Ralf Fährmann:"Das darf mir nicht passieren"

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Dortmunds Nuri Sahin (r.) im Streit mit Schalkes Torwart Ralf Fährmann. (Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Schalkes Torwart Ralf Fährmann erlebt das Derby aus kurioser Perspektive: Zunächst ist er viermal machtlos, dann sieht er aus der Ferne bei der Wende zu.
  • Erst nach dem Abpfiff steht er im Zentrum der Aufregung, als er ausgerechnet vor der Dortmunder Südtribüne feiert.
  • Später entschuldigt sich Fährmann dafür.

Von Felix Meininghaus, Dortmund

Nach dem Abpfiff ging es nochmal richtig zur Sache: Schalkes Torhüter Ralf Fährmann feierte ausgerechnet vor der Dortmunder Südtribüne und provozierte damit die "Gelbe Wand". Innerhalb von wenigen Augenblicken eskalierten die Dinge, es brannten sämtliche Sicherungen durch. Nuri Sahin nahm sich den Gegner zur Brust, es folgte eine Rudelbildung der heftigen Art. Wenige Meter vor der schäumenden Menge in schwarz-gelb, die ohnehin schon außer Rand und Band war, weil sie ein irres Spiel verarbeiten musste, in dem ihre Mannschaft einen 4:0-Vorsprung hergeschenkt hatte, flogen die Fetzen.

Mittendrin Schalkes Torhüter, der einer der Protagonisten war an einem Nachmittag, der alle Gefühlswallungen bereithielt, die der Fußball an den seltenen Tagen zu bieten, die unvergessliche Spiele hervorbringen. Irgendwie passten die Gefühlswallungen zu all dem, was zuvor in 90 irren Minuten passiert war. Ein solch irres Spiel - so die naheliegende Dramaturgie - durfte einfach nicht konventionell zu Ende gehen.

In der ersten Halbzeit konnte einem Fährmann nur leid tun. Fünf Mal kam der Ball auf sein Tor, ein Schuss von Aubameyang flog über den Querbalken, vier Mal schlug es bei ihm ein, ohne dass er die Chance hatte, eingreifen zu können. Der Torhüter gestikulierte, brüllte seine völlig überforderten Vorderleute an, forderte sie immer wieder auf, näher an ihre Gegner zu rücken - aber am Ende spürte er nichts als die Machtlosigkeit eines Torhüters, der von seiner Abwehr im Stich gelassen wird.

Fast verursacht der Torwart das fünfte Gegentor

Zu Beginn der zweiten Hälfte wurden die Dinge zunächst nicht besser. Im Gegenteil, Fährmann vertändelte gegen Aubameyang den Ball, doch der legte nicht direkt quer auf den freistehenden Götze, sondern gab seinem Kontrahenten die Chance, sich aufzurappeln und seinen Fehler noch auszubügeln. Es wäre das 5:0 gewesen und damit die endgültige Entscheidung. Doch so konnte das passieren, was ohne Übertreibung als Mirakel bezeichnet werden darf: Schalke schüttelte sich und drehte ein längst verloren geglaubtes Spiel.

Ganz hinten stand der Torwart und dürfte genauso ungläubig gestaunt haben wie alle im Stadion. Wahrscheinlich wird die wundersame Wendung des Schicksals Fährmann dazu verleitet haben, nach dem Abpfiff das zu tun, was eigentlich auf dem Index steht: die Fans des Gegners provozieren. Ein Verhalten, das schon in normalen Bundesligaspielen nicht angemessen erscheint, ist im ohnehin schon mit so viel Pathos und Adrenalin aufgeladenen Revierderby alles andere als geschickt. Da spielt es auch keine Rolle, dass sich die Beleidigungen der Anhänger im Rücken eines Keepers 45 Minuten lang wie ein Gewitter entladen. All jene, die bei den Turbulenzen nach Spielende involviert waren, wussten, wer für die Rudelbildung verantwortlich war.

Leon Goretzka warb für Verständnis für das Verhalten seines Kollegen: "Die Emotionen waren heute extrem", sagte der Nationalspieler, wusste aber auch: "Natürlich kann sich Ralle da professioneller verhalten." Diese Erkenntnis wird auch der Kapitän auf dem Weg in die Kabine gekommen sein. Als sich die Gemüter beruhigt hatten, zeigte sich der 29-Jährige einsichtig und hatte einen Auftritt, der von großer Klasse zeugte: "Ich habe mich von meinen Emotionen leiten lassen", sagte Fährmann, als er sich in den Katakomben des Dortmunder Stadions den Journalisten stellte: "Das darf mir nicht passieren. Ich entschuldige mich dafür offiziell." Die wohltuend fairen Worte passten perfekt zum Niveau eines unvergesslichen Nachmittags.

© SZ vom 26.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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