Rassismus-Fall in der Bezirksliga:Sportgericht urteilt gegen nigerianischen Torwart

Der Vorwurf von Rassismus in der Fußball-Bezirksliga und sein überraschendes Ende: Torhüter Ikenna Onukogo begründet eine Attacke auf gegnerische Zuschauer damit, dass sie ihn fortlaufend rassistisch beleidigt hätten. Doch jetzt will das niemand mehr bezeugen - und die Strafe erhält der Torwart.

Es ist ein aufsehenerregender Vorgang aus den Niederungen des Fußballs: Der afrikanischstämmige Torhüter Ikenna Onukogo geht in der 88. Minute des Bezirksliga-Spiels zwischen Hertha Hamborn und Dostlukspor Bottrop auf gegnerische Fans los. Zuerst wirft er eine Trinkflasche, dann kommt es zum Gerangel. Der Schiedsrichter bricht das Spiel ab. Onukogo wird anschließend gesperrt und seine Hamborner Mannschaft verliert das Spiel.

Wenig später hebt die Bezirkskammer des Fußballverbands Niederrhein die Sperre aufgrund der nachträglich bekannt gewordenen Umstände wieder auf. Denn Onukogo berichtete unter anderem dem Nachrichtenportal Der Westen, dass er nach der Halbzeitpause fortlaufend von gegnerischen Zuschauern rassistisch angefeindet worden sei: "Ich lasse mir viele Beleidigungen gefallen, aber nicht ,Nigger', wie sie mich immer wieder genannt haben. Die Beleidigungen eskalierten, was ich wieder dem Schiedsrichter meldete. Der sagte, ich solle mich nicht aufregen, es wäre alles unter Kontrolle."

Anschließend habe jemand eine Plastikflasche nach ihm geworfen, woraufhin dem Torhüter der Kragen geplatzt sei: "Da habe ich die Flasche zurückgeworfen und bin auf die Zuschauer zugelaufen. Ich weiß, dass ich wohl überreagiert habe, aber ich bin auch nur ein Mensch und kann es nicht ertragen, wegen meiner Hautfarbe beleidigt zu werden."

Unterstützung erfuhr der ehemalige nigerianische Jugend-Nationalspieler nicht nur vom eigenen Trainer Ralf Alkurt ("So darf man nicht mit einem Menschen umgehen"), sondern auch aus dem Dostlukspor-Lager: "Ich denke nicht, dass der Torwart so reagiert, wenn da nichts gewesen ist", wird Trainer Sebastian Stempel zitiert.

Aus diesem Grund untersuchte die Bezirkskammer im abschließenden Verfahren nicht nur Onukogus Handeln, sondern verhandelte gleichzeitig die Rassismus-Vorwürfe gegen Dostlukspor Bottrop. Das Urteil überraschte: Der Torwart erhält wegen grob unsportlichen Verhaltens eine Sperre bis zum 16. Mai, das Verfahren gegen Dostlukspor wegen rassistischer Äußerungen wurde eingestellt.

Zweifel an Onukogos Glaubwürdigkeit

Der Grund: Onukogos Verhalten ist nachhaltig dokumentiert und bewiesen, die rassistischen Äußerungen hingegen wollte im Nachhinein niemand mehr bezeugen. Ob die Zuschauer, das Schiedsrichtergespann oder Fotograf Winfried Labus von der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung, der unmittelbar in der Nähe war - niemand hatte die Beleidigungen gehört. Auch Onukogos Mitspieler hatten entsprechende Anfeindungen nicht wahrgenommen.

Zudem erhob die Kammer Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Torwarts. Unter anderem gegenüber Spiegel Online hatte er nämlich behauptet, die Flasche sei ihm selbst mit der Aufforderung zugeworfen worden, er solle sie sich "in den Arsch schieben". Mehrere Augenzeugen, darunter Schiedsrichter Thorsten Aretz aus Mönchengladbach, sagten nun jedoch aus, dass es sich dabei um Onukogus eigene Flasche gehandelt habe: "Er hat die Flasche aus dem eigenen Tor genommen und ist dann auf die Zuschauer losgestürmt." Pressefotos und die Aussage des Fotografen stützen diese Version.

Allein Alkurts gleichberechtigter Partner als Hamborner Trainer, Aydin Erdal, hatte im Vorfeld der Verhandlungen gegenüber der Münchner Abendzeitung die Beschimpfungen seitens der Zuschauer bestätigt: "Vier Fans haben ihn die ganze Zeit beleidigt. Er war das Opfer und der Fußballverband hat ihn zum Täter gemacht."

Der Nigerianer betonte schon vor seiner Sperre, dass es so nicht weitergehe: "Das macht mich kaputt. In der Bundesliga wird immer von Fair Play gesprochen. Wir sind hier schließlich im Sport und nicht im Krieg."

Auch Dostlukspor-Trainer Stempel kündigte nach dem Vorfall Konsequenzen an, sollten die Probleme im Verein anhalten: "Ich habe die Nase voll davon, dass meine Arbeit von einigen Wenigen zunichte gemacht wird." Die Bezirksspruchkammer verwies währenddessen darauf, dass Medienberichterstattung nicht die Grundlage für (sport-)gerichtliche Entscheidungen sein dürfe.

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