freunde von Kurzpass-Stafetten - wie Schubert: "Es liegt im Ermessen des Betrachters, ob das nun attraktiver Fußball ist oder nicht", sagte der gut gelaunte Gladbacher Coach und pries sein eigenes Team für den Fußball, der ihm stattdessen vorschwebt: "Wir sind da anders aufgestellt, deswegen lobe ich meine Mannschaft für über 60 Prozent Ballbesitz und die gute Passquote."

Ohne Messi gegen Gladbach

Lionel Messi steht dem FC Barcelona aufgrund einer Leistenverletzung voraussichtlich drei Wochen nicht zur Verfügung: "Lionel Messi zu verlieren, bedeutet, dass der Fußball verloren hat und wir natürlich auch", sagte Trainer Luis Enrique nach dem 1:1 (1:0) im Topspiel der spanischen Liga gegen Atlético Madrid. Messi hatte nach knapp einer Stunde humpelnd den Platz verlassen. Der 29-Jährige fehlt damit auch nächste Woche im Champions-League-Spiel bei Borussia Mönchengladbach. In der Primera Division liegt Barcelona unverändert drei Punkte hinter Tabellenführer Real Madrid, der gegen Villarreal ebenfalls nur 1:1 (0:1) spielte. SID

Dass mit dem Aufstieg von RB Leipzig ein Team dazugekommen ist, das sich schon jetzt an den Großen der Liga orientiert, dürfte in ein paar Wochen dennoch eine Gewissheit sein. Schon jetzt, nach zwei Siegen und zwei Unentschieden, klingt es nicht mehr sonderlich vermessen, wenn Coach Hasenhüttl nach einem Spiel gegen einen Champions-League-Teilnehmer davon spricht, man müsse "auch mal mit einem 1:1 zufrieden" sein: "Ähnlich wie der Gegner wollen wir immer alles. Aber man kann nicht immer alles bekommen."

Gegen Leipzigs Highspeed-Fußball, betrieben von flinken, ballsicheren und teuren Spielern, werden wohl noch viele Mannschaften die Segel streichen müssen. Und manche Teams aus dem oberen Tabellendrittel werden so froh sein wie die Gladbacher, wenn sie nicht verlieren.

In der Pressekonferenz war Hasenhüttl kurzzeitig irritiert über eine Aussage des Kollegen. Der hatte - mitten in seiner Lobeshymne auf die Leipziger Elf ("die sind gerade im Flow") - einen Satz gesagt, der plötzlich gar nicht mehr devot klang: "Wie Leipzig spielt, das ist leicht zu lesen", sagte Schubert, und Hasenhüttl durchfuhr ein kleiner Ruck. Doch Schubert schob nach: "Aber so, wie sie es spielen, ist es wahnsinnig gut."

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