Rassismus im serbischen Fußball:Der serbische Fußball zeigt sein rechtsextremes Gesicht

Lesezeit: 2 min

Partizans Goalie Filip Kljajic versucht, seinen Mitspieler Everton zu trösten, der nach rassistischen Schmähungen in Tränen ausbricht. (Foto: AFP)
  • Gegnerische Fans beleidigen Everton Luiz von Partizan Belgrad beim Spiel gegen den FK Rad rassistisch.
  • Als der Brasilianer ihnen nach Schlusspfiff den Mittelfinger zeigt, kommt es zu Rangeleien. Rads Vizepräsidentin setzt einen verstörenden Facebook-Post ab.
  • Partizans Trainer sagt: "Der serbische Fußball ist zurück in seiner Realität."

Von Florian Raz

Er war einer der Sieger. Eigentlich. Doch als Everton Luiz am Sonntag das Spielfeld des FK Rad in Belgrad verlässt, steigen ihm Tränen in die Augen. Tränen der Erniedrigung, der Enttäuschung und des verletzten Stolzes. Der dunkelhäutige Brasilianer war während der Partie von den Rad-Anhängern mit Affengeräuschen beleidigt worden, er musste ein rassistisches Spruchband lesen, das an seine Adresse gerichtet war.

Am Ende war das alles zu viel. Als die Partie mit einem 1:0 für Partizan beendet war, marschierte der ehemalige Mittelfeldspieler des FC St. Gallen in die gegnerische Fankurve und zeigte kurz den ausgestreckten Mittelfinger. Danach kam es auf dem Feld zu Rangeleien, weil sich die Spieler von Rad nicht etwa mit Everton solidarisierten, sondern mit ihrem Anhang.

Das, sagte Everton danach, habe ihn am meisten verletzt. Er sei schon seit seinem Wechsel von Brasilien nach Europa zum FC Lugano 2014 immer wieder rassistischen Anfeindungen ausgesetzt gewesen, nicht nur im Stadion. Aber das Verhalten der Gegenspieler habe ihn tief getroffen: "Ich war schockiert von den Gegenspielern, die dieses Verhalten unterstützt haben, anstatt beruhigend einzugreifen. Ich habe ihnen noch nicht vergeben."

Der Fall zeigt, wie groß die Akzeptanz für rassistische Auswüchse ist

Es war Partizans Trainer Marko Nikolić, der die Szenen treffend zusammenfasste: "Der serbische Fußball ist zurück in seiner Realität." Tatsächlich hat der Fußball in Serbien eine lange Geschichte von toleriertem bis unterstütztem Rassismus.

Vom Spielabbruch 2010 in Genua, wo Serbiens berühmtester Fußball-Nazi Ivan Bogdanov weltweite Berühmtheit erhielt, als er in vorderster Reihe einen Spielabbruch der Partie zwischen Italien und Serbien provozierte, über Affenlaute gegen englische U-21-Spieler 2007 und 2012 bis zum Spielabbruch des Länderspiels gegen Albanien 2014. Dort war Bogdanov, der von einem ernsthaft gegen gewalttätige Fans vorgehenden Verband längst aus den Stadien verbannt worden wäre, wieder ganz vorne dabei, als die Lage explodierte. Eine Drohne, die mit der Flagge Großalbaniens ins Stadion geflogen war, hatte die serbischen Fans aufgewiegelt.

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Wie groß die Akzeptanz für rassistische Auswüchse ist, zeigt sich auch im aktuellen Beispiel: Der FK Rad distanzierte sich in einer öffentlichen Mitteilung nicht etwa deutlich von seinen Anhängern, sondern er schob die Schuld an den Vorfällen Everton zu. Dieser habe während des Spiels ständig simuliert und die Mütter der Rad-Spieler beleidigt. Wobei sich der Verfasser des Schreibens darüber ausschwieg, wie die Fans die Beleidigungen mitbekommen haben sollen.

Die Vizepräsidentin des Clubs, Jelena Polić, ließ sich auf Facebook gar zu einer Tirade hinreißen, in der sie Everton dazu aufrief, nach Brasilien zurückzukehren: "Zeige dort deinen dunklen Finger und beleidige brasilianische Mütter, dann ist alles okay." Inzwischen ist der Post wieder gelöscht, aber die Zeilen zeigen, wessen Geistes Kind der Vorstand des FK Rad sein muss: "Offenbar müssen wir andere mehr respektieren als uns. Wir müssen stolz sein, wenn das 'Tito'-Team ( Partizan, Anm. d. Red.) sieben Ausländer spielen lässt."

Polić ist damit voll auf der Linie der Ultras des Vereins. Die "United Force" hängt in ihrem Sektor Flaggen mit klar rechter bis faschistischer Symbolik auf, zum Beispiel ein gleichschenkliges Keltenkreuz, das als Symbol von Neonazis gilt und in Deutschland deswegen verboten ist. Gegen Partizan soll auch der Kopf von Dimitrije Ljotić zu sehen gewesen sein, dem Anführer der serbischen Kollaborateure mit dem nationalsozialistischen Deutschland im Zweiten Weltkrieg.

Immerhin: Als 2012 der Engländer Danny Rose beim U-21-Spiel in Serbien mit Affenlauten eingedeckt worden war, behauptete der serbische Verband, es habe "keinerlei rassistische Vorfälle vor, während und nach dem Spiel gegeben". Inzwischen scheint in den Führungsgremien ein Lernprozess stattgefunden zu haben. Zumindest verkündete Ligapräsident Vladimir Bulatović eine vorläufige Stadionsperre für Rad, die gilt, bis die Liga eine definitive Strafe ausgesprochen hat.

Everton wird das kaum trösten. Zumal er selbst für seinen Mittelfinger ebenfalls bestraft werden dürfte.

Dieser Artikel erschien zuerst im Tages-Anzeiger vom 22. Februar 2017.

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